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AbwasserMehr Wettbewerb wagen!

Von Volker Giersch
Kommentar

01.12.2005

Die Medien haben es bereits verkündet: Der Entsorgungsverband Saar (EVS) wird die Gebühren für Abwasser in den nächsten Jahren kräftig anheben – in der Summe wohl um rund 12 Prozent. Das Saarland, das schon jetzt die höchsten Abwassergebühren aller Bundesländer aufweist, wird seine unrühmliche Spitzenstellung damit weiter festigen – zum Leidwesen der Bürger und der Wirtschaft.

Hohe und steigende Gebühren

Die Ursachen für die hohen und weiter steigenden Gebühren liegen indes weniger in der Gegenwart, als in der Vergangenheit. Sie haben entscheidend mit der gesetzlich verankerten Monopolstellung zu tun, die der EVS und seine Vorgängerorganisation AVS seit Jahrzehnten inne hatten und haben. Die Fakten:

Erstens haben wir hierzulande, verglichen mit anderen Wirtschaftsräumen, relativ spät mit dem Auf- und Ausbau des Kläranlagennetzes begonnen. Die bereits zu dieser Zeit hohen Umweltstandards schlugen ebenso preissteigernd auf die Baukosten durch wie die Tatsache, dass die Investitionen in die Bauboomzeit in den neuen Ländern fielen.

Zweitens haben sich AVS und EVS bei vielen Kläranlagen nicht für preiswerte Standardlösungen, sondern für „aufwändige Unikatlösungen“ und „ingenieurtechnische Optimierungen“ entschieden. Hohe Ansprüche an die architektonische Ästhetik kamen bisweilen hinzu. So entstanden „Abwasserschlösser“ statt funktionaler Zweckbauten. Das hatte seinen Preis.

Drittens haben EVS und AVS ihre Bauprojekte zumeist in kleinen Losen ausgeschrieben; dies in der lobenswerten Absicht, möglichst viele Aufträge in der saarländischen Bauwirtschaft und bei kleinen und mittleren Unternehmen zu platzieren. Dies aber auch um den Preis relativ hoher Baukosten.

Viertens ging und geht es dem EVS wie jedem anderen Monopol. Es fehlt ein wirksamer Wettbewerb und damit der ständige Druck, die Effizienz zu verbessern. Schlimmer noch: Die hohen Kosten lassen sich relativ problemlos auf die Allgemeinheit überwälzen – über den einheitlichen Verbandsbeitrag, der die Lasten gleichmäßig auf die Schultern aller Gebührenzahler verteilt. So gibt es auch für einzelne Kommunen kaum Anreize, sich für kostengünstigere Lösungen in ihrem Bereich einzusetzen. Die Folge: Der EVS arbeitet weder in der Verwaltung noch beim Betrieb der Anlagen bislang hinreichend wirtschaftlich.

Fünftens schließlich schlägt eine Entwicklung zu Buche, die der EVS nicht zu verantworten hat: Die Abwassermenge ist seit gut einem Jahrzehnt deutlich rückläufig. Heute liegt sie um rund 13 Prozent unter dem Stand der frühen 90er Jahre. Die Fixkosten je Kubikmeter sind entsprechend gestiegen. Das spürt der EVS ebenso wie die Kommunen bei der Finanzierung ihrer innerörtlichen Netze.

All dies erklärt, warum die Abwasserreinigung im Saarland relativ teuer und zudem noch defizitär ist. Zur Zeit beläuft sich das Defizit auf rund sieben Millionen Euro im Jahr. Gut ein Jahrfünft lang konnte es über den Abbau einer Rücklage ausgeglichen werden, die seit nunmehr zwei Jahren aufgebraucht ist. Jetzt tritt das Defizit offen zutage. Schlimmer noch: Es hat sich bereits ein kumulierter Verlust von rund 8,5 Millionen Euro aufgebaut, der in den kommenden Jahren schrittweise abgetragen werden muss. Eine Anhebung der Gebühren ist also unausweichlich.

Auf Sparkurs eingeschwenkt

Erfreulich ist, dass sich beim EVS in den zurückliegenden zwei bis drei Jahren bereits vieles zum Positiven gewendet hat. Eine von der Landesregierung initiierte Strukturreform, die unter anderem eine deutliche Verschlankung der Gremien und Entscheidungsprozesse brachte, gab den Impuls dafür. Inzwischen ist der EVS auf einen konsequenten Sparkurs eingeschwenkt. Aufsichtsrat und Geschäftsführung haben in enger Zusammenarbeit und aufbauend auf externer Expertise eine Strategie entwickelt, die eine Optimierung der betrieblichen Prozesse vorsieht. Die Personalkosten wurden bereits vor zwei Jahren eingefroren.

Kurzfristig ist der kostendämpfende Effekt allerdings eher bescheiden: Der Großteil des Aufwandes ist fix. Allein die Zinslasten und Abschreibungen machen zusammen gut zwei Drittel des Budgets aus. Dieser Anteil wird wohl noch weiter steigen. Denn die Vorgaben der EU zwingen dazu, zusätzliche Kläranlagen zu bauen, was die Finanzierungskosten und Abschreibungen weiter anwachsen lässt. Zudem droht die Gefahr, dass steigende Zinsen die Zinslast weiter nach oben treiben. Bei den variablen Kosten – jenen etwa für Personal, Betriebsmittel und Sachausgaben – gibt es allerdings noch erhebliche Sparpotenziale. Diese gilt es jetzt im Zuge der Prozessoptimierung konsequent auszuschöpfen.

Der gute Wille dazu ist da. So hat die Verbandsversammlung in einem Strategiepapier erst kürzlich bekräftigt, dass es „oberstes Ziel aller Bemühungen sein muss, eine möglichst weitgehende Gebührenstabilität zu erreichen.“ Dazu soll auch ausgelotet werden, wie sich durch Kooperationen mit Unternehmen der Ver- und Entsorgungswirtschaft Synergien erschließen lassen. Entsprechende Gespräche laufen bereits. Welchen Erfolg sie bringen werden, ist noch nicht absehbar.

Chancen einer strategischen Partnerschaft nutzen!

Der EVS könnte und sollte allerdings weiter gehen. Unsere IHK schlägt bereits seit Jahren vor, die Betriebsführung für den gesamten Abwasserbereich für einen längeren Zeitraum an einen Dritten zu übertragen, der sich in einer Ausschreibung als der Leistungsfähigste erweist. Auf diese Weise ließe sich die Kraft des Wettbewerbs wirksam nutzen.

In Städten wie Rostock, Berlin, Dresden oder Bremen konnten durch solche Betriebsführungsmodelle deutliche Verbesserungen in der Wirtschaftlichkeit erreicht werden – nicht nur bei den Betriebskosten, sondern auch beim Investitionsmanagement. Der „ Beauty-Contest“, den der EVS zur Sondierung der Marktchancen durchgeführt hat, hat überzeugende Anhaltspunkte dafür geliefert, dass sich auch im Saarland über eine „strategische Partnerschaft“ spürbare Effizienzgewinne erreichen ließen. Die Unternehmen, die sich dort präsentiert haben (darunter auch die Saar-Allianz), sehen nicht nur Spielräume für eine nachhaltige Kostendämpfung, sondern zugleich die Chance, gemeinsam mit dem EVS zusätzliche Kompetenzen und neue Geschäftsfelder aufzubauen. Das würde dann die Möglichkeit eröffnen, überregional tätig zu werden und so die Personalentwicklung beim EVS zu stabilisieren. Schließlich kommt auch ein Gutachten, das die Unternehmensberatung Booz-Allen-Hamilton für den EVS erstellt hat, zu dem Ergebnis, „ dass eine nachhaltige Beseitigung des derzeitigen Fehlbetrages nur im Rahmen einer verbandsübergreifenden Optimierung möglich ist.“

Vorgezogener Wettbewerb durch Ausschreibung

Ob eine strategische Partnerschaft tatsächlich Vorteile bringt und wie groß sie sind, lässt sich verlässlich nur ermitteln, wenn der EVS den Weg der Ausschreibung konkret beschreitet. Der Chance, die ein solcher „Markttest“ bietet, stehen überschaubare Kosten und praktisch keine Risiken gegenüber. Selbst wenn eine Vergabe nicht zustande kommt, weil sich kein Angebot als wirtschaftlich erweist, wäre zumindest dokumentiert, dass der vom EVS bislang eingeschlagene Weg richtig und zielführend ist. Und auch das wäre ja eine wichtige Erkenntnis.

Die Gremien des EVS haben sich mit der Option „strategische Partnerschaft“ bereits eingehend befasst. Bislang konnten sie sich indes noch nicht zu einer positiven Entscheidung durchringen. Ideologische Vorbehalte spielen da ebenso eine Rolle wie die regionalwirtschaftliche Sorge, Entscheidungskompetenzen und Wertschöpfung würden dann aus dem Saarland abfließen. Diese Sorge ließe sich aus IHK-Sicht freilich durch eine entsprechende Ausgestaltung der Ausschreibung weitgehend ausräumen.

Hoffnung macht, dass es der EVS – wie es in dem Strategiepapier heißt - „als seine ständige Aufgabe ansieht zu prüfen, ob und inwieweit sich durch strategische Allianzen bessere Ergebnisse erreichen lassen.“ Die Zeit ist reif, diese Prüfung jetzt konkret in Angriff zu nehmen: durch die zügige Vorbereitung einer Ausschreibung. Das ist der EVS seinen Gebührenzahlern schuldig.

Der Autor ist seit 2002 Mitglied im Aufsichtsrat des EVS