Deutschland verschenkt Chancen
Von Ludwig Georg Braun, DIHK-Präsident
Kolumne
01.05.2005
Danach investiert bereits jedes dritte befragte Unternehmen in Forschung und Entwicklung im Ausland; fast die Hälfte dieser Firmen hat dabei FuE-Aktivitäten aus Deutschland verlagert – das sind 15 Prozent aller befragten Unternehmen. Weitere 17 Prozent der Unternehmen planen einen solchen Schritt in den nächsten drei Jahren.
Andere Standorte mit mehr Attraktivität
Viele Unternehmen nutzen die internationale Arbeitsteilung, um angesichts der weltweit gestiegenen Konkurrenz wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein Warnsignal für den Forschungsstandort Deutschland ist jedoch: Rund zwei Drittel der Unternehmen, die im Ausland forschen, geben an, dass ihre FuE-Auslandsinvestitionen auch in Deutschland hätten getätigt werden können – bei besseren Standortbedingungen. Die FuE-Investitionen der privaten Wirtschaft könnten also in Deutschland weitaus höher liegen. Deutschland vergibt hier Chancen.
Mit den Verlagerungsaktivitäten der Unternehmen erklärt sich auch, dass in den nächsten drei Jahren die FuE-Ausgaben hier zu Lande nur leicht steigen werden: 30 Prozent der Unternehmen mit expansiven Forschungsbudgets stehen 16 Prozent mit Verringerungsabsichten gegenüber. Zudem wird der Forschungsstandort Deutschland von den Firmen nur als „oberes Mittelmaß“ eingeschätzt – so die Gesamtbewertung durch die Unternehmen im Rahmen der Studie.
Auch bei Forschung und Entwicklung stehen wir in einem verschärften internationalen Wettbewerb. Andere Standorte gewinnen zunehmend an Attraktivität. Denn weitere entscheidende Gründe für Investitionen in FuE im Ausland sind niedrigere Entgelte für FuE-Personal und flexiblere Arbeitszeiten. Aber auch weniger Bürokratie und die bessere Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte sind Ursachen für deutsche FuE-Auslandsinvestitionen.
Die Cleveren gehen
Von der Forschungsverlagerung betroffen sind hochwertige Arbeitsplätze: Mit der Verlagerung von Konstruktion, technologischer Entwicklung, Tests und Softwareentwicklung gehen Deutschland eine Reihe von Jobs hoch qualifizierter Arbeitskräfte verloren. In ihren ausländischen FuE-Abteilungen setzen zwei von drei Firmen Ingenieure ein; jedes zweite Unternehmen beschäftigt dort Techniker, jedes fünfte Naturwissenschaftler.
Was muss getan werden?
Deutschland schafft es häufig nicht, in der Konkurrenz zu anderen Ländern mit besseren Bedingungen zu locken. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, wo die Politik konkret ansetzen muss, damit der Innovationsstandort Deutschland wieder attraktiver wird: Der Wirtschaftsstandort Deutschland muss neue Anziehungskraft für Erweiterungsinvestitionen entwickeln; davon wird auch der FuE-Standort profitieren. Stichworte sind hier vor allem flexiblere und längere Arbeitszeiten sowie geringere Lohnzusatzkosten. Insgesamt muss sich die Umsetzung von Wissen in innovative Produkte und Dienstleistungen wieder stärker lohnen.
Die Bedingungen für Innovationen müssen besser werden. Eine Innovationsoffensive kann aber nur erfolgreich sein, wenn den Ankündigungen auch Taten folgen. Deshalb sollten alle politischen und rechtlichen Vorhaben auf ihre Innovationswirkung hin überprüft werden. Das Gesetz zur grünen Gentechnik und die bisher geplante EU-Chemikalienrichtlinie sind Beispiele für eine verfehlte Innovationspolitik.
In der Forschungspolitik muss den Hochschulen und den öffentlichen Forschungseinrichtungen mehr Eigenverantwortung gewährt werden. Spitzenforschung entsteht nur durch echten Wettbewerb – und in einem solchen Umfeld siedeln sich dann auch innovationsstarke Unternehmen an. Daher sind die öffentlichen Mittel – wie bei der EU-Forschungsförderung – verstärkt im Wettbewerb zwischen allen Forschungseinrichtungen zu vergeben.
Um ein zu Unrecht gescholtenes Wort zu benutzen: „Humankapital“ ist der entscheidende Faktor für unsere Innovationskraft. Wie die Umfrage zeigt, braucht Deutschland mehr und besser qualifizierte FuE-Fachkräfte. Die Maßnahmen müssen von frühkindlicher Lernförderung bis hin zur Entwicklung deutscher Spitzenuniversitäten und deren Einbindung in ein europäisches Forschungsnetz reichen.