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Bürokratie abbauen - in Bund und Land!

Von Volker Giersch
Standpunkt

01.10.2007

Zu den Schwachpunkten des Wirtschaftsstandortes Deutschland zählt nach wie vor die überbordende Bürokratielast. Einen Großteil davon hat die Wirtschaft zu tragen. Insgesamt werden die direkten Belastungen für Unternehmen auf bis zu 80 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Diese Kosten beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und mindern letztlich ihre Wachstums- und Beschäftigungsdynamik. Bürokratieabbau ist deshalb im Kern auch Wachstumspolitik.

Besonders betroffen ist der Mittelstand. Denn es gilt: Je kleiner das Unternehmen, desto höher die Bürokratiekosten je Mitarbeiter. Etwa 4.300 Euro pro Jahr betragen sie für jeden Beschäftigten bei Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern, während bei Großbetrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern immerhin noch etwa 350 Euro für einen Beschäftigten anfallen. In Deutschland gelten derzeit 11.000 Informationspflichten für Unternehmen. Statistisch muss sich ein Kleinunternehmer 300 Stunden oder zwei Mannmonate pro Jahr ausschließlich mit administrativen Leistungen beschäftigen. Das ist kostbare Zeit.

Aus vielen Untersuchungen wissen wir, dass die Bürokratiekosten ganz überwiegend aus Gesetzen und Verordnungen des Bundes resultieren. Bei einem wachsenden Anteil dieser Gesetze geht es übrigens um die Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht – so etwa beim Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG). Problematisch ist, dass dieses Gesetz wie manches andere deutlich über die von der EU geforderten Richtlinien hinausgeht. Es wurde – zu Lasten der Wirtschaft – mit deutscher Gründlichkeit aufpoliert. So müssen die Betriebe ihre Führungskräfte schulen und eine Beschwerdestelle für Mitarbeiter einrichten, die sich diskriminiert fühlen.

Normenkontrollrat dämpft Bürokratiekosten

Schon viele Bundesregierungen hatten den Bürokratieabbau auf ihre Fahnen geschrieben, ohne nennenswerten Erfolg. Die derzeitige Regierung scheint es aber ernst zu meinen: Bis 2011 sollen die Bürokratiekosten um ein Viertel gesenkt werden. Das wäre immerhin eine Einsparung von rund 20 Milliarden Euro.

Als einen Schritt zu diesem Ziel hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr einen Normenkontrollrat ins Leben gerufen. Das ist ein unabhängiges Kontroll- und Beratungsgremium, das neue Gesetze auf Bürokratiekosten überprüfen soll. Im ersten Jahr seines Bestehens hat dieses Gremium bereits 190 Gesetzes- und Verordnungsentwürfe geprüft, die zusammen 358 Informationspflichten enthalten. Dank seiner Tätigkeit wurden davon 109 Informationspflichten geändert und 51 aufgehoben.

Damit hat der Rat in zum Teil mühsamer Kleinarbeit das Entstehen von noch mehr Bürokratie durch neue Gesetze verhindert oder abgemildert. Die Wirtschaft spart dadurch jährlich fast 800 Millionen Euro an Bürokratiekosten. Hinzu kommt, dass allein schon die Existenz des Rates dazu führt, dass die Ministerien sich bei der Formulierung von Gesetzen bereits darum bemühen, Bürokratie möglichst einzudämmen.

Für die Zukunft wäre es wichtig, die Kompetenzen des Normenkontrollrates auszuweiten. Insbesondere muss er auch tätig werden dürfen, wenn Gesetze aus dem Parlament eingebracht werden. Bislang ist er nur für die Gesetzentwürfe der Ministerien zuständig.

Mentalitätswandel in der Gesetzgebung nötig

Wichtiger noch ist, dass Bürokratie künftig auch jenseits der Informations- und Dokumentationspflichten abgebaut wird. Dazu nötig ist dann freilich ein grundlegender Mentalitätswandel in allen Bereichen der Gesetzgebung. Es ist an der Zeit, dass wir uns in Deutschland endlich dazu durchringen, die Gesetze so zu gestalten, dass sie einfach, transparent und leicht umsetzbar sind. Und wir müssen unseren Hang zügeln, ausgeklügelte Sozialsymmetrien zu schaffen, Regulierungen zu perfektionieren und Einzelfallgerechtigkeiten anzustreben.

Konkret: Wir müssen in der Bundespolitik endlich ran an Großprojekte wie eine grundlegende Steuerreform à la Kirchhof und eine weit reichende Deregulierung des Arbeitsmarktes. Beides zusammen würde unserer Volkswirtschaft nicht nur gigantische Effizienzgewinne bringen, sondern zugleich auch die Wachstumskräfte nachhaltig stärken; dies auch und gerade im Bereich der mittelständischen Wirtschaft.

Hauptkostentreiber in Landesgesetzen identifiziert

Nicht aus dem Blick geraten darf dabei, dass es auch in den Bundesländern zahlreiche Gesetze und Verordnungen gibt, die die Unternehmen mit unnötigen Kosten belasten. Für alle 16 Bundesländer werden die durch Landesrecht verursachten Bürokratiekosten auf knapp 270 Millionen Euro geschätzt.

Diese Zahl ist allerdings bislang noch wenig valide. Sie basiert auf Schätzungen (sogenannte SKM-Scans) in den Ländern Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen, ohne dass diese empirisch in den Unternehmen überprüft wurden. Die so gewonnenen Werte wurden dann auf alle 16 Bundesländer hochgerechnet. So vage diese Schätzung auch ist: Dieses Vorgehen hat immerhin, und darin bestand auch das eigentliche Ziel dieser Projekte, die Hauptkostentreiber in den Landesgesetzen ausfindig gemacht.

Im Saarland ist das die „Verordnung über die Erhebung von Beiträgen für die Arbeitskammer des Saarlandes“. Sie bürdet den Saar-Unternehmen jährlich eine Bürokratielast von rund 720.000 Euro auf. Sieht man von dieser saarländischen Besonderheit ab – neben dem Saarland leistet sich nur noch Bremen eine Arbeitskammer – dann sind es insbesondere die Normen aus den Bereichen Wasserrecht, Meldegesetz und Baurecht, die den Unternehmen teure Informationspflichten auferlegen. Insgesamt belaufen sich diese auf rund 2,8 Millionen Euro. Das ist gewiss nicht viel, wenn man es mit den Kosten vergleicht, die aufgrund der sogenannten saarspezifischen Standortnachteile (höhere Gewerbesteuerhebesätze, mehr Feiertage) auf der Wirtschaft lasten.

Dennoch macht es Sinn, näher hinzuschauen. Denn es sind nur einige wenige Gesetze und Verordnungen, die den Großteil der Bürokratiekosten verursachen. Von den 280 wirtschaftsrelevanten Rechtsnormen im Saarland zeichnen nur 30 für über 97 Prozent der Bürokratiekosten verantwortlich. Das zeigt, wo der Hebel anzusetzen ist.

Saarländische Lösung in Sicht

Die Gesamtbelastung der Wirtschaft wird im Übrigen kaum beeinflusst von der Menge der wirtschaftsrelevanten Gesetze und Verordnungen. Viel wichtiger sind die Anzahl der betroffenen Unternehmen und der Umfang der Informationspflichten. Das bedeutet im Klartext: Bürokratieabbau nach dem Motto „Wir haben 70 Prozent der Verwaltungsvorschriften abgeschafft. Das entspricht 40 kg bedrucktem Papier!“ hat nur wenig Aussagekraft. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bürokratieabbau in der Wirtschaft spürbar wird – dass Informationspflichten vermindert, Genehmigungsverfahren verkürzt und Genehmigungsaufwand reduziert wird. Kurzum: Es gilt den Vorteil, den wir als Land der kurzen Wege bereits haben, weiter auszubauen.

Ins Bild gehören dabei nicht nur die Bürokratiekosten, die in der Wirtschaft selbst anfallen, sondern auch die Kosten für die staatlichen Bürokratien. Denn letztlich zahlt die Wirtschaft über Steuern und Abgaben auch einen gewichtigen Teil dieser Kosten. Ein Beispiel macht deutlich, was gemeint ist: das Vorhaben, im Saarland ein „Grundwasserentnahmeentgelt“ einzuführen. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Abgabe, die dem Landeshaushalt zufließen und den Wasserverbrauch hierzulande weiter verteuern würde.

Sollte der Gesetzentwurf in Kraft treten, dann stünden einem vergleichsweise niedrigen Gesamtaufkommen (rund sechs Millionen Euro je Jahr) sowohl hohe Verwaltungskosten beim Staat als auch beträchtliche Belastungen bei den betroffenen Unternehmen gegenüber. Letzteres etwa, weil die Betriebe zusätzliche Messgeräte installieren müssten. Insgesamt schätzen wir den erforderlichen Mess- und Erhebungsaufwand auf fast ein Fünftel des Aufkommens. Das wäre eine ausgesprochen unbefriedigende Relation von Aufwand und Ertrag.

Spannend wäre da gewesen, wie hoch ein saarländischer Normenkontrollrat die Bürokratiekosten beziffert hätte. Vielleicht wäre der Gesetzentwurf in dieser Form erst gar nicht vorgelegt worden, wenn ein solches Gremium bereits existiert hätte? Künftig werden wir mehr wissen. Denn auch im Saarland bahnt sich eine vielversprechende Lösung zur Dämpfung der Bürokratiekosten an. Wir werden darüber berichten. Auch in diesem Journal.