Dual mit Wahl - Die berufliche Ausbildung zukunftssicher machen!
Von Volker Giersch
Kommentar
01.04.2007
Die duale Berufsausbildung zählt seit Jahrzehnten zu den Trümpfen des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Sie garantiert eine hochwertige berufliche Qualifizierung mit starker Orientierung an der betrieblichen Praxis. Und sie ermöglicht dank bundesweit einheitlicher Abschlüsse eine hohe räumliche Mobilität der Fachkräfte. Der Vorteil für die Unternehmen: Sie finden bundesweit ein breit gefächertes Angebot an gut ausgebildeten Fachkräften vor.
Derzeit absolvieren in Deutschland 60 Prozent eines Jahrgangs eine betriebliche Ausbildung in jeweils einem der rd. 400 Ausbildungsberufe. Insgesamt befinden sich 1,6 Millionen junge Menschen in einem dualen Ausbildungsgang. Das ist eine stattliche Zahl und ein entscheidender Beitrag dazu, die Position unserer Wirtschaft auf den Weltmärkten zu festigen.
Doch in einer Zeit des Wandels gilt auch für die Berufsausbildung: Stillstand ist Rückschritt. Denn wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen:
Die Globalisierung erzwingt tiefgreifende Anpassungsprozesse und ein höheres Innovationstempo. Das macht eine rasche Anpassung von Ausbildungs- und Studiengängen erforderlich.
Der demographische Wandel hat zur Folge, dass die erwerbsfähige Bevölkerung deutlich schrumpft und altert. Das bringt grundlegende Veränderungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt mit sich.
Und schließlich schläft auch die Konkurrenz nicht. Andere Länder investieren mehr und mehr in die Qualifizierung junger Menschen.
Die Konsequenz aus alledem: Wir müssen das duale System weiterentwickeln, wenn wir in der beruflichen Ausbildung weiter die Nase vorne haben wollen.
Auf den Erfolgen aufbauen!
Aufbauen können wir dabei auf den Erfolgen der vergangenen Jahre – darauf etwa, dass es gelungen ist, die Entwicklung neuer und die grundlegende Überarbeitung bereits existierender Berufsbilder deutlich zu beschleunigen. Immerhin wurden in den vergangenen zehn Jahren 71 neue Berufsbilder eingeführt. Das hat insbesondere der Informations- und Dienstleistungswirtschaft vielfältige neue Ausbildungsmöglichkeiten eröffnet. Im Saarland werden zurzeit jedes Jahr fast 500 junge Menschen in Berufen ausgebildet, die es vor zehn Jahren noch nicht gab.
Jetzt drängen uns die Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft und der demographische Wandel zu weiteren Reformen. Ab 2010 beginnt die Zahl der Schulabgänger zu sinken. In zehn Jahren liegt sie bereits um gut ein Fünftel unter dem heutigen Stand. Dann wird es einen wachsenden Wettbewerb von Unternehmen, Universitäten und Fachhochschulen um leistungsstarke Jugendliche geben. Um in diesem Wettbewerb zu bestehen gilt es, die duale Ausbildung so attraktiv wie möglich zu machen. Ansonsten wird sich der Fachkräftemangel unserer Wirtschaft auf dramatische Weise verschärfen.
IHK-Reformmodell...
Angesichts dieser Herausforderungen haben die IHKs jetzt ein Reformmodell „Dual mit Wahl“ erarbeitet, das die Vorzüge der dualen Ausbildung mit flexiblen Wahlmöglichkeiten verbindet. Danach soll sich die Ausbildungszeit künftig in zwei Abschnitte gliedern. In der ersten Phase, die je nach Beruf ein bis zwei Jahre dauert, geht es darum, die wichtigsten Kernkompetenzen einer Berufsgruppe – sprich einer Familie von Berufsbildern – zu vermitteln. Für verwandte Berufe (z. B. Luftverkehrskaufmann und Schifffahrtskaufmann) kann so ein Teil der Ausbildung inhaltlich gleich gestaltet werden, was einen überwiegend gemeinsamen Berufsschulunterricht ermöglicht. Der zweite Abschnitt dient dann der Spezialisierung. In ihm sollen die Jugendlichen genau das erlernen, was den einzelnen Beruf ausmacht. Der Luftverkehrskaufmann erwirbt Kenntnisse in der Fluggast- und Luftfrachtabfertigung, der Schifffahrtskaufmann in Seeverkehrslogistik und Befrachtung.
Für jeden Beruf gibt es in dieser zweiten Phase ein Paket an Modulen, das das gesamte Spektrum der berufstypischen Kompetenzen abdeckt. Der Ausbildungsbetrieb kann sich gemeinsam mit dem Auszubildenden aus diesem Paket eine auf seinen Bedarf zugeschnittene Auswahl treffen. Beispielsweise könnte beim Beruf des Immobilienkaufmanns zwischen den Modulen „Verkauf von Gewerbeimmobilien“ und „Verkauf von Privatimmobilien“ ausgewählt werden. Die Ausbildung schließt dann – nach insgesamt zwei oder drei Jahren – wie bisher mit der bundesweit anerkannten öffentlich-rechtlichen Prüfung ab. Die Zeugnisse bleiben also bundesweit vergleichbar.
... verspricht vielfältige Vorteile
Dieser Reformvorschlag der IHKs bietet in vielerlei Hinsicht Vorteile:
Erstens kann er sofort umgesetzt werden, weil er an den bewährten Strukturen der dualen Ausbildung anknüpft. Änderungen des Berufsbildungsgesetzes sind – im Gegensatz zu konkurrierenden Reformvorschlägen – nicht erforderlich.
Zweitens trägt das Modell dazu bei, das System der Berufsschulen demographiefest zu machen. Durch die Bündelung der Ausbildung in der ersten Phase wird es trotz der stark rückläufigen Lehrlingszahlen weiterhin möglich sein, ein weit gespanntes Netz an Berufsschulen aufrechtzuerhalten und einen betriebsnahen Berufsschulunterricht zu gewährleisten.
Drittens bringt es für die Jugendlichen gegenüber dem status quo einen erheblichen Zuwachs an Flexibilität. Sie können in der zweiten Ausbildungsphase aus einem breiten Angebot profilgebender Kompetenzen auswählen, die ihren Neigungen und Berufswünschen entsprechen.
Viertens wird die duale Ausbildung für leistungsstarke Jugendliche attraktiver. Ihnen bietet sich künftig die Möglichkeit, schon während ihrer eigentlichen Ausbildung freiwillige Zusatzqualifikationen zu erlangen und dadurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
Fünftens eröffnet die Reform die Chance, die Berufsbilder grundlegend neu zu gestalten. Zurzeit sind die Ausbildungsordnungen oft überfrachtet, weil bei ihrer Modernisierung vielfach auf die alten Berufe aufgesattelt wurde. Zugleich kommen berufstypische Fachqualifikationen zu kurz. Das lässt sich jetzt durch eine zukunftsorientierte Festlegung der Ausbildungsinhalte heilen.
Sechstens bietet das Modell die Chance, Berufsbilder künftig schneller zu aktualisieren und an veränderte Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt anzupassen.
Siebtens ermöglicht es einen nahtlosen Übergang zur Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen. Die Absolventen können ihre Ausbildung nach dem Abschluss oder auch nach einer mehrjährigen Arbeitsphase durch Zusatzqualifikationen ergänzen, die unmittelbar mit dem Ausbildungssystem verzahnt sind und der Aufstiegsfortbildung dienen.
Aus all diesen Gründen gilt es, die Reform möglichst rasch in Angriff zu nehmen. Klar sein muss: Je weniger junge Menschen es hierzulande gibt, desto besser müssen wir sie ausbilden. Ansonsten werden wir im Wettbewerb der Regionen schon bald an Boden verlieren.
Derzeit absolvieren in Deutschland 60 Prozent eines Jahrgangs eine betriebliche Ausbildung in jeweils einem der rd. 400 Ausbildungsberufe. Insgesamt befinden sich 1,6 Millionen junge Menschen in einem dualen Ausbildungsgang. Das ist eine stattliche Zahl und ein entscheidender Beitrag dazu, die Position unserer Wirtschaft auf den Weltmärkten zu festigen.
Doch in einer Zeit des Wandels gilt auch für die Berufsausbildung: Stillstand ist Rückschritt. Denn wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen:
Die Globalisierung erzwingt tiefgreifende Anpassungsprozesse und ein höheres Innovationstempo. Das macht eine rasche Anpassung von Ausbildungs- und Studiengängen erforderlich.
Der demographische Wandel hat zur Folge, dass die erwerbsfähige Bevölkerung deutlich schrumpft und altert. Das bringt grundlegende Veränderungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt mit sich.
Und schließlich schläft auch die Konkurrenz nicht. Andere Länder investieren mehr und mehr in die Qualifizierung junger Menschen.
Die Konsequenz aus alledem: Wir müssen das duale System weiterentwickeln, wenn wir in der beruflichen Ausbildung weiter die Nase vorne haben wollen.
Auf den Erfolgen aufbauen!
Aufbauen können wir dabei auf den Erfolgen der vergangenen Jahre – darauf etwa, dass es gelungen ist, die Entwicklung neuer und die grundlegende Überarbeitung bereits existierender Berufsbilder deutlich zu beschleunigen. Immerhin wurden in den vergangenen zehn Jahren 71 neue Berufsbilder eingeführt. Das hat insbesondere der Informations- und Dienstleistungswirtschaft vielfältige neue Ausbildungsmöglichkeiten eröffnet. Im Saarland werden zurzeit jedes Jahr fast 500 junge Menschen in Berufen ausgebildet, die es vor zehn Jahren noch nicht gab.
Jetzt drängen uns die Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft und der demographische Wandel zu weiteren Reformen. Ab 2010 beginnt die Zahl der Schulabgänger zu sinken. In zehn Jahren liegt sie bereits um gut ein Fünftel unter dem heutigen Stand. Dann wird es einen wachsenden Wettbewerb von Unternehmen, Universitäten und Fachhochschulen um leistungsstarke Jugendliche geben. Um in diesem Wettbewerb zu bestehen gilt es, die duale Ausbildung so attraktiv wie möglich zu machen. Ansonsten wird sich der Fachkräftemangel unserer Wirtschaft auf dramatische Weise verschärfen.
IHK-Reformmodell...
Angesichts dieser Herausforderungen haben die IHKs jetzt ein Reformmodell „Dual mit Wahl“ erarbeitet, das die Vorzüge der dualen Ausbildung mit flexiblen Wahlmöglichkeiten verbindet. Danach soll sich die Ausbildungszeit künftig in zwei Abschnitte gliedern. In der ersten Phase, die je nach Beruf ein bis zwei Jahre dauert, geht es darum, die wichtigsten Kernkompetenzen einer Berufsgruppe – sprich einer Familie von Berufsbildern – zu vermitteln. Für verwandte Berufe (z. B. Luftverkehrskaufmann und Schifffahrtskaufmann) kann so ein Teil der Ausbildung inhaltlich gleich gestaltet werden, was einen überwiegend gemeinsamen Berufsschulunterricht ermöglicht. Der zweite Abschnitt dient dann der Spezialisierung. In ihm sollen die Jugendlichen genau das erlernen, was den einzelnen Beruf ausmacht. Der Luftverkehrskaufmann erwirbt Kenntnisse in der Fluggast- und Luftfrachtabfertigung, der Schifffahrtskaufmann in Seeverkehrslogistik und Befrachtung.
Für jeden Beruf gibt es in dieser zweiten Phase ein Paket an Modulen, das das gesamte Spektrum der berufstypischen Kompetenzen abdeckt. Der Ausbildungsbetrieb kann sich gemeinsam mit dem Auszubildenden aus diesem Paket eine auf seinen Bedarf zugeschnittene Auswahl treffen. Beispielsweise könnte beim Beruf des Immobilienkaufmanns zwischen den Modulen „Verkauf von Gewerbeimmobilien“ und „Verkauf von Privatimmobilien“ ausgewählt werden. Die Ausbildung schließt dann – nach insgesamt zwei oder drei Jahren – wie bisher mit der bundesweit anerkannten öffentlich-rechtlichen Prüfung ab. Die Zeugnisse bleiben also bundesweit vergleichbar.
... verspricht vielfältige Vorteile
Dieser Reformvorschlag der IHKs bietet in vielerlei Hinsicht Vorteile:
Erstens kann er sofort umgesetzt werden, weil er an den bewährten Strukturen der dualen Ausbildung anknüpft. Änderungen des Berufsbildungsgesetzes sind – im Gegensatz zu konkurrierenden Reformvorschlägen – nicht erforderlich.
Zweitens trägt das Modell dazu bei, das System der Berufsschulen demographiefest zu machen. Durch die Bündelung der Ausbildung in der ersten Phase wird es trotz der stark rückläufigen Lehrlingszahlen weiterhin möglich sein, ein weit gespanntes Netz an Berufsschulen aufrechtzuerhalten und einen betriebsnahen Berufsschulunterricht zu gewährleisten.
Drittens bringt es für die Jugendlichen gegenüber dem status quo einen erheblichen Zuwachs an Flexibilität. Sie können in der zweiten Ausbildungsphase aus einem breiten Angebot profilgebender Kompetenzen auswählen, die ihren Neigungen und Berufswünschen entsprechen.
Viertens wird die duale Ausbildung für leistungsstarke Jugendliche attraktiver. Ihnen bietet sich künftig die Möglichkeit, schon während ihrer eigentlichen Ausbildung freiwillige Zusatzqualifikationen zu erlangen und dadurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
Fünftens eröffnet die Reform die Chance, die Berufsbilder grundlegend neu zu gestalten. Zurzeit sind die Ausbildungsordnungen oft überfrachtet, weil bei ihrer Modernisierung vielfach auf die alten Berufe aufgesattelt wurde. Zugleich kommen berufstypische Fachqualifikationen zu kurz. Das lässt sich jetzt durch eine zukunftsorientierte Festlegung der Ausbildungsinhalte heilen.
Sechstens bietet das Modell die Chance, Berufsbilder künftig schneller zu aktualisieren und an veränderte Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt anzupassen.
Siebtens ermöglicht es einen nahtlosen Übergang zur Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen. Die Absolventen können ihre Ausbildung nach dem Abschluss oder auch nach einer mehrjährigen Arbeitsphase durch Zusatzqualifikationen ergänzen, die unmittelbar mit dem Ausbildungssystem verzahnt sind und der Aufstiegsfortbildung dienen.
Aus all diesen Gründen gilt es, die Reform möglichst rasch in Angriff zu nehmen. Klar sein muss: Je weniger junge Menschen es hierzulande gibt, desto besser müssen wir sie ausbilden. Ansonsten werden wir im Wettbewerb der Regionen schon bald an Boden verlieren.