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Auf die Kommunen kommt es an
Im Blickpunkt
Von Dr. Heino Klingen
25.08.2020
Als die Bundesregierung vor gut einem Jahr ihren Abschlussbericht zu den gleichwertigen Lebensverhältnissen in ganz Deutschland der Öffentlichkeit vorstellte, weckte sie bei den Kommunen die Hoffnung auf eine Befreiung von den drückenden Altschulden. Und sie hatten auch allen Grund dazu: Denn in dem von allen drei Koalitionspartnern verantworteten Bericht heißt es ausdrücklich, dass der Bund einen „nationalen politischen Konsens“ anstrebe, um „eine faire Lösung für kommunale Altschulden“ zu erreichen.
Doch heute, ein gutes Jahr später, ist es mit der Einigkeit nicht mehr weit her. Das zeigen die Reaktionen auf die Vorschläge von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, die Kommunen von ihren Altschulden zu befreien. Nachdem er einen ersten Entwurf hierzu Anfang des Jahres wegen der Coronakrise zurückstellen musste, hat er das Thema im Mai erneut auf die Agenda gesetzt. Allerdings in erweiterter Form: Zusätzlich zu einem Altschuldenfonds will er mit einem „kommunalen Solidarpakt 2020“ Städte und Gemeinden jetzt auch noch für coronabedingte Einbußen bei der Gewerbesteuer entschädigen.
Vielen erscheint die doppelte Ausrichtung als zu weitgehend. Während die zum Ausgleich für die entgangene Gewerbesteuer veranschlagten 12 Milliarden Euro noch gutgeheißen werden, stößt die Übernahme kommunaler Kassenkredite durch den Bund in Höhe von 45 Milliarden Euro beim Koalitionspartner nunmehr mehrheitlich auf massive Vorbehalte. Auch aus der Wissenschaft und vom Wirtschaftsjournalismus kommt Kritik. Positiv aufgenommen wurden die Scholzschen Vorschläge allein in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Kein Wunder: Deren Kommunen würden von einer Schuldenübernahme am meisten profitieren.
Worum geht es? Viele Städte und Gemeinden haben sich im Zuge des langen Aufschwungs in Deutschland in den vergangenen Jahren finanziell sehr gut entwickelt. An anderen Kommunen ist dagegen der Aufschwung vorbeigegangen, sei es, weil wichtige Gewerbesteuerzahler den Betrieb einstellen mussten oder der Strukturwandel sich dort negativ auf Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze ausgewirkt hat. Hinzu kamen hohe Sozialleistungen. Immer wieder mussten sie deshalb Aufgaben über Kassenkredite finanzieren, obwohl diese dafür eigentlich gar nicht vorgesehen sind. Zudem wurden fällige Investitionen geschoben, gekürzt oder ganz ad acta gelegt. Die Folgen sind augenfällig: löchrige Straßen, lahmes Internet, dahingammelnde Sport- und Spielplätze, Schulen und Kindergärten im Sanierungsstau. Bundesweit sind davon mehr oder weniger gut 2.000 Kommunen betroffen. Ein weiterer Aufschub des Altschuldenproblems würde ihre Lage weiter verschlimmern und den Abstand zu den besser situierten Kommunen nur noch vergrößern. Zweimal sind die saarländischen Bürgermeister deshalb schon nach Berlin gereist, um für mehr Unterstützung zu werben. Zu Recht: Denn der Bund trägt schließlich die Verantwortung dafür, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen nicht zu stark auseinanderdriftet.
Von „löchrigen Eimern“ und künftigen „Schuldenbomben“
Diese Argumente scheinen aber nicht überall zu verfangen. Ein beliebter Einwand lautet, dass man kein Wasser in löchrige Eimer schütten solle, denn das würde doch nur versickern. Schließlich hätten die überschuldeten Kommunen hinlänglich bewiesen, dass sie nicht wirtschaften können. Dafür auch noch die solide haushaltenden Kommunen aufkommen zu lassen, sei unverschämt – so der bayerische Ministerpräsident. Das mutet reichlich bizarr an: Gut wirtschaftende Gemeinden in Bayern, schlecht haushaltende Kommunen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Ich male mir die Welt, wie ich sie will: Engel und Sünder lupenrein getrennt nach Bundesländern. So wird man dem Schuldenproblem nicht gerecht. Denn diese Sichtweise ignoriert, dass die betroffenen Kommunen in den allermeisten Fällen unverschuldet in einen Teufelskreis aus Betriebsaufgaben, sinkenden Einnahmen und Abwanderung geraten sind. Ihnen dann auch noch vorzuwerfen, dass in ihren Räten lauter Menschen sitzen, die nicht rechnen können, ist starker Tobak.
Wenig stichhaltig ist auch das Argument, dass durch die Schuldenübernahme falsche Anreize gesetzt und die Kommunen nach erfolgter Entschuldung schon bald wieder zum alten Schlendrian zurückkehren würden. Denn dagegen kann man Vorkehrungen treffen, etwa durch die Verpflichtung der am Entschuldungsprogramm beteiligten Länder, Kassenkredite ihrer Kommunen unter Sanktionsvorbehalt zu stellen. Im Bundesfinanzministerium ist dieses Problem bekannt. Und genau aus diesem Grund ist in den Eckpunkten des „Solidarpaktes“ auch eine solche Regelung angedacht worden. Wer dennoch suggeriert, den Kommunen sei das Schuldenmachen in der DNA eingeschrieben – so etwa die FAZ in einem Kommentar mit der Überschrift „Die Scholzsche Schuldenbombe“ – der will nicht wahrhaben, dass die Schulden nicht erhöht, sondern zwischen den staatlichen Ebenen nur neu verteilt werden sollen.
Doch was bringt ein Altschuldenfonds den Kommunen überhaupt? Hilft er ihnen, investitionsfähiger zu werden? Angesichts der nun schon länger anhaltenden Niedrigzinsphase dürften die „Zinsgewinne“ einer Altschuldenregelung jedenfalls nicht ausreichen, um substanzielle Investitionseffekte zu erzielen. Das trifft sicherlich auf die eine oder andere Gemeinde zu. Berücksichtigt man aber auch noch die Befreiung von Tilgungslasten, dann stellt sich die Sache schon anders da. Im Übrigen können auch „kleinere“ Beträge im fünf- oder sechsstelligen Bereich große Wirkung entfalten. Nämlich immer dann, wenn sie gebraucht werden, um die Kofinanzierung für Landesinvestitionen aufzubringen. In der Vergangenheit ist gerade bei uns im Saarland schon so manches Vorhaben daran gescheitert, dass Kommunen die vorgeschriebenen Eigenanteile nicht aufbringen konnten. Nicht zuletzt deshalb wurde erst vor kurzem der Eigenanteil bei der Erschließung von kommunalen Gewerbegebieten von 25 auf fünf Prozent gesenkt. Mit Blick auf die privaten Investitionen ist zudem zu bedenken, dass eine hohe Pro-Kopf-Verschuldung abschreckend auf private Investoren wirkt. Denn wer möchte sich schon der Gefahr aussetzen, in einer Gemeinde zu investieren, die ständig dem Zwang ausgesetzt ist, ihre Abgaben und Steuern erhöhen zu müssen. Deshalb gilt alles in allem: Auch wenn mit einem Altschuldenfonds die Bäume für die Kommunen nicht in den Himmel wachsen – helfen wird er auf jeden Fall.
Geschenkt sind auch die juristischen Bedenken, die Finanzierung der Kommunen sei Ländersache und für einen Altschuldenfonds müsse das Grundgesetz geändert werden. Ersteres hat das Bundesverfassungsgericht erst im Herbst 2018 zwar noch einmal bestätigt, allerdings in der Formulierung, dass diese Verantwortung „zuvörderst“ bei den Ländern liege. Was ja wohl so viel bedeutet wie: Zuerst die Länder, dann der Bund. Das heißt, auch der Bund ist nicht ohne Verpflichtung für die Finanzierung der Kommunen. Und was die Grundgesetzänderung anbetrifft, sei nur darauf hingewiesen, dass solche Eingriffe eine Frage des politischen Willens sind. Sicher, dafür braucht man eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Aber die Änderung selbst ist kein Sakrileg, wie die erst im vergangenen Jahr erfolgte Kompetenzausweitung des Bundes bei der Finanzierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur und des sozialen Wohnungsbaus zeigt.
Die Schuldenbremse atmen lassen
Bleibt zum Schluss noch das Standardargument, es sei kein Geld mehr da. Der Bund habe sich in der Coronakrise schon mit 218 Milliarden Euro verschuldet, mehr gehe nicht. Ein Blick auf den Finanzmarkt zeigt das Gegenteil. Hier lässt sich viel Geld zu äußerst niedrigen Zinsen holen. Das hat mit der Nullzinspolitik der EZB zu tun, aber nicht nur. Es gibt auch strukturelle Gründe, etwa den, dass in Deutschland schon seit Jahren mehr gespart als investiert wird. Hier kann und hier sollte sich der Staat bedienen, um die ansonsten nur ins Ausland abfließenden Sparüberschüsse zu absorbieren und im Land produktiv einzusetzen. Die Frage ist deshalb nicht mehr, ob wir Geld aufnehmen sollen, sondern wie viel wir brauchen, um unser Land zukunftsfest zu machen. Das ist kein Plädoyer für die Aufkündigung der Schuldenbremse. Aus der Vergangenheit wissen wir nur zu gut, dass dem Ausgabenverhalten des Staates Grenzen gesetzt werden müssen, um meist später auftretende Kollateralschäden zu vermeiden. Aber wo die Grenzen liegen sollen, bei 60 Prozent oder – unter den heutigen Rahmenbedingungen – nicht eher bei 80 oder 100 Prozent, ist eine ganz andere Frage. Nachzudenken wäre in diesem Zusammenhang auch, ob man die Schuldenbremse nicht aus ihrem starren Korsett entbindet und sie zu einer atmenden Schuldenbremse weiterentwickelt. Damit könnte sie langfristigen Änderungen in den finanz- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen besser Rechnung tragen.
Geht es nach dem Bundesfinanzminister, soll das Gesetz zur Kommunalentschuldung noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Dass es dazu kommt, ist derzeit eher unwahrscheinlich. Die Kür von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten der SPD hat die Realisierungschancen noch weiter gesenkt. Das ist mehr als bedauerlich. Denn damit würde wieder einmal ein Projekt durch politisches und ideologisches Gezänk geopfert, das Deutschland im Ganzen, vor allem aber unserem Saarland, einen mächtigen Schub geben könnte. So aber droht eine Zukunft, in der die überschuldeten Gemeinden endgültig abgehängt werden.
In der Folge dürfte der Frust der Bürger über den zunehmenden Verfall der kommunalen Infrastruktur weiter steigen und das Vertrauen in den Staat sinken. Nicht wenige Bewohner dürften ihre Stadt als Beispiel für ein allgemeines Systemversagen begreifen. Insofern wäre es nicht überraschend, wenn die Bürger ihren Unmut bei kommenden Wahlen zum Ausdruck bringen. Auch aus diesem Grund und nicht nur wegen ihres hohen Anteils an den öffentlichen Investitionen sind Städte und Gemeinden im wahrsten Sinne des Wortes systemrelevant. Mit anderen Worten: Auf die Kommunen kommt es an!
Doch heute, ein gutes Jahr später, ist es mit der Einigkeit nicht mehr weit her. Das zeigen die Reaktionen auf die Vorschläge von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, die Kommunen von ihren Altschulden zu befreien. Nachdem er einen ersten Entwurf hierzu Anfang des Jahres wegen der Coronakrise zurückstellen musste, hat er das Thema im Mai erneut auf die Agenda gesetzt. Allerdings in erweiterter Form: Zusätzlich zu einem Altschuldenfonds will er mit einem „kommunalen Solidarpakt 2020“ Städte und Gemeinden jetzt auch noch für coronabedingte Einbußen bei der Gewerbesteuer entschädigen.
Vielen erscheint die doppelte Ausrichtung als zu weitgehend. Während die zum Ausgleich für die entgangene Gewerbesteuer veranschlagten 12 Milliarden Euro noch gutgeheißen werden, stößt die Übernahme kommunaler Kassenkredite durch den Bund in Höhe von 45 Milliarden Euro beim Koalitionspartner nunmehr mehrheitlich auf massive Vorbehalte. Auch aus der Wissenschaft und vom Wirtschaftsjournalismus kommt Kritik. Positiv aufgenommen wurden die Scholzschen Vorschläge allein in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Kein Wunder: Deren Kommunen würden von einer Schuldenübernahme am meisten profitieren.
Worum geht es? Viele Städte und Gemeinden haben sich im Zuge des langen Aufschwungs in Deutschland in den vergangenen Jahren finanziell sehr gut entwickelt. An anderen Kommunen ist dagegen der Aufschwung vorbeigegangen, sei es, weil wichtige Gewerbesteuerzahler den Betrieb einstellen mussten oder der Strukturwandel sich dort negativ auf Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze ausgewirkt hat. Hinzu kamen hohe Sozialleistungen. Immer wieder mussten sie deshalb Aufgaben über Kassenkredite finanzieren, obwohl diese dafür eigentlich gar nicht vorgesehen sind. Zudem wurden fällige Investitionen geschoben, gekürzt oder ganz ad acta gelegt. Die Folgen sind augenfällig: löchrige Straßen, lahmes Internet, dahingammelnde Sport- und Spielplätze, Schulen und Kindergärten im Sanierungsstau. Bundesweit sind davon mehr oder weniger gut 2.000 Kommunen betroffen. Ein weiterer Aufschub des Altschuldenproblems würde ihre Lage weiter verschlimmern und den Abstand zu den besser situierten Kommunen nur noch vergrößern. Zweimal sind die saarländischen Bürgermeister deshalb schon nach Berlin gereist, um für mehr Unterstützung zu werben. Zu Recht: Denn der Bund trägt schließlich die Verantwortung dafür, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen nicht zu stark auseinanderdriftet.
Von „löchrigen Eimern“ und künftigen „Schuldenbomben“
Diese Argumente scheinen aber nicht überall zu verfangen. Ein beliebter Einwand lautet, dass man kein Wasser in löchrige Eimer schütten solle, denn das würde doch nur versickern. Schließlich hätten die überschuldeten Kommunen hinlänglich bewiesen, dass sie nicht wirtschaften können. Dafür auch noch die solide haushaltenden Kommunen aufkommen zu lassen, sei unverschämt – so der bayerische Ministerpräsident. Das mutet reichlich bizarr an: Gut wirtschaftende Gemeinden in Bayern, schlecht haushaltende Kommunen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Ich male mir die Welt, wie ich sie will: Engel und Sünder lupenrein getrennt nach Bundesländern. So wird man dem Schuldenproblem nicht gerecht. Denn diese Sichtweise ignoriert, dass die betroffenen Kommunen in den allermeisten Fällen unverschuldet in einen Teufelskreis aus Betriebsaufgaben, sinkenden Einnahmen und Abwanderung geraten sind. Ihnen dann auch noch vorzuwerfen, dass in ihren Räten lauter Menschen sitzen, die nicht rechnen können, ist starker Tobak.
Wenig stichhaltig ist auch das Argument, dass durch die Schuldenübernahme falsche Anreize gesetzt und die Kommunen nach erfolgter Entschuldung schon bald wieder zum alten Schlendrian zurückkehren würden. Denn dagegen kann man Vorkehrungen treffen, etwa durch die Verpflichtung der am Entschuldungsprogramm beteiligten Länder, Kassenkredite ihrer Kommunen unter Sanktionsvorbehalt zu stellen. Im Bundesfinanzministerium ist dieses Problem bekannt. Und genau aus diesem Grund ist in den Eckpunkten des „Solidarpaktes“ auch eine solche Regelung angedacht worden. Wer dennoch suggeriert, den Kommunen sei das Schuldenmachen in der DNA eingeschrieben – so etwa die FAZ in einem Kommentar mit der Überschrift „Die Scholzsche Schuldenbombe“ – der will nicht wahrhaben, dass die Schulden nicht erhöht, sondern zwischen den staatlichen Ebenen nur neu verteilt werden sollen.
Doch was bringt ein Altschuldenfonds den Kommunen überhaupt? Hilft er ihnen, investitionsfähiger zu werden? Angesichts der nun schon länger anhaltenden Niedrigzinsphase dürften die „Zinsgewinne“ einer Altschuldenregelung jedenfalls nicht ausreichen, um substanzielle Investitionseffekte zu erzielen. Das trifft sicherlich auf die eine oder andere Gemeinde zu. Berücksichtigt man aber auch noch die Befreiung von Tilgungslasten, dann stellt sich die Sache schon anders da. Im Übrigen können auch „kleinere“ Beträge im fünf- oder sechsstelligen Bereich große Wirkung entfalten. Nämlich immer dann, wenn sie gebraucht werden, um die Kofinanzierung für Landesinvestitionen aufzubringen. In der Vergangenheit ist gerade bei uns im Saarland schon so manches Vorhaben daran gescheitert, dass Kommunen die vorgeschriebenen Eigenanteile nicht aufbringen konnten. Nicht zuletzt deshalb wurde erst vor kurzem der Eigenanteil bei der Erschließung von kommunalen Gewerbegebieten von 25 auf fünf Prozent gesenkt. Mit Blick auf die privaten Investitionen ist zudem zu bedenken, dass eine hohe Pro-Kopf-Verschuldung abschreckend auf private Investoren wirkt. Denn wer möchte sich schon der Gefahr aussetzen, in einer Gemeinde zu investieren, die ständig dem Zwang ausgesetzt ist, ihre Abgaben und Steuern erhöhen zu müssen. Deshalb gilt alles in allem: Auch wenn mit einem Altschuldenfonds die Bäume für die Kommunen nicht in den Himmel wachsen – helfen wird er auf jeden Fall.
Geschenkt sind auch die juristischen Bedenken, die Finanzierung der Kommunen sei Ländersache und für einen Altschuldenfonds müsse das Grundgesetz geändert werden. Ersteres hat das Bundesverfassungsgericht erst im Herbst 2018 zwar noch einmal bestätigt, allerdings in der Formulierung, dass diese Verantwortung „zuvörderst“ bei den Ländern liege. Was ja wohl so viel bedeutet wie: Zuerst die Länder, dann der Bund. Das heißt, auch der Bund ist nicht ohne Verpflichtung für die Finanzierung der Kommunen. Und was die Grundgesetzänderung anbetrifft, sei nur darauf hingewiesen, dass solche Eingriffe eine Frage des politischen Willens sind. Sicher, dafür braucht man eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Aber die Änderung selbst ist kein Sakrileg, wie die erst im vergangenen Jahr erfolgte Kompetenzausweitung des Bundes bei der Finanzierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur und des sozialen Wohnungsbaus zeigt.
Die Schuldenbremse atmen lassen
Bleibt zum Schluss noch das Standardargument, es sei kein Geld mehr da. Der Bund habe sich in der Coronakrise schon mit 218 Milliarden Euro verschuldet, mehr gehe nicht. Ein Blick auf den Finanzmarkt zeigt das Gegenteil. Hier lässt sich viel Geld zu äußerst niedrigen Zinsen holen. Das hat mit der Nullzinspolitik der EZB zu tun, aber nicht nur. Es gibt auch strukturelle Gründe, etwa den, dass in Deutschland schon seit Jahren mehr gespart als investiert wird. Hier kann und hier sollte sich der Staat bedienen, um die ansonsten nur ins Ausland abfließenden Sparüberschüsse zu absorbieren und im Land produktiv einzusetzen. Die Frage ist deshalb nicht mehr, ob wir Geld aufnehmen sollen, sondern wie viel wir brauchen, um unser Land zukunftsfest zu machen. Das ist kein Plädoyer für die Aufkündigung der Schuldenbremse. Aus der Vergangenheit wissen wir nur zu gut, dass dem Ausgabenverhalten des Staates Grenzen gesetzt werden müssen, um meist später auftretende Kollateralschäden zu vermeiden. Aber wo die Grenzen liegen sollen, bei 60 Prozent oder – unter den heutigen Rahmenbedingungen – nicht eher bei 80 oder 100 Prozent, ist eine ganz andere Frage. Nachzudenken wäre in diesem Zusammenhang auch, ob man die Schuldenbremse nicht aus ihrem starren Korsett entbindet und sie zu einer atmenden Schuldenbremse weiterentwickelt. Damit könnte sie langfristigen Änderungen in den finanz- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen besser Rechnung tragen.
Geht es nach dem Bundesfinanzminister, soll das Gesetz zur Kommunalentschuldung noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Dass es dazu kommt, ist derzeit eher unwahrscheinlich. Die Kür von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten der SPD hat die Realisierungschancen noch weiter gesenkt. Das ist mehr als bedauerlich. Denn damit würde wieder einmal ein Projekt durch politisches und ideologisches Gezänk geopfert, das Deutschland im Ganzen, vor allem aber unserem Saarland, einen mächtigen Schub geben könnte. So aber droht eine Zukunft, in der die überschuldeten Gemeinden endgültig abgehängt werden.
In der Folge dürfte der Frust der Bürger über den zunehmenden Verfall der kommunalen Infrastruktur weiter steigen und das Vertrauen in den Staat sinken. Nicht wenige Bewohner dürften ihre Stadt als Beispiel für ein allgemeines Systemversagen begreifen. Insofern wäre es nicht überraschend, wenn die Bürger ihren Unmut bei kommenden Wahlen zum Ausdruck bringen. Auch aus diesem Grund und nicht nur wegen ihres hohen Anteils an den öffentlichen Investitionen sind Städte und Gemeinden im wahrsten Sinne des Wortes systemrelevant. Mit anderen Worten: Auf die Kommunen kommt es an!