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Positionen

Kennzahl: 17.10374

Für eine Energiepolitik mit Augenmaß - Das Gleichgewicht von Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit muss wiederhergestellt werden!

Position der IHK-Vollversammlung vom 24. Juni 2013

24.06.2013

- Erwartungen der Wirtschaft an die Energiepolitik von Bundes- und Landesregierung -

Eine nachhaltige Energieversorgung gehört zu den elementaren Voraussetzungen einer modernen Gesellschaft. Sie ist die Grundlage für eine funktionierende Wirtschaft mit sicheren Arbeitsplätzen, für soziale Ausgewogenheit und für effektiven Umweltschutz. Daher muss eine nachhaltige Energiepolitik die Balance zwischen den drei klassischen Zielen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit wahren und dabei zu-allererst die Interessen der Menschen und Unternehmen vor Ort berücksichtigen. Energie-politik ist deshalb immer auch Standortpolitik.

Die mit der „Energiewende“ eingeleitete Systemtransformation unseres Energieversorgungssystems hat diese Balance in jüngster Zeit erheblich gestört. Zur Erreichung von politisch vorgegebenen Zielen in der Energie-, Umwelt- und Klimapolitik wurde eine Subventions- und Interventionsspirale in Gang gesetzt, die nicht nur zu einer sich immer weiter beschleunigenden Abkehr von marktwirtschaftlichen Prinzipien führt, sondern wegen der damit einhergehenden Fehlallokation volkswirtschaftlicher Ressourcen steigende Energie-preise und eine Gefährdung der Versorgungssicherheit zur Folge hat. In letzter Konsequenz gefährdet eine derart fehlgeleitete Energiepolitik die industrielle Basis der Wirtschaft und wirkt langfristig betrachtet wachstumshemmend und arbeitsplatzvernichtend.

Die Wirtschaft erwartet daher von der Bundesregierung wie auch von der saarländischen Landesregierung, unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, die geeignet sind, das Gleichgewicht von Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit in der Energiepolitik wieder herzustellen. Der Preis der Energiewende darf nicht die Deindustrialisierung unseres Landes sein.

Saarland überdurchschnittlich betroffen
Das Saarland ist ein Industrieland. Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung liegt mit gut 27 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt von rund 22 Prozent. Darüber hinaus steht die saarländische Wirtschaft mit einer Exportquote von 50 Prozent verstärkt im internationalen Wettbewerb. Im Bund liegt die durchschnittliche Exportquote bei „nur“ 46 Prozent. Schließlich ist die Saarindustrie überdurchschnittlich energieintensiv: Bezogen auf die Bruttowertschöpfung ist ihr End-energieverbrauch im Vergleich zur bundesdeutschen Industrie mehr als dreimal so hoch - nicht, weil die Unternehmen weniger energieeffizient sind, sondern weil hier Branchen mit sehr hohem Energieverbrauch das Bild prägen und die Einsparpotenziale prozessspezifisch sehr begrenzt sind. Steigende Energiepreise wie auch Verschlechterungen der Versorgungsqualität gefährden daher den Wohlstand, die Sicherheit und letztlich die Zukunftsfähigkeit des Landes. Es ist daher unabdingbar, dass die Energiepolitik - sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene - der bestehenden Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftskraft Rechnung trägt. Im Einzelnen ist dabei zu beachten:

Belastungen der Wirtschaft in Grenzen halten
Aufgrund des hohen Anteils energieintensiver Betriebe ist die saarländische Wirtschaft mit überdurchschnittlich hohen Energiekosten belastet. Kann sie diese wegen weiter steigen-der Energiepreise oder aufgrund weiterer Verschärfungen in der Klimaschutzpolitik nicht mehr tragen, besteht die Gefahr, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verliert und gezwungen ist, Produktionen ins Ausland zu verlagern. Das Saarland würde so Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze verlieren. Die Wirtschaft erwartet daher von der Landesregierung, dass sie auf Bundesebene die besonderen Interessen des Wirtschaftsstandorts Saarland konsequent vertritt. Dazu gehört auch, dass Entlastungsregelungen für energieintensive Unternehmen - zum Beispiel im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sowie bei der Strom- und Energiesteuer - zumindest erhalten bleiben.

Schon heute führt der hohe staatlich verursachte Anteil am Strompreis zu erheblichen Kostenbelastungen für die saarländische Wirtschaft und damit zu gravierenden Wettbewerbsnachteilen gegenüber ausländischen Mitbewerbern. Im Jahr 2012 zahlten die saarländischen Stromverbraucher 227 Millionen Euro an EEG-Umlage. Der von den Unter-nehmen zu tragende Anteil dürfte inzwischen mehr als 160 Millionen Euro betragen. Die Wirtschaft erwartet daher von der Landesregierung, dass sie sich auf Bundesebene für ei-ne deutliche Reduzierung dieser Belastungen einsetzt, die sich durch die überbordende Förderung der Erneuerbaren Energien ergeben. Grundsätzlich müssen solche Subventionen begrenzt, degressiv und effizienzorientiert ausgestaltet werden. Es darf keine dauer-haften Schutzzonen für einzelne Energieträger geben, auch die Erneuerbaren Energien müssen längerfristig ohne staatlich veranlasste Alimentierungen auskommen. Der Strom-preis darf nicht durch staatliche Interventionen weiter künstlich in die Höhe getrieben werden.

Neben der direkten Kostenbelastung durch die EEG-Umlage sind auch die damit einher-gehenden Umverteilungseffekte nicht zu vernachlässigen. Im Jahr 2012 standen den 227 Millionen Euro EEG-Umlage-Zahlungen saarländischer Stromverbraucher lediglich 83 Millionen Euro EEG-Vergütungszahlungen für den im Saarland produzierten Ökostrom gegenüber. Der daraus resultierende Negativsaldo von 144 Millionen Euro stellt einen erheblichen Vermögens-, Liquiditäts- und Kaufkrafttransfer zu Lasten des Saarlandes dar. Die-ser Negativsaldo ist in den letzten Jahren zudem stark angewachsen (2010: -76 Millionen Euro, 2011: -128 Millionen Euro) und dürfte sich auch in den kommenden Jahren weiter erhöhen. Er ist die unmittelbare Folge des bundesweit unverändert starken Zubaus von EEG-Anlagen und der daraus resultierenden EEG-Stromproduktion. Verglichen mit den anderen Bundesländern fällt der Zubau von EEG-Anlagen im Saarland hingegen relativ bescheiden aus. Selbst wenn die hierzulande vorhandenen Potenziale in den Bereichen Windkraft und Photovoltaik ausgeschöpft werden, wird das Saarland deshalb auch in Zukunft in einer Nettozahlerposition verbleiben. Auch vor diesem Hintergrund ist daher eine grundlegende Überarbeitung der EEG-Förderkulisse unumgänglich. Erfolgt sie nicht, wird das Saarland unweigerlich zu den Verlierern der Energiewende gehören.

Keine Gefährdung des Wirtschaftsstandorts durch überzogenen Klimaschutz
In den letzten zwanzig Jahren ist eine weitgehende Entkopplung von Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum gelungen. Sie ist das Resultat stetiger Anstrengungen, die Energieeffizienz durch konsequenten Einsatz verbesserter Technologien zu erhöhen. In einigen Bereichen, etwa bei Gebäuden, lässt sich die Situation durch gezielte Information, durch entsprechende Änderungen des Rechtsrahmens und durch Investitionsanreize noch verbessern. In anderen Bereichen, beispielsweise bei den energieintensiven Industrien, sind die Potenziale hingegen aufgrund des internationalen Wettbewerbsdrucks schon weitgehend ausgeschöpft.

Die gestiegene und weiter steigende Energieeffizienz in der deutschen Wirtschaft führte und führt auch zu einer stetigen Reduktion von Treibhausgasemissionen. Allerdings gibt es Produktionsprozesse, die technisch-physikalisch bedingt keine weiteren CO2-Reduktionen zulassen. So würde beispielsweise eine bis zum Jahr 2050 angestrebte Minderung der CO2-Emissionen um 80 Prozent die saarländische Stahlindustrie faktisch zur Produktionseinstellung zwingen. Die dann bei unverändert steigender Weltnachfrage nach Stahlerzeugnissen fehlenden Produktionskapazitäten würden letztlich anderenorts mit deutlich niedrigeren Umweltstandards zusätzlich aufgebaut. Alles spricht dafür, dass die Produzenten, die diese Lücke ausfüllen würden, nicht dem europäischen CO2-Emissionshandelssystem unterlägen und so per Saldo weltweit sogar mehr CO2 emittiert würde. Für den Klimaschutz wäre damit nichts gewonnen - im Gegenteil. Das Saarland als Wirtschaftsstandort würde dafür aber eine bedeutende Grundstoffindustrie verlieren. Die Wirtschaft lehnt daher teure und standortgefährdende Klimaschutzziele ab, insbesondere dann, wenn sie europäische oder nationale Alleingänge darstellen und nicht in internationale Vereinbarungen eingebettet sind, die für alle CO2-Emittenten bindende Reduktions-verpflichtungen enthalten.

Gemeinsam mit der Landesregierung spricht sich die Wirtschaft daher auch weiterhin gegen die derzeit geplante künstliche Verknappung der CO2-Emissionszertifikate durch die EU-Kommission aus. Die Pläne der EU bedrohen bis zu 22.000 Beschäftigte im Saarland, die direkt und indirekt von der Stahlindustrie leben. Auch gibt es aktuell Bestrebungen in Brüssel, das CO2-Reduktionsziel bis 2020 von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen und Mindestpreise für die Emissionsrechte einzuführen. Diese Überlegungen würden die Wettbewerbsposition der Energiewirtschaft und der Industrie weiter verschlechtern und sind deshalb ebenfalls abzulehnen.

Keine unreflektierte Übertragung von Bundeszielen auf das Saarland
Es ist ein Gebot der - ökonomischen wie auch ökologischen - Vernunft, bei der Festlegung von Zielen strukturelle Unterschiede zwischen den Bundesländern zu berücksichtigen. Der Grundsatz „Gleiches muss gleich, Ungleiches ungleich behandelt werden“ muss auch für landesspezifische Reduktions- oder Ausbauziele - beispielsweise für den Energieverbrauch, für CO2-Emissionen oder die Nutzung Erneuerbarer Energien - Gültigkeit haben. Entscheidendes Kriterium für eine faire Lastenverteilung zwischen den Bundesländern ist dann das Effizienzprinzip: Die Ziele müssen dort realisiert werden, wo dies zu den geringstmöglichen volkswirtschaftlichen Kosten erfolgen kann. Eine pauschale 1:1-Über-tragung von Bundeszielen auf das Saarland wird diesem Prinzip wegen der vorhandenen Strukturunterschiede nicht gerecht und daher von der Saarwirtschaft strikt abgelehnt.

Versorgungssicherheit langfristig gewährleisten
Die saarländische Wirtschaft ist auf eine sichere Energieversorgung angewiesen. Der Begriff der „Versorgungssicherheit“ muss dabei umfassend definiert werden: Neben einer kontinuierlichen Belieferung rückt immer mehr auch die Qualität des „Rohstoffs Energie“ in den Vordergrund. Dies gilt insbesondere für die Elektrizitätsversorgung. Moderne industrielle Produktionsprozesse haben inzwischen ein Komplexitätsniveau erreicht, das äußerst empfindlich auf Störungen reagiert. Schon minimale Spannungs- oder Frequenzschwankungen im Elektrizitätsnetz können deshalb Produktionsausfälle und nachhaltige Beschädigungen der Anlagen verursachen. Lieferunterbrechungen, auch nur kurzzeitig und punktuell, gefährden dann ganze Wertschöpfungsketten und führen zu enormen volkswirtschaftlichen Schäden. Gleiches gilt prinzipiell auch für Engpässe bei der Gas- und Ölversorgung.

Den Erneuerbaren Energien wird auch im Saarland künftig eine zunehmende Bedeutung bei der Energieversorgung zukommen. Dennoch müssen zur Stabilisierung der Elektrizitätsnetze bestehende konventionelle Kraftwerke ertüchtigt und alte Anlagen durch neue, modernere und effizientere ersetzt werden. Die Wirtschaft fordert daher die Landesregierung auf, die Planung und den Bau neuer Kraftwerke - konventioneller wie erneuerbarer - zu unterstützen und für deren Akzeptanz bei der Bevölkerung vor Ort zu werben. Denn nur ein breiter Energiemix sichert langfristig eine leistungsfähige und störungsfreie Energieversorgung. Prinzipiell lehnt die Wirtschaft dabei Technologie- und Energieträgervorbehalte ab. Die Wahl der bei der Energieerzeugung zum Einsatz kommenden Technologie und des Primärenergieträgers sollte grundsätzlich den Erzeugern überlassen bleiben.

Der durch das EEG getriebene, ständig steigende Anteil fluktuierender Erneuerbarer Energien im Strommarkt führt nicht nur zu Verdrängungseffekten bei konventionellen Kraftwerken, er hat auch negative Auswirkungen auf die Energieversorgungssicherheit. Die steigende Anzahl von stabilisierenden Eingriffen der Netzbetreiber in das Energieversorgungssystem - insbesondere in den Wintermonaten - ist jedoch ohne den Rückgriff auf vorhandene konventionelle Kraftwerkskapazitäten nicht möglich. Der Betrieb dieser Backup-Kraftwerke wird jedoch wegen des Verdrängungseffektes der Erneuerbaren Energien zunehmend unwirtschaftlicher. Die Wirtschaft fordert daher die Landesregierung auf, nicht nur die Planung und den Bau neuer konventioneller Kraftwerke zu unterstützen, sondern auch weitere Kostenbelastungen für die bestehenden saarländischen Kraftwerke und Heizkraftwerke abzuwenden.

Bereits heute leidet die saarländische Energiewirtschaft unter den mit der Energiewende einhergehenden Verdrängungseffekten. War das Saarland in der Vergangenheit ein Stromexportland, das bis zu einem Drittel seiner Stromproduktion an Verbraucher jenseits der Landesgrenzen geliefert hat, so ist dies seit 2008 nicht mehr der Fall. Die kumulierten Umsatzausfälle - und damit einhergehenden Einkommens- und Steueraufkommensverluste - dürften sich inzwischen im Bereich dreistelliger Millionenbeträge bewegen. Die Wirtschaft sieht daher eine Sicherung der vorhandenen saarländischen Kraftwerke sowie den Ersatz älterer Anlagen durch neue, modernere und effizientere Kraftwerke als regional-wirtschaftlich unumgänglich an. In diesem Kontext sollte auf Bundesebene auch die Ein-führung von Kapazitätsmechanismen für Bestands- und Neuanlagen im Energiewirtschaftsrecht geprüft werden. Bei der Umsetzung ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass deren Kosten über die Netznutzungsentgelte bzw. Umlagemodelle auf die Verbraucher überwälzt werden müssen.

Netzausbau vorantreiben
Der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien kann nur dann ohne gravierende Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit gelingen, wenn auch die Netzinfrastrukturen ertüchtigt werden. Entsprechende Planungen und Bauvorhaben werden aber häufig durch lokale Widerstände verzögert, verteuert oder sogar ganz verhindert. Die Wirtschaft fordert daher die Landesregierung auf, wie schon beim Kraftwerksneubau, entsprechende Planungen und Bauvorhaben im Bereich der Stromnetze zu unterstützen und für die Akzeptanz bei der Bevölkerung vor Ort zu werben - notfalls aber auch mit planungsrechtlichen Mitteln voranzutreiben.

EU-Energiebinnenmarkt stärken
Auf europäischer Ebene ist der immer noch unzureichende grenzüberschreitende Wettbewerb im Strom- und Gassektor zu stärken. Nach wie vor existieren Marktzutrittsbarrieren und Handelshemmnisse, die insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen die Vorteile eines durch Wettbewerb geprägten EU-Energiebinnenmarktes vorenthalten. Die Wirtschaft erwartet daher von der Landesregierung, dass sie sich verstärkt für eine europäische Zusammenarbeit beim Ausbau der grenzüberschreitenden Netzinfrastruktur ein-setzt. Ein zügiger Netzausbau ist die unabdingbare Voraussetzung für einen funktionierenden EU-Energiebinnenmarkt.

Daneben sollte sich die Landesregierung auch für eine Harmonisierung der Förderung Erneuerbarer Energien auf europäischer Ebene einsetzen. Nicht nur auf Bundesebene muss die Förderkulisse effizienzorientiert ausgestaltet werden, dies gilt grundsätzlich auch im europäischen Rahmen, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern und Ökostrom dort zu produzieren, wo dies zu den geringstmöglichen volkswirtschaftlichen Kosten möglich ist.

Politik, Wirtschaft und Bürger stehen gegenwärtig vor der Herausforderung, die Transformation unseres Energieversorgungssystems mit Augenmaß, Verlässlichkeit und Kompromissfähigkeit voranzutreiben. Nur so lassen sich langfristig berechenbare Rahmenbedingungen festlegen, die die saarländische Wirtschaft und die deutsche Wirtschaft insgesamt zur Fortsetzung des erfolgreichen Wachstumsprozesses und einer weiterhin positiven Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung befähigt. Dazu ist es jedoch unabdingbar, das aus dem Lot geratene Gleichgewicht von Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit in der Energiepolitik wieder herzustellen.

IHK Saarland, Saarbrücken, 24. Juni 2013