Die richtigen Lehren aus der Krise ziehen!
Von Volker Giersch
Standpunkt
01.07.2009
„Die neoliberale Ideologie, die uns in diese Krise geführt hat, kann nicht die Antwort auf diese Krise sein.“ Dieser Satz des SPD-Kanzlerkandidaten Walter Steinmeier bringt auf den Punkt, war uns im anstehenden Bundestagswahlkampf erwartet: ein ideologisch überhöhter Richtungsstreit über die Zukunft unserer Wirtschaftsordnung. Notwendig wäre dagegen eine ernsthaft und nüchtern geführte Debatte zu den Kernfragen: Wie viel Regulierung und wie viel Liberalisierung, wie viel Staat und wie viel Markt wollen wir hierzulande? Welche Reformen sind nötig, damit sich eine Krise wie die aktuelle nicht wiederholen kann?
Das verlangt nach einer klaren Ursachenanalyse. Was also hat uns in die Krise getrieben? War es vor allem – wie gerne behauptet wird – die ungezügelte Profitgier verantwortungsloser Manager, die im Casino-Kapitalismus unser Volksvermögen verzockt haben? Oder waren es unzureichende oder gar falsche Regulierungen in unserer Wirtschaftsordnung und mithin Fehler und Versäumnisse in der Wirtschafts- und Ordnungspolitik?
Auf den Ordnungsrahmen kommt es an
Klar sein sollte zunächst, dass die Marktwirtschaft – hierzulande wie auch anderswo – ein Erfolgsmodell ist. Ihr Charme liegt darin, dass sie das egoistische Erfolgsstreben des Einzelnen – das Streben nach Geld, Anerkennung oder auch Ehre – nutzt und in aller Regel zu einem Gesamtergebnis führt, das Wohlstand für die Gesellschaft im Ganzen bringt. Und das bei größtmöglicher Freiheit des Einzelnen.
Entscheidend für den Erfolg ist insbesondere, dass der Leistungswettbewerb zwischen den Unternehmen ständig neues Wissen, neue Ideen, effizientere Produktionsverfahren und neue Produkte hervorbringt. Dadurch ist die Marktwirtschaft hinsichtlich Effizienz und Innovationsdynamik allen denkbaren Alternativen deutlich überlegen. Das Gegenmodell – die zentrale Planwirtschaft – ist jedenfalls in allen Spielarten kläglich gescheitert. Insofern verwundert schon, wie viele Menschen in unserem Land die Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung inzwischen in Frage stellen.
Unstrittig ist, dass jede Marktwirtschaft Spielregeln braucht, dass sie ihre Stärken nur dann ausspielen kann, wenn der Staat einen geeigneten Ordnungsrahmen setzt – und durchsetzt. Gerade auch die von linken Politikern gerne angeprangerten Neoliberalen haben diesen Aspekt immer besonders betont. Die Erfahrungen mit dem Laisser-faire-Kapitalismus im 19. Jahrhundert, als der Staat nur eine „Nachtwächterrolle“ spielte, haben sie zu der Überzeugung geführt, dass Märkte einen starken Staat als Regelgeber brauchen – einen Staat, der Wettbewerb fördert und Kartelle und Monopole verhindert.
Ebenso unstrittig ist, dass der Staat darüber hinaus öffentliche Güter wie Bildung, nationale Verteidigung, Rechtswesen und Verkehrsinfrastruktur bereitstellen muss und zudem für ein Mindestmaß an sozialem Ausgleich zu sorgen hat.
Es geht also, was die Rolle des Staates betrifft, nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“ und „Wie viel“. Um die Frage etwa, wie man Verteilungsgerechtigkeit und Chancengleichheit definiert und wie man beides erreichen will. Doch ist das keine fundamentale Systemfrage, sondern eine Frage der sozialpolitischen Ausgestaltung des Systems. Und hier ist anzumerken, dass unsere soziale Marktwirtschaft – auch und gerade im internationalen Vergleich – zu den Wirtschaftsordnungen mit der stärksten sozialen Ausprägung zählt. Von einer marktradikalen Ordnung sind wir jedenfalls Lichtjahre entfernt.
Eine in der Öffentlichkeit unterschätzte Herausforderung für den Staat liegt darin, den Ordnungsrahmen so zu gestalten, dass die Märkte effizient funktionieren, dass Regeln und Eingriffe transparent sind und dass der soziale Ausgleich die Leistungsanreize, die der Markt setzt, nicht über Gebühr dämpft. Hier gibt es in unserem Land noch manches zu verbessern – bei der Ausgestaltung des Steuersystems etwa oder auch im Bereich der sozialen Sicherung. Immerhin: Das System als Ganzes funktioniert – so gut zumindest, dass Deutschland zu den erfolgreichen Wirtschaftsstandorten in der Welt zählt.
Die Krise ist größtenteils importiert
Was nun ist schief gelaufen in der aktuellen Krise? Dreierlei ist festzuhalten:
Erstens: Die Krise ist nicht hausgemacht, sondern größtenteils importiert. Ihren Ursprung hat sie in den USA, wo die Politik in den vergangenen Jahren gravierende Fehler gemacht hat. Dazu gehört etwa die Politik „Immobilien für alle“, die den Bürgern in guter sozialer Absicht suggeriert hat, der Traum vom Eigenheim lasse sich auch ohne Eigenkapital und ausreichendes Einkommen realisieren. Mit diesem Ziel hat die Clinton-Administration seinerzeit beschlossen, dass Bauherren für ihre Immobilienkredite künftig nicht mehr mit ihren Einkommen und Gesamtvermögen haften, sondern nur noch mit ihren Häuschen. Die Folgen kennen wir.
Zu den Ursachen gehört auch, dass es keine hinreichende Regulierung des Finanzmarktes gab und dass die amerikanische Notenbank mit ihrer Niedrigzinspolitik die Grundlage dafür gelegt hat, dass sich die gefährlichen Blasen auf dem Immobilien- und Finanzmarkt bilden konnten. Hinzu kam ein blindes Vertrauen in die Rating-Agenturen, die risikoreiche Finanzprodukte über allzu positive Ratings erst „marktgängig“ gemacht haben. Viele Investoren wurden so in die Irre geführt. Kurzum: Der Ordnungsrahmen war falsch gesetzt.
Zweitens: In Deutschland haben in erheblichem Maße öffentlich-rechtliche Finanzinstitute und die IKB dazu beigetragen, dass so viele toxische Papiere in deutschen Bankdepots liegen. Die Landesbanken etwa verfügten zum Teil nicht mehr über tragfähige Geschäftsmodelle und wollten dies über risikoreiche Anlagestrategien kompensieren. Die Probleme, die sie sich damit eingehandelt haben, kommen den Staat heute teuer zu stehen.
Drittens hat sich die Politik in vielen Ländern auf einen Deregulierungswettbewerb im Finanzsektor eingelassen, weil sie am Wachstum des lukrativen Investmentbanking partizipieren wollte. Auch wir in Deutschland haben mitgemacht – aber eher spät und zögerlich. Und das war gut so. Denn deshalb wurde der Finanzsektor hierzulande weitaus weniger aufgebläht als beispielsweise im angelsächsischen Raum.
Stattdessen war und ist die deutsche Wirtschaft auf fast allen anderen Märkten im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Unsere Exportindustrie konnte ihre Position auf den Weltmärkten in den letzten Jahren sogar noch kräftig ausbauen. Das zeigt: Die marktwirtschaftliche Ordnung hat hierzulande bemerkenswert gut funktioniert – jedenfalls in der Realwirtschaft. Und: Deutsche Unternehmer und Manager haben – auch wenn es folgenschwere Fehler und Vergehen im Einzelfall gab – insgesamt eine gute Arbeit geleistet. Ansonsten wäre der Erfolg unserer Industrie im globalen Wettbewerb nicht möglich gewesen. Pauschale Managerschelte ist deshalb fehl am Platz.
Wenn unsere Wirtschaft von der Krise besonders hart getroffen wird, dann liegt das paradoxerweise gerade daran, dass sie auf den Weltmärkten zuvor so erfolgreich war. Ihre hohe Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsdynamik ist zugleich die beste Gewähr dafür, dass sich Deutschland von der Krise vergleichsweise schnell wieder erholen wird.
Mehr Transparenz und Kontrolle im Finanzsektor nötig
Es gibt also keinen Anlass, unsere marktwirtschaftliche Ordnung generell in Frage zu stellen oder einen grundlegenden ideologischen Kurswechsel zu fordern. Und es ist schlichtweg falsch zu behaupten, Deutschland sei deshalb so stark in den Sog der Finanzmarkt- und Konjunkturkrise geraten, weil in den vergangenen Jahren – auch jenseits des Finanzsektors – zu viel dereguliert, liberalisiert und privatisiert worden sei. Das Gegenteil trifft zu: Ohne die Reformen auf dem Arbeitsmarkt, bei den Steuern oder auch auf den Märkten für Strom und Telekommunikation stünden wir heute – gerade auch bei der Arbeitslosigkeit – weitaus schlechter da. Wir zehren nach wie vor noch von der Agenda-Politik der rot-grünen Bundesregierung mit dem Reformarchitekten Steinmeier. Umso mehr verwundert, dass die SPD – als vermeintliche Lehre aus der Krise – jetzt die ordnungspolitische Rolle rückwärts propagiert und Punkte wie die Re-Regulierung der Zeitarbeit, die Einführung flächendeckender Mindestlöhne und die Verlängerung der Teilzeitarbeit auf ihre Agenda setzt. Gerade jetzt – in einer Phase steigender Arbeitslosigkeit – wäre ein solcher Kurs ein gefährlicher Irrweg, der die Chancen auf eine baldige wirtschaftliche Erholung deutlich mindern würde und gewiss die falsche Lehre aus der Krise.
Notwendig sind stattdessen gezielte Korrekturen am Ordnungsrahmen für den Finanzsektor – auf nationaler und vor allem auf internationaler Ebene. Insbesondere gilt es, mehr Transparenz bei Finanzprodukten und eine wirksamere Kontrolle der Finanzinstitute zu schaffen, damit sich exzessive spekulative Übertreibungen, wie wir sie jetzt erlebt haben, nicht wiederholen können. Nötig ist nicht zuletzt auch ein neuer Regelrahmen für die Rating-Agenturen. Der Stempel der Anlagensicherheit sollte von ihnen künftig nicht mehr ohne die nötige Transparenz, ohne staatliche Aufsicht und ohne jegliche Konsequenz bei einer Fehlentscheidung vergeben werden dürfen.
Vorschläge zu alledem liegen auf dem Tisch. Sie gilt es jetzt zügig umzusetzen. Die USA gehen voran. Europa muss rasch folgen. Denn alle Erfahrung lehrt: Überall dort, wo der staatliche Ordnungsrahmen spekulative Übertreibungen zulässt, wird es solche Übertreibungen auch immer wieder geben. Dem ist für die Zukunft wirksam vorzubeugen. Das ist die wichtigste Konsequenz aus der Krise.
Das verlangt nach einer klaren Ursachenanalyse. Was also hat uns in die Krise getrieben? War es vor allem – wie gerne behauptet wird – die ungezügelte Profitgier verantwortungsloser Manager, die im Casino-Kapitalismus unser Volksvermögen verzockt haben? Oder waren es unzureichende oder gar falsche Regulierungen in unserer Wirtschaftsordnung und mithin Fehler und Versäumnisse in der Wirtschafts- und Ordnungspolitik?
Auf den Ordnungsrahmen kommt es an
Klar sein sollte zunächst, dass die Marktwirtschaft – hierzulande wie auch anderswo – ein Erfolgsmodell ist. Ihr Charme liegt darin, dass sie das egoistische Erfolgsstreben des Einzelnen – das Streben nach Geld, Anerkennung oder auch Ehre – nutzt und in aller Regel zu einem Gesamtergebnis führt, das Wohlstand für die Gesellschaft im Ganzen bringt. Und das bei größtmöglicher Freiheit des Einzelnen.
Entscheidend für den Erfolg ist insbesondere, dass der Leistungswettbewerb zwischen den Unternehmen ständig neues Wissen, neue Ideen, effizientere Produktionsverfahren und neue Produkte hervorbringt. Dadurch ist die Marktwirtschaft hinsichtlich Effizienz und Innovationsdynamik allen denkbaren Alternativen deutlich überlegen. Das Gegenmodell – die zentrale Planwirtschaft – ist jedenfalls in allen Spielarten kläglich gescheitert. Insofern verwundert schon, wie viele Menschen in unserem Land die Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung inzwischen in Frage stellen.
Unstrittig ist, dass jede Marktwirtschaft Spielregeln braucht, dass sie ihre Stärken nur dann ausspielen kann, wenn der Staat einen geeigneten Ordnungsrahmen setzt – und durchsetzt. Gerade auch die von linken Politikern gerne angeprangerten Neoliberalen haben diesen Aspekt immer besonders betont. Die Erfahrungen mit dem Laisser-faire-Kapitalismus im 19. Jahrhundert, als der Staat nur eine „Nachtwächterrolle“ spielte, haben sie zu der Überzeugung geführt, dass Märkte einen starken Staat als Regelgeber brauchen – einen Staat, der Wettbewerb fördert und Kartelle und Monopole verhindert.
Ebenso unstrittig ist, dass der Staat darüber hinaus öffentliche Güter wie Bildung, nationale Verteidigung, Rechtswesen und Verkehrsinfrastruktur bereitstellen muss und zudem für ein Mindestmaß an sozialem Ausgleich zu sorgen hat.
Es geht also, was die Rolle des Staates betrifft, nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“ und „Wie viel“. Um die Frage etwa, wie man Verteilungsgerechtigkeit und Chancengleichheit definiert und wie man beides erreichen will. Doch ist das keine fundamentale Systemfrage, sondern eine Frage der sozialpolitischen Ausgestaltung des Systems. Und hier ist anzumerken, dass unsere soziale Marktwirtschaft – auch und gerade im internationalen Vergleich – zu den Wirtschaftsordnungen mit der stärksten sozialen Ausprägung zählt. Von einer marktradikalen Ordnung sind wir jedenfalls Lichtjahre entfernt.
Eine in der Öffentlichkeit unterschätzte Herausforderung für den Staat liegt darin, den Ordnungsrahmen so zu gestalten, dass die Märkte effizient funktionieren, dass Regeln und Eingriffe transparent sind und dass der soziale Ausgleich die Leistungsanreize, die der Markt setzt, nicht über Gebühr dämpft. Hier gibt es in unserem Land noch manches zu verbessern – bei der Ausgestaltung des Steuersystems etwa oder auch im Bereich der sozialen Sicherung. Immerhin: Das System als Ganzes funktioniert – so gut zumindest, dass Deutschland zu den erfolgreichen Wirtschaftsstandorten in der Welt zählt.
Die Krise ist größtenteils importiert
Was nun ist schief gelaufen in der aktuellen Krise? Dreierlei ist festzuhalten:
Erstens: Die Krise ist nicht hausgemacht, sondern größtenteils importiert. Ihren Ursprung hat sie in den USA, wo die Politik in den vergangenen Jahren gravierende Fehler gemacht hat. Dazu gehört etwa die Politik „Immobilien für alle“, die den Bürgern in guter sozialer Absicht suggeriert hat, der Traum vom Eigenheim lasse sich auch ohne Eigenkapital und ausreichendes Einkommen realisieren. Mit diesem Ziel hat die Clinton-Administration seinerzeit beschlossen, dass Bauherren für ihre Immobilienkredite künftig nicht mehr mit ihren Einkommen und Gesamtvermögen haften, sondern nur noch mit ihren Häuschen. Die Folgen kennen wir.
Zu den Ursachen gehört auch, dass es keine hinreichende Regulierung des Finanzmarktes gab und dass die amerikanische Notenbank mit ihrer Niedrigzinspolitik die Grundlage dafür gelegt hat, dass sich die gefährlichen Blasen auf dem Immobilien- und Finanzmarkt bilden konnten. Hinzu kam ein blindes Vertrauen in die Rating-Agenturen, die risikoreiche Finanzprodukte über allzu positive Ratings erst „marktgängig“ gemacht haben. Viele Investoren wurden so in die Irre geführt. Kurzum: Der Ordnungsrahmen war falsch gesetzt.
Zweitens: In Deutschland haben in erheblichem Maße öffentlich-rechtliche Finanzinstitute und die IKB dazu beigetragen, dass so viele toxische Papiere in deutschen Bankdepots liegen. Die Landesbanken etwa verfügten zum Teil nicht mehr über tragfähige Geschäftsmodelle und wollten dies über risikoreiche Anlagestrategien kompensieren. Die Probleme, die sie sich damit eingehandelt haben, kommen den Staat heute teuer zu stehen.
Drittens hat sich die Politik in vielen Ländern auf einen Deregulierungswettbewerb im Finanzsektor eingelassen, weil sie am Wachstum des lukrativen Investmentbanking partizipieren wollte. Auch wir in Deutschland haben mitgemacht – aber eher spät und zögerlich. Und das war gut so. Denn deshalb wurde der Finanzsektor hierzulande weitaus weniger aufgebläht als beispielsweise im angelsächsischen Raum.
Stattdessen war und ist die deutsche Wirtschaft auf fast allen anderen Märkten im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Unsere Exportindustrie konnte ihre Position auf den Weltmärkten in den letzten Jahren sogar noch kräftig ausbauen. Das zeigt: Die marktwirtschaftliche Ordnung hat hierzulande bemerkenswert gut funktioniert – jedenfalls in der Realwirtschaft. Und: Deutsche Unternehmer und Manager haben – auch wenn es folgenschwere Fehler und Vergehen im Einzelfall gab – insgesamt eine gute Arbeit geleistet. Ansonsten wäre der Erfolg unserer Industrie im globalen Wettbewerb nicht möglich gewesen. Pauschale Managerschelte ist deshalb fehl am Platz.
Wenn unsere Wirtschaft von der Krise besonders hart getroffen wird, dann liegt das paradoxerweise gerade daran, dass sie auf den Weltmärkten zuvor so erfolgreich war. Ihre hohe Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsdynamik ist zugleich die beste Gewähr dafür, dass sich Deutschland von der Krise vergleichsweise schnell wieder erholen wird.
Mehr Transparenz und Kontrolle im Finanzsektor nötig
Es gibt also keinen Anlass, unsere marktwirtschaftliche Ordnung generell in Frage zu stellen oder einen grundlegenden ideologischen Kurswechsel zu fordern. Und es ist schlichtweg falsch zu behaupten, Deutschland sei deshalb so stark in den Sog der Finanzmarkt- und Konjunkturkrise geraten, weil in den vergangenen Jahren – auch jenseits des Finanzsektors – zu viel dereguliert, liberalisiert und privatisiert worden sei. Das Gegenteil trifft zu: Ohne die Reformen auf dem Arbeitsmarkt, bei den Steuern oder auch auf den Märkten für Strom und Telekommunikation stünden wir heute – gerade auch bei der Arbeitslosigkeit – weitaus schlechter da. Wir zehren nach wie vor noch von der Agenda-Politik der rot-grünen Bundesregierung mit dem Reformarchitekten Steinmeier. Umso mehr verwundert, dass die SPD – als vermeintliche Lehre aus der Krise – jetzt die ordnungspolitische Rolle rückwärts propagiert und Punkte wie die Re-Regulierung der Zeitarbeit, die Einführung flächendeckender Mindestlöhne und die Verlängerung der Teilzeitarbeit auf ihre Agenda setzt. Gerade jetzt – in einer Phase steigender Arbeitslosigkeit – wäre ein solcher Kurs ein gefährlicher Irrweg, der die Chancen auf eine baldige wirtschaftliche Erholung deutlich mindern würde und gewiss die falsche Lehre aus der Krise.
Notwendig sind stattdessen gezielte Korrekturen am Ordnungsrahmen für den Finanzsektor – auf nationaler und vor allem auf internationaler Ebene. Insbesondere gilt es, mehr Transparenz bei Finanzprodukten und eine wirksamere Kontrolle der Finanzinstitute zu schaffen, damit sich exzessive spekulative Übertreibungen, wie wir sie jetzt erlebt haben, nicht wiederholen können. Nötig ist nicht zuletzt auch ein neuer Regelrahmen für die Rating-Agenturen. Der Stempel der Anlagensicherheit sollte von ihnen künftig nicht mehr ohne die nötige Transparenz, ohne staatliche Aufsicht und ohne jegliche Konsequenz bei einer Fehlentscheidung vergeben werden dürfen.
Vorschläge zu alledem liegen auf dem Tisch. Sie gilt es jetzt zügig umzusetzen. Die USA gehen voran. Europa muss rasch folgen. Denn alle Erfahrung lehrt: Überall dort, wo der staatliche Ordnungsrahmen spekulative Übertreibungen zulässt, wird es solche Übertreibungen auch immer wieder geben. Dem ist für die Zukunft wirksam vorzubeugen. Das ist die wichtigste Konsequenz aus der Krise.