Auf die Balance kommt es an
IHK-Hauptgeschäftsführer Volker Giersch zur
Innovationspolitik im Saarland
Kommentar
01.02.2005
Hohe Investitionen in die Forschung
Den beachtlichen Erfolgen stehen allerdings erhebliche Kosten gegenüber. Deshalb bedarf es auch in der Innovationspolitik einer ständigen Erfolgskontrolle. Zu prüfen ist insbesondere, ob die Instrumente bestmöglich ausgestaltet sind und ob die Balance zwischen ihnen noch stimmt.
Der mit Abstand größte Teil der Ausgaben entfällt auf den Auf- und Ausbau der Forschungslandschaft. Tendenz steigend. Die Liste der Institute ist inzwischen lang. Die Namen sind klangvoll. Unter anderem haben heute zwei Fraunhofer Institute, zwei Max-Planck-Institute für Informatik (das zweite ist im Aufbau), zwei Leibniz-Institute und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ihren Sitz im Saarland.
Keine Frage: Diese Institute bringen dem Land einen hohen Image-Gewinn. Sie befruchten zudem auch die Lehre an den Hochschulen. Die Impulse in Richtung Saarwirtschaft bleiben allerdings noch immer deutlich hinter manchen Hoffnungen zurück. So erfolgte der Aufbau des Instituts für Neue Materialien (INM) Ende der 80er Jahre in der Erwartung, dass im Umfeld des Instituts über 1.000 neue Arbeitsplätze entstehen werden. Bislang sind es erst rund 200 – großzügig gerechnet. Auch der Technologiefluss in die Saarwirtschaft ist eher spärlich. Bei den meisten anderen Instituten sieht die Bilanz ähnlich aus. Es gibt insgesamt zwar einige Dutzend Ausgründungen. Doch handelt es sich zumeist um relativ kleine Unternehmen, deren Entwicklung noch keinesfalls stabil verläuft.
In diesem Kontext wird immer wieder auf die Erfolge in der Informationstechnologie hingewiesen. Dynamisch gewachsen ist im Hightech-Segment allein die IT-Branche. Doch wurden die Unternehmen, die das Gros der Arbeitsplätze stellen (IDS Scheer, SAP/Dacos, Orbis), bereits in der Zeitspanne von 1973 bis 1986 gegründet. Sie gingen nicht aus hochschulexternen Forschungsinstituten, sondern aus Universität und HTW selbst hervor und haben auch in den Folgejahren weitaus stärker von der guten Verfügbarkeit an qualifizierten Hochschulabsolventen als von den Forschungsergebnissen der Institute profitiert.
Dichtes Netzwerk für Technologietransfer
Um den Technologietransfer im Land weiter zu verstärken, steht eine breite Palette von Instrumenten bereit: Es gibt Transferstellen an den Hochschulen. Die ZPT informiert auf vielfältige Weise über Forschungsprojekte und – ergebnisse. In Branchenforen und Fördergesellschaften stehen Forschung und Wirtschaft in einem regen Dialog. Zudem bemühen sich „ Cluster-Manager“, Verbundprojekte auf die Schiene zu setzen.
Das Technologieangebot der Institute sollte in der Wirtschaft also hinreichend bekannt sein. Wenn es von den Saar-Unternehmen dennoch nicht stärker genutzt wird, dann wohl deshalb, weil das Potenzial für Technologietransfer in einem kleinen Land eng begrenzt ist. Und das liegt auch nahe. Denn erfolgreiche Institute sind im allgemeinen hochspezialisiert. Sie vermarkten die Ergebnisse ihrer Forschung überregional und international. In der Wirtschaft ist das nicht anders: Die Unternehmen suchen sich ihre Wissens- und Technologiequellen zunehmend weltweit. So kommt es, dass selbst wirtschaftsnahe Institute wie jene der Fraunhofer Gesellschaft in ihren Sitzregionen kaum mehr als fünf Prozent der Industrie-Umsätze erzielen.
Regionalwirtschaftliche Evaluierung nötig
Vor diesem Hintergrund stellt sich gerade in Zeiten leerer öffentlicher Kassen die Frage nach der regionalwirtschaftlichen Evaluierung der Institute. Sie stellt sich vor allem für jene Institute, die, wie das INM oder die Gesellschaft für Umweltkompatible Prozesstechnik, relativ stark aus Landesmitteln finanziert werden.
Heute kommt es mehr denn je darauf an, die knappen Finanzmittel so einzusetzen, das sie größtmögliche regionalwirtschaftliche Effekte versprechen. Gelder, die in die Förderung der Institute fließen, fehlen zwangsläufig an anderer Stelle – in der Wirtschaftsförderung etwa, wo es ja bereits zu erheblichen Abstrichen kam (siehe vorzeitiges Auslaufen des Gewerbesteuersenkungsprogramms und Kürzungen bei den Investitionszuschüssen). Dabei ist keineswegs ausgemacht, dass Investitionen in die Forschungslandschaft unsere Wirtschaft stärker stimulieren als niedrigere Steuern oder Zuschüsse zu betrieblichen Innovationen und Investitionen. Wahrscheinlich ist eher das Gegenteil – auch deshalb, weil die Schnittstellen zwischen Forschung und Wirtschaft in unserem Land derzeit noch eher schmal sind.
Letzteres soll sich jetzt ändern. Der Wirtschaftsminister hat sich zum Ziel gesetzt, die Ressourcen im Bereich „Innovative Produktionstechnik“ zu bündeln und gezielt zu ergänzen – eine langjährige Forderung unserer IHK. Immerhin weist dieser Bereich die mit Abstand meisten Berührungspunkte zur Saarindustrie auf. Es gilt jetzt, möglichst rasch ein schlüssiges Konzept für den Aufbau eines solchen Instituts zu entwickeln und dann die dafür nötigen Finanzmittel zu mobilisieren - auch dadurch, dass Mittel aus jenen Instituten abgezogen werden, die bisher nur eine geringe regionalwirtschaftliche Impulswirkung entfalten.
Über die Wirksamkeit der Innovationspolitik entscheidet überdies, dass für jene Instrumente, die die Innovations-, Investitions- und Finanzkraft der Unternehmen direkt stärken, weiterhin ausreichende Mittel bereit stehen. Auch und gerade in dieser Hinsicht gilt es, sorgsam darüber zu wachen, dass die innere Balance in der Innovationsförderung stimmt.