Die Summe macht’s
Von Volker Giersch Kommentar
01.08.2003
Leider gibt es für solche Patentrezepte im heutigen Europa kaum noch Raum. Auf der Ebene der Nationalstaaten nicht. Und schon gar nicht auf der Ebene der Bundesländer in unserem föderalen Deutschland. Diese sind mehr denn je eingezwängt in ein starres Korsett an Gesetzen und Verordnungen, die den Spielraum für eigenständiges Handeln eng begrenzen. Ein Geniestreich à la Friedrich Wilhelm würde bereits am EU-Wettbewerbsrecht scheitern, das es strikt verbietet, Unternehmen mit Landgeschenken und Steuerprivilegien anzulocken. Selbst kleinere „Rebellionen“ wie jene der Gemeinde Norder-Friedrichskoog, die ihren Gewerbesteuerhebesatz kürzlich auf Null setzte, werden rasch im Keim erstickt. Eine Änderung des deutschen Steuerrechts, die solche Initiativen unattraktiv macht, ist bereits eingeleitet.
Viele Reformschritte nötig
Realistisch gesehen bleibt den Ländern nur eine
Standortpolitik der vielen kleinen Schritte. Es gilt, vorhandene
Standortschwächen zu beseitigen und Standortstärken auszubauen.
Auf unser Saarland gemünzt bedeutet das: Wir müssen die
Gewerbesteuersätze weiter absenken, mehr Markt und Wettbewerb in
die Entsorgungswirtschaft bringen, den Nahverkehr durch
Verbundlösungen attraktiver machen, die wirtschaftliche
Betätigung der Kommunen wirksam begrenzen, Bürokratie abbauen,
Genehmigungsverfahren weiter beschleunigen und vor allem mehr
Qualität in unser Schul- und Hochschulsystem bringen. Die
Mittelstandsförderung ist - auch in Zeiten knapper Kassen -
mindestens auf dem Niveau der übrigen Bundesländer zu halten.
Flankierend dazu ist eine Lohnpolitik nötig, die den
regionalen Besonderheiten stärker als bisher Rechnung trägt.
Gegen jeden Einzelschritt zur Standortaufwertung mag man
einwenden, er bringe nicht den Durchbruch im Ganzen. „Ein
Unternehmen entscheidet sich nicht für oder gegen die Ansiedlung
im Saarland, nur weil der Bildungsurlaub eingeschränkt wird“,
sagte kürzlich der Landtagsabgeordnete Rüdiger Zakrzewski in der
Debatte um die Novellierung des Weiterbildungsgesetzes. Wohl
wahr! Natürlich entscheidet sich ein Unternehmen nicht nur
aufgrund eines Faktors für oder gegen einen Standort. Ins Kalkül
geht vielmehr die Gesamtheit der Standortbedingungen ein. Und
dazu zählt eben auch der Bildungsurlaub.
Im Übrigen geht es ja keineswegs nur und nicht einmal
vorrangig um Ansiedlungen. Weitaus wichtiger ist, wie sich die
bereits ansässigen Unternehmen hierzulande entwickeln. Dabei
gilt: Je attraktiver der Standort, desto günstiger die
wirtschaftliche Perspektive.
Stillstand ist Rückschritt
Würden wir jedes einzelne Reformvorhaben mit dem Argument „ kein Patentrezept“ stoppen, würde dies standortpolitischen Stillstand bedeuten. Den kann sich unser Land aber beim besten Willen nicht leisten. Denn auch anderswo bleibt die Zeit nicht stehen. Im Gegenteil: Viele Länder haben das Reformtempo spürbar erhöht. Für die Standortpolitik gilt insofern mehr denn je: Stillstand ist Rückschritt.
Es gibt also keine Alternative: Die Landesregierung muss konsequent auf ihrem Kurs der Standortkonsolidierung bleiben. Den bereits erreichten Etappen „Senkung der Gewerbesteuerlast“ und „ Verkürzung der Schulzeit (G 8)“ müssen weitere folgen. Und das ist wohl auch vorgesehen.
Noch vor der Sommerpause hat die Regierung drei Gesetzentwürfe in den Landtag eingebracht, die standortpolitisch von Bedeutung sind. In ihnen geht es darum, den gesetzlichen Weiterbildungsurlaub einzuschränken, die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen einzudämmen (§ 108 KSVG) und die Gestaltungskompetenz der Schulen zu vergrößern. Hervorzuheben ist zudem, dass das Land mit der Uni erstmalig eine Zielvereinbarung geschlossen und ein Globalbudget vereinbart hat.
Reformentwürfe nachbessern!
Keine Frage: Die Reformvorhaben zielen in die richtige Richtung. In der Sache sind sie aber in wichtigen Punkten zu halbherzig. Der Weg hin zu mehr Schulautonomie beginnt mit einem Modellversuch für die Berufsschulen statt mit einem breit angelegten Reformprozess. Bei der Novelle des KSVG bleibt die Landesregierung weit hinter den Vorstellungen der Wirtschaft zurück. Die Gemeinden können mittelständischen Unternehmen auch weiterhin auf vielen Märkten unlautere Konkurrenz machen. In der Hochschulpolitik fehlt noch immer ein klar konturiertes Zielbild für Uni und HTW. Insgesamt ist also noch manches nachzubessern. Anderes ist zu vollenden. So etwa die Absenkung der Gewerbesteuer auf Bundesniveau.
Ein Aufsteigerland wie seinerzeit Brandenburg-Preußen ist das Saarland derzeit noch nicht. Aber es kann eines werden, wenn es die notwendigen Reformen mit viel Mut und Entschlossenheit angeht. Dabei gilt: Nicht der einzelne Reformschritt zählt. Die Summe macht’s.