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Die Kuh, die man melken will, darf man nicht schlachten

IHK Vizepräsident Rolf Schneider zur
Unternehmensteuerreform

03.08.2006

In der Saarbrücker Zeitung vom 29. Juli 2006 hat sich Norbert Freund explizit für eine Besteuerung ausgesprochen, die an die Substanz der Unternehmen geht. Er rechtfertigt damit die geplante Unternehmensteuerreform der Bundesregierung, die Anfang 2008 in Kraft treten soll. Aus Sicht der Wirtschaft sind seine Thesen nicht haltbar und in Teilen sogar fahrlässig.

Freunds Hauptvorwurf lautet, mit Zinszahlungen ins Ausland würde deutsches Steuersubstrat gemindert. Dieser Vorwurf trifft auf die von ihm skizzierten Fälle zu: gezielte Fremdfinanzierung ausländischer Konzernmütter, Kauf deutscher Firmen per Kreditaufnahme durch „Heuschrecken“. Damit wird jedoch der Eindruck erweckt, die deutsche Wirtschaft bestünde allein aus solchen Unternehmen. Tatsächlich handelt es sich jedoch nur um wenige, wenn auch markante Einzelfälle. Die ganz überwiegende Mehrzahl der Unternehmen - vor allem des Mittelstands - verfügt gar nicht über die Möglichkeit einer gezielten Gewinnverlagerung durch legale Steuergestaltung.

Die Lösung des Problems kann nicht darin bestehen, alle deutsche Unternehmen wie ungeliebte Steuertrickser zu behandeln und durch erweiterte Hinzurechnungen in Sippenhaft zu nehmen. Die Kuh, die man melken will, darf man nicht schlachten. Deshalb sollte über Alternativen nachgedacht werden. Etwa über eine Mindestbesteuerung, bei der immer 40 Prozent des Betriebsergebnisses vor Abzug von Finanzierungskosten der Ertragsteuer zugrunde gelegt werden. Dabei müsste jedoch ein Hinzurechnungsfreibetrag von mindestens 500.000 Euro angesetzt werden, damit tatsächlich nur die Unternehmen getroffen werden, die sich mit grenzüberschreitenden Gestaltungen der deutschen Besteuerung entziehen.

Mit Blick auf Österreich, wo der Anteil ertragsunabhängiger Elemente an der Besteuerung über 33 Prozent ausmache, sieht Freund Spielraum für eine Ausweitung ertragsunabhängiger Elemente in Deutschland. Denn hier liege dieser Anteil nur bei 3,5 Prozent. Er verschweigt dabei, dass Österreich 1993 die Gewerbesteuer abgeschafft und stattdessen eine Kommunalsteuer in Form einer Lohnsummensteuer eingeführt hat. Diese Lohnsummensteuer ist der Hauptbestandteil der hohen österreichischen Substanzsteuerquote. Zudem ist zu bedenken, dass Österreich den Körperschaftsteuersatz auf 25 Prozent gesenkt, die Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Verlustnutzung deutlich verbessert, die Erbschaftsteuer auf Kapitalvermögen (Substanzbesteuerung!) aufgegeben und eine niedrige, anonyme Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge eingeführt hat. Kurzum: Ein nationales Steuersystem ist immer nur als Ganzes beurteilbar und muss im Zusammenhang aller Steuern gesehen werden.

Mit der rein fiskalischen Begründung, wenn auch noch die Personengesellschaften entlastet werden, wachsen die Steuermindereinnahmen deutlich über die ohnehin vorgesehenen fünf Milliarden, gibt Freund zu verstehen, dass ihm die ganze Richtung nicht passt. Nicht weniger, sondern mehr Steuern – das sagt er zwar nicht ausdrücklich, lässt sich aber unschwer zwischen den Zeilen lesen. Volks- und weltwirtschaftlich ist dagegen eine Senkung der Unternehmenssteuern dringend geboten. Deutschland hat im internationalen Vergleich einen relativ hohen Unternehmensteuertarif. International liegt der Durchschnitt unter 25 Prozent, in Deutschland bei fast 40 Prozent. Deshalb muss der Unternehmenssteuertarif gesenkt und dem internationalen Niveau angenähert werden. Und deshalb dürfen thesaurierte Gewinne von Personenunternehmen nicht höher belastet werden als bei Kapitalgesellschaften.

Ebenfalls nicht haltbar ist die These, dass die Gewerbesteuer zu einer Gewinnsteuer für Großunternehmen kaputtreformiert worden sei. Das Gegenteil ist richtig. Im Saarland zahlen derzeit rund 7.500 Unternehmen Gewerbesteuer. Dabei handelt es sich ganz überwiegend um mittelständische Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten. Und gerade diese Unternehmen haben in der Regel eine niedrige Eigenkapitalquote. Entsprechend stark schlägt bei ihnen die hälftige Berücksichtigung von Fremdkapitalzinsen durch. Aber nicht nur deshalb ist die Gewerbesteuer eine schlechte Steuer. Sie ist es auch aus dem Grund, weil viele den Nutzen von ihr haben, aber - gemessen an der ortsansässigen Bevölkerung - nur wenige zahlen. Dass auch von Freund zitierte Argument, dass „ die Feuerwehr auch kommen muss, wenn das Unternehmen gerade keinen Ertrag macht,“ ist ja richtig und dennoch zu kurz gedacht. Denn die Feuerwehr ist in erster Linie für die Bürger da und die zahlen bekanntlich keine Gewerbesteuer. Richtig wäre es deshalb, die Gewerbesteuer auf eine breitere Basis zu stellen. Dazu sollte sie erstens auf alle Gewinneinkünfte ausgedehnt werden, also auch auf freie Berufe. Und zweitens könnte die Grundsteuer erhöht werden. Denn hier besteht im internationalen Vergleich in der Tat noch Spielraum nach oben.

Original-Kommentar 'Unternehmenssteuer muss an die Substanz gehen' von Norbert Freund in der Saarbrücker Zeitung vom 29./30.7.2006 (pdf-Datei; 1380 kb)