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Grenzüberschreitende Ausbildung

Im Blickpunkt
Von Dr. Heino Klingen

11.07.2018

Damit Unternehmen wachsen und gedeihen können, brauchen sie vor allem eine kluge Geschäftsidee, genügend Kapital und qualifizierte Mitarbeiter. An Kapital und Ideen mangelt es nicht bei uns. Und noch gibt es im Saarland genug Erwerbstätige. Mit aktuell rund 390.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern bewegt sich der Beschäftigtenstand sogar auf einem Rekordniveau. Doch der „Nachschub“ droht zu versiegen. Das ist bereits heute spürbar. So stehen den 2.000 jungen Menschen, die derzeit ihren Einstieg ins Berufsleben über die Regionaldirektion für Arbeit suchen, 3.400 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. Das heißt: Die Unternehmen werden auch in diesem Jahr wieder nicht jede angebotene Stelle besetzen können. Damit droht der Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse zu werden – für die Unternehmen und für das Saarland.

Vor diesem Hintergrund hat die saarländische Landesregierung zusammen mit den für die Berufsausbildung zuständigen Kammern eine ganze Reihe von Initiativen gestartet, um für die duale Berufsausbildung zu werben. „Ausbildung – Das beste Training deines Lebens“, mit diesem Slogan wirbt etwa unsere IHK für die Ausbildung. Mit all diesen Kampagnen haben wir nicht nur das Saarland, sondern auch unsere Nachbarn in der Großregion im Blick. Welche bislang kaum genutzten Chancen hier bestehen, zeigt etwa der Blick nach Lothringen, wo junge Menschen nur schwer eine Stelle finden und wo im vergangenen Jahr fast jeder fünfte Jugendliche auf Jobsuche war.

Doch so bedrückend diese Situation für die Betroffenen auch sein mag, nur wenige von ihnen sind aus eigenem Antrieb bereit, jenseits der Grenze eine Berufsausbildung zu beginnen. Neben der Sprachbarriere und Mobilitätshindernissen spielen hierfür auch kulturelle und institutionelle Faktoren eine Rolle. Ein Beispiel dafür ist das französische Schulsystem. Es ist stark lehrerzentriert und auf die Vermittlung eines breitgefächerten Allgemeinwissens ausgerichtet. Mit der Fokussierung auf ein hierarchisch geprägtes Gesellschaftssystem befördert es das Gegenteil von Eigenverantwortung und selbständigem Handeln. Berufsorientierung findet kaum statt. Hinzu kommt, dass die vollzeitschulische Berufsausbildung, die mit dem „bac professionnel“ abschließt, einem deutschen Berufsabschluss gleichgestellt ist. Aus Sicht der französischen Jugendlichen macht es deshalb wenig Sinn, noch eine Ausbildung in Deutschland anzuschließen.

Potenziale der Großregion nutzen!

Doch jetzt kommt Bewegung in die Sache. Zum einen soll die vollzeitschulische Berufsausbildung in Frankreich reformiert werden – etwa durch eine intensivere Berufsorientierung in den Schulen. Und zum anderen haben sich Angela Merkel und Emmanuel Macron anlässlich des 55. Jahrestages der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages darauf verständigt, einen neuen Élysée-Vertrag abzustimmen. Unter anderem mit dem Ziel, neuen Schwung in die Austauschprogramme von Schülern, Studenten und Auszubildenden zu bringen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf die regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit gelegt werden.

Ganz in diesem Sinne hat das saarländische Bildungsministerium Anfang Juni mit der deutsch-französischen Handelskammer eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, um grenzüberschreitende Informationen über Berufe auszutauschen sowie Praktika und Betriebsbesichtigungen zu erleichtern. Das ist ein weiterer Schritt in einer ganzen Reihe von Bemühungen, die in den vergangenen Jahren bereits unternommen wurden, um Vorurteile abzubauen und voneinander profitieren zu können. Zu nennen ist hier etwa der deutsch-französische Berufsschulzweig „Automobil“, der vor drei Jahren gegründet wurde und jetzt die ersten Absolventen verabschiedet hat. Positiv zu werten ist auch die vierjährige Pilotphase der grenzüberschreitenden Ausbildung, auf die sich das Saarland und Lothringen im Juni 2014 verständigt hatten. Grenzüberschreitende Ausbildung heißt: Theorie im Heimatland, Praxis im Gastland. Zwar ist die Zahl der Jugendlichen, die sich bisher diesem „Härtetest“ gestellt haben, mit 32 noch überschaubar. Doch ein Anfang ist gemacht, der bei tatkräftiger Unterstützung und Bewerbung für die Zukunft hoffen lässt. Zumal im vergangenen Jahr fast 100 Jugendliche aus Lothringen in einem saarländischen Betrieb und rund 30 saarländische Jugendliche in einem lothringischem Unternehmen ein Praktikum absolviert haben.

Win-win-Situation für den Nachwuchs und die Unternehmen


Das alles ist gut für die Jugendlichen, die die Arbeitsweisen und Unternehmenskulturen des Nachbarlandes kennenlernen, ihre Fremdsprachenkenntnisse verbessern und damit ihre Karrierechancen in der gesamten Grenzregion erhöhen. Und ohne Zweifel profitieren auch die Unternehmen, wenn sie sich auf mehrsprachige Mitarbeiter stützen können – etwa beim Marktzugang im Nachbarland.

Es gibt also gute Gründe, die grenzüberschreitende Ausbildung noch stärker in den Fokus zu nehmen. Vielleicht gelingt es uns dann schon bald, die Vision eines deutsch-französischen Doppelabschlusses in der dualen Berufsausbildung Wirklichkeit werden zu lassen. Unser Land könnte hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Bund das Saarland dazu berechtigt, entsprechende Ausbildungsgänge einzuführen. Unsere IHK würde dieses Projekt gerne unterstützen. Denn ein einheitlicher Ausbildungsmarkt in der Grenzregion wäre ein Meilenstein für die europäische Bildungsunion.