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Alternative der Wirtschaft zur Steuerpolitik

Von Rolf Schneider, Vizepräsident IHK Saarland
Kolumne

01.12.2002

Die Stimmung in der Wirtschaft ist unter dem Nullpunkt. Durch die Koalitionsbeschlüsse fühlen sich die Unternehmen und weite Teile der Bevölkerung abgezockt. Die euphemistisch als Subventionsabbau titulierten Steuererhöhungen zielen allesamt auf den schnellen Euro – ohne dass damit eine Reformperspektive verbunden wäre. Zum Teil konterkarieren die Maßnahmen die rot-grüne Politik der vergangenen vier Jahre so offensichtlich, dass ihre Kopflosigkeit förmlich ins Auge springt.

Steuer- und Abgabenerhöhung würgen Wirtschaft und Verbraucher, produzieren noch mehr Arbeitslosigkeit und führen zu weiterer, finanzieller Erosion. Haushaltssanierung auf der Ausgabenseite, also weniger Staat, wäre angesagt. Da sperren sich die Gewerkschaften, die „Aufsichtsräte“ der Bundesregierung, obwohl sie wissen: Ohne Senkung des Leistungsniveaus der sozialen Sicherungssysteme, die der demographischen Entwicklung Rechnung trägt, wird Konsolidierung nie gelingen.

Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und ein konsequentes Streichen von Sonderregeln und Subventionen aller Art – einen echten Befreiungsschlag – würden alle mitmachen, jedoch nur bei gleichzeitiger Tarifsenkung. Die aktuelle Steuerpolitik der Bundesregierung zielt statt dessen auf kurzfristige fiskalische Effekte ab, ohne deren mittel- und langfristige Wirkung auf Wachstum und Beschäftigung zu beachten:

  • Wer die Steuerregeln zu Lasten der Wohnwirtschaft verunstaltet, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Investitionen zurück gehen und die Bauwirtschaft schrumpft.
  • Wer Kapitalerträge und private Veräußerungsgewinne über Kontrollmitteilungen und Offenlegungspflicht in den Fokus des Fiskus zwingt, statt den fiskalischen Effekt über eine Abgeltungssteuer sofort zu erzielen, braucht sich über Proteste und Kapitalabwanderung nicht zu beklagen.
  • Wer das Abzugsverbot für Betriebsausgaben ausdehnt, den Verlustabzug rigide begrenzt (Mindestbesteuerung in Höhe der Hälfte des Gewinns, Verlustausgleich bei verbundenen Unternehmen) braucht sich über noch differenziertere Vermeidungsstrategien nicht zu wundern.
  • Wer die Bildung von Reserven im privaten und betrieblichen Bereich durch steuerlichen Zugriff auf Erträge und Substanz (Zugriff auf Kapitalerträge, Wertzuwächse im Veräußerungsfall, Hinzurechnung von Leasing-Raten im Gewerbesteuerrecht) verhindert, ohne gleichzeitig ein steuerliches Signal zu Anerkennung der Vorsorge zu senden, schmiedet ein „Programm zur Produktion von Pleiten“.
  • Mit der Mindestbesteuerung zielt die Bundesregierung mit dem Hammer auf die Großen – trifft aber wieder einmal voll auf die Kleinen, die nach drei oder vier Verlustjahren die volle Verlustverrechnung zur Rekonstruktion ihres Eigenkapitals benötigen. Das gleiche gilt für Start-ups im F+T-Bereich mit Schwerpunkt in strukturschwachen Regionen.
Die fortschrittlichere Alternative der Wirtschaft:

Ein Sparpaket wäre auch in der Wirtschaft vermittelbar, wenn es zugleich der Modernisierung des Steuer- und Abgabenrechts diente. Das simple Ziel „Einnahmeverbesserung“ ohne Rücksicht auf volkswirtschaftliche Folgeschäden ist falsch. Wir brauchen eine Modernisierung des Steuerrechts. Beispiele wären:

  • Statt Kapitalflucht fördernde Kontrollmitteilungen und schädlicher Spekulationssteuer: Einführung eine relativen Abgeltungssteuer für Zinserträge.
  • Umsatzsteuer-Betrug bekämpfen und damit Steuergerechtigkeit erhöhen – allemal besser als Mindestbesteuerung und Begrenzung des Verlustausgleichs.
  • Bemessungsgrundlage verbreitern und konsumbezogenen Kostenabzug untersagen, im Gegenzug aber Pensionsrückstellungen für Personenunternehmer einführen – stärkt das Eigenkapital und dient gleichzeitig der Altersvorsorge.
  • Ein Ersatz der Gewerbesteuer durch eine einfache, stetige, einkommens- bzw. gewinnbezogene Steuer, die sich strikt am Prinzip der Leistungsfähigkeit orientiert wäre die richtige Lösung.