Positionen

Kennzahl: 17.825

Das Saarland holt auf

Von Dr. Richard Weber, Präsident der IHK Saarland
Kolumne

01.09.2001

Nach einer jüngst veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung liegt das Saarland im Länder-Ranking zwar immer noch im unteren Mittelfeld der westlichen Bundesländer. Es konnte sich jedoch in der zweiten Hälfte der 90er Jahre deutlich verbessern: Beim sogenannten „Aktivitätsindex“ machte es unter allen Bundesländern den größten Sprung nach vorne und rückte um neun Plätze vor: vom vorletzten auf den sechsten Rang.

Würde der Untersuchungszeitraum der Studie nicht schon 1998 enden, sondern auch die letzten zweieinhalb Jahre einbeziehen, wäre das Ergebnis vermutlich noch besser ausgefallen. Denn es ist unübersehbar: Das Saarland holt auf. Dafür spricht weniger die gegenüber der Bundesentwicklung bemerkenswerte Konjunkturstabilität in den vergangenen Monaten; die verdanken wir eher den Exporterfolgen der deutschen Automobilhersteller, die wiederum viele ihrer Komponenten aus unserem Land beziehen. Dafür sprechen aber eine ganze Reihe anderer Indikatoren, die nachhaltige Erfolge des Saarlandes und seiner Unternehmen signalisieren:

  1. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren deutlich entspannt: Die Arbeitslosenquote liegt so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr, der Abstand zu den westlichen Bundesländern geht immer weiter zurück, der Zuwachs bei den offenen Stellen liegt seit zwei Jahren deutlich über der Entwicklung in Westdeutschland.

  2. Am Ausbildungsstellenmarkt erreichte das Saarland, seit dem Tiefststand 1994, den höchsten Zuwachs unter allen Bundesländern. Inzwischen liegt das Saarland in der beruflichen Ausbildung auch absolut in der Spitzengruppe: Bei der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse je Einwohner erreichte es im vergangenen Jahr unter allen Bundesländern den dritten Platz.

  3. Kleiner geworden ist auch die Unternehmerlücke im Saarland. Zwar fehlen unserem Land – am Bundesdurchschnitt gemessen – noch immer (zu) viele Unternehmer. Aber der Abstand ist im vergangenen Jahrzehnt spürbar kleiner geworden. Und das Saarland scheint weiter aufzuholen: So konnte unser Land im ersten Quartal dieses Jahres fast sechs Prozent mehr Gewerbeanmeldungen registrieren, während deren Zahl bundesweit um fast vier Prozent zurückging. Per Saldo gab es Ende April im Saarland 400 Unternehmen mehr als zum Jahresbeginn.

  4. Deutliche Fortschritte konnte das Saarland auch beim Innovationstempo erzielen: Die Zahl der Patentanmeldungen hat in den zurückliegenden fünf Jahren um rund 70 Prozent zugenommen. Mit diesem höchsten Zuwachs unter allen Bundesländern konnte sich das Saarland von Rang 13 auf Rang neun vorarbeiten.

  5. Auf dem wichtigen Feld der Bildungspolitik hat sich das Land viel vorgenommen: Qualität, Leistung und eine fundierte Ausbildung in grundlegenden Kulturtechniken stehen wieder im Vordergrund; die Schulzeit bis zum Abitur wurde um ein Jahr verkürzt. Damit wurden wichtige Voraussetzungen für eine positive Wirtschaftsentwicklung in der Zukunft geschaffen.
Keine Frage also: Das Saarland holt auf. Aber es muss das Feld der Bundesländer von ziemlich weit hinten aufrollen. Und beim Beschäftigungszuwachs konnte unser Land in den letzten beiden Jahren gegenüber dem Bund kaum Boden gutmachen – zuletzt war die Entwicklung sogar wieder ungünstiger als in Westdeutschland. Es sind also weitere Anstrengungen notwendig, wenn das Saarland die erreichte Position halten oder gar weiter nach vorn kommen möchte. Die IHK hat dazu eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt. Ich möchte nur einige davon herausgreifen:
  • Qualifizierungsoffensive konsequent fortsetzen
    Ansatzpunkte gibt es genug: Von der Verbesserung der Qualität unserer Berufsschule über den Ausbau des Ganztagsangebotes und des Fremdsprachenunterrichts, bis hin zur Stärkung der Autonomie von Schulen und Hochschulen. Der letzte Punkt liegt mir besonders am Herzen: Schulen und Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, sich wie mittelständische Dienstleistungsunternehmen zu verhalten. Der Wettbewerb ist auch bei der Produktion des Gutes „Bildung“ das beste Entdeckungsverfahren und der sicherste Weg zu mehr Qualität und Effizienz.
  • Krankheitskosten im Saarland senken
    Die Fehlzeiten liegen im Saarland in praktisch allen Branchen deutlich über dem Bundesdurchschnitt, die Gesundheitskosten ebenso. Es ist an der Zeit, den Ursachen dafür nachzugehen. Dabei sollte es erklärtes Ziel aller gesellschaftlichen Gruppen sein, die Saarländer gesünder zu machen. Die Überkapazitäten bei den Krankenhausbetten leisten dazu jedenfalls keinen Beitrag; sie belasten nur zusätzlich den Geldbeutel aller saarländischen Arbeitnehmer und sollten deutlich schneller abgebaut werden als bisher von der Landesregierung geplant.
  • Die Chance Saar-Lor-Lux nutzen
    Unsere Region hat die einmalige Chance, die Vision eines vereinigten Europas schon heute im Kleinen vorwegzunehmen und vorzuleben. Deshalb gehört es zur der Pflichtaufgabe unseres Landes, alles daran zu setzen, dass die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Teilräumen der Großregion ähnlich eng wird wie die zwischen Regionen innerhalb eines Nationalstaates. Die IHK hat mit ihrer dreisprachigen Firmendatenbank „VEKTOR“ dazu ein beispielgebendes Projekt umgesetzt. Nächster Schritt wird das „Wirtschaftsportal“ mit Firmennachrichten, Veranstaltungskalender sowie Tagungs- und Tourismusinformationen sein. Für die Politik stellt sich die Aufgabe eines gemeinsamen Standort- und Tourismusmarketings, des Aufbaus einer europäischen Hochschule Saar-Lor-Lux sowie schließlich der Entwicklung eines Leitbildes, das Lust auf eine gemeinsame Zukunft macht.
  • Für ein nachhaltiges Standortmarketing
    Saarländer wissen, dass es sich hier gut leben und Arbeiten lässt. „Zugereiste“ bestätigen diese Erfahrung, und die positive Entwicklung der hier neu angesiedelten Betriebe ist der beste Beweis. Dennoch hat das Saarland draußen einen schlechten Ruf. Das schadet der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes. Die IHK fordert daher ein langfristig orientiertes und auf Nachhaltigkeit angelegtes Marketingkonzept für den Standort Saarland. Dazu gehört ein Leitbild, das Identität stiftet und eine Agenda, die entschlossenes Handeln signalisiert. Insbesondere müssen wir Alleinstellungsmerkmale schaffen, die unser Land unverwechselbar machen. Erst dann kann eine Imagekampagne nachhaltig greifen.
Trotz vieler guter Nachrichten:
Im Wettbewerb um Beschäftigungs- und Einkommenschancen darf sich das Saarland keine Verschnaufpause gönnen. Zwar konnte sich unser Land bislang den aktuellen Schwächentendenzen noch recht gut entziehen. Und im laufenden Jahr haben wir sogar gute Chancen, mit der Bundesentwicklung Schritt zu halten – vielleicht sogar ein wenig besser abzuschneiden. Sollte sich die Wachstumsschwäche Deutschlands aber verfestigen, werden sich die Aufholchancen unseres Landes vermindern . Umsonst wären die Anstrengungen hierzulande zwar auch dann nicht. Auf die sichtbaren Erfolge müssten wir allerdings länger warten.

Dr. Richard Weber
Präsident der IHK Saarland