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Effizienzoffensive im öffentlichen Dienst - Ohne grundlegende Strukturreformen wird es nicht gehen

Standpunkt
von Volker Giersch

01.02.2013

Zu den Themen, die unser Land in diesem Jahr am stärksten bewegen werden, gehört ganz sicher die Diskussion über den notwendigen Stellenabbau im öffentlichen Dienst. Die Landesregierung geht das Thema inzwischen offensiv an: Bis Ende des Jahrzehnts, so die gesteckte Zielmarke, will sie „mindestens 2.400 Stellen“ abbauen.

Der Zusatz „mindestens“ ist dabei dick zu unterstreichen. Erstens zeigt der Vergleich mit anderen Ländern, dass mehr möglich und zumutbar ist. Zweitens wird ein Minus von 2.400 Stellen selbst bei extrem günstiger Entwicklung der Steuereinnahmen kaum reichen, den Anstieg der Personalkosten so zu begrenzen, dass unser Land bis Ende des Jahrzehnts handlungs- und gestaltungsfähig bleibt. Und die natürliche Fluktuation lässt durchaus Spielraum für einen stärkeren Stellenabbau: Von den rund 24.000 Staatsdienern, die das Land derzeit beschäftigt, scheiden bis 2020 rund 6.000 altersbedingt aus.

Die Personalkosten bilden im Landeshaushalt den mit Abstand größten Kostenblock. Je stärker sie steigen, desto weniger bleibt für Investitionen, Hochschulen, Forschungsinstitute, Kultur oder Wirtschaftsförderung – sprich für die Zukunftsgestaltung des Landes. Es ist ein klassisches „Nullsummenspiel“: Denn die Schuldenbremse lässt bei den Gesamtausgaben keine Zuwächse mehr zu. Und die rasant steigenden Zins- und Pensionsausgaben engen den Gestaltungsspielraum zusätzlich ein. Für höhere Personalausgaben bleibt da kein Raum. Zwar kann erst eine erweiterte Finanzplanung, die bis 2020 reicht, verlässlich aufzeigen, wie viel Staatsdiener wir uns Ende des Jahrzehnts noch leisten können. Doch im Groben lässt sich bereits heute sagen: Das Land wird etwa in dem Maße Stellen streichen müssen, in dem die Vergütungen im Öffentlichen Dienst steigen.

Kostendämpfung muss über Stellenabbau erfolgen

Um den Stellenabbau gering zu halten, will das Land den Anstieg von Gehältern und Beamtensold eng begrenzen. In der mittelfristigen Finanzplanung ist ein jährlicher Anstieg von weniger als zwei Prozent unterstellt. Ob das auf einem Arbeitsmarkt, der mehr und mehr im Zeichen des Fachkräftemangels steht, realistisch ist, bleibt abzuwarten. Zweifel sind angebracht, denn die Spielräume für Kürzungen sind schon jetzt weitgehend ausgereizt. Bei ihren Bezügen mussten die Beamten bereits eine Nullrunde hinnehmen, die Eingangsbesoldung wurde abgesenkt und die Beihilfe eingeschränkt.

Eine generelle Abkopplung der Beamtenbesoldung von der allgemeinen Einkommensentwicklung hätte über kurz oder lang zur Folge, dass der Staat auf dem Arbeitsmarkt ins Abseits geriete; bei Ingenieuren und Technikern ist er schon heute kaum noch konkurrenzfähig. Gerade ein schlanker Staat braucht aber qualifizierte Fachkräfte. Das bedeutet: Der nötige Sparbeitrag muss ganz überwiegend über den Abbau von Stellen erbracht werden.

Bedauerlich ist, dass das Land in den Jamaika-Jahren hat noch nicht ernsthaft mit dem Stellenabbau begonnen hat. Im Gegenteil: Bis 2011 haben Land und Kommunen noch in beträchtlichem Umfang Personal aufgebaut. Beim Land (einschließlich Hochschulen) betrug der Zuwachs seit 2007 rund fünf, bei den Kommunen gar neun Prozent. Dies in einem Zeitraum, in dem die Bevölkerung um fast drei Prozent geschrumpft ist.

Dagegen hat die große Koalition gleich zu Beginn ein positives Signal gesetzt. Sie hat bei den „Häuptlingen“ – sprich bei Ministern und Staatssekretären – mit dem Sparen begonnen. Auch bei den Landesgesellschaften ist eine Restrukturierung vorgesehen, die mit der Straffung der Leitungsebene beginnen soll. Nur so kann es gelingen, Akzeptanz für den notwendigen Stellenabbau auf den Ebenen darunter zu schaffen.

Für Akzeptanz sorgen sollte im Übrigen auch, dass das Niveau, von dem der Stellenabbau nun erfolgen soll, inzwischen relativ hoch ist: Insgesamt beschäftigt der öffentliche Dienst im Saarland – Land, Kommunen und Kreise zusammengenommen – zurzeit rund 40.500 Mitarbeiter. Im Reigen der Bundesländer liegt das Land damit auf einem Platz im oberen Mittelfeld. Je Einwohner gerechnet arbeiten hierzulande rund fünf Prozent mehr Beamte und Angestellte als im Schnitt der Länder. Im Vergleich zum sparsamsten Bundesland Schleswig-Holstein beträgt der Überhang gar 15 Prozent. Anders gewendet: Hätten wir hierzulande den gleichen Personalbesatz wie das Land im Norden, kämen wir bei Land, Kreisen und Kommunen mit gut 5.200 Staatsdienern weniger aus. Und: Wer Schleswig-Holstein kennt, der weiß, dass dort keineswegs Notstand herrscht. Auch Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Hessen und Rheinland-Pfalz beschäftigen deutlich weniger Staatsdiener als das Saarland. Und all diese Länder werden weiter auf Kurs Stellenabbau bleiben müssen, weil die Schuldenbremse dazu zwingt.

Ins Bild gehört zudem, dass die Bevölkerung im weiteren Verlauf des Jahrzehnts kräftig sinkt – hierzulande um sechs Prozent gegenüber knapp zwei Prozent bundesweit. Selbst bei Einsparung von 2.400 Stellen würde das Land – je Einwohner gerechnet - am Ende des Jahrzehnts immer noch rund vier Prozent mehr Staatsdiener beschäftigen als im Jahr 2007. Auch das zeigt: Es gibt durchaus noch Spielraum nach unten.

An anderen Bundesländern orientieren

Wie hoch die Zielzahl für den Stellenabbau letzten Endes auch sein mag: Es wird nötig sein, den Stellenabbau durch Strukturreformen zu flankieren. Was bei der Polizei bereits vereinbart wurde, ist auch bei Gerichten, Justizvollzugsanstalten oder Finanzbehörden möglich und geboten. Zudem gilt es, das Leistungsangebot des Landes im Sinne einer grundlegenden Aufgabenkritik umfassend zu hinterfragen. Nicht alle Leistungen, die in guten Zeiten wünschenswert und finanzierbar waren, sind in Zeiten knapper Kassen noch zwingend erforderlich. Zu sondieren ist nicht zuletzt auch, welche Einsparungen sich durch eine noch engere Kooperation mit unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz realisieren lassen. All das steht bereits auf der Agenda der Landesregierung und ist jetzt zügig abzuarbeiten. Die Ministerpräsidentin hat kürzlich gesagt: „Wir müssen alle Bereiche einer Aufgabenkritik unterziehen und uns dabei an dem Bundesland orientieren, das die Benchmark bildet.“ Und dem ist voll und ganz zuzustimmen.

Was die Länder übergreifende Kooperation betrifft, lohnt ein Blick nach Berlin und Brandenburg, wo ja einst gar eine Fusion geplant war. Dort gibt es u. a. bereits gemeinsame Fach-Obergerichte, ein zentrales Mahngericht, ein gemeinsames Amt für Statistik, ein gemeinsames Landesamt für Mess- und Eichwesen, eine gemeinsame Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst und auch eine abgestimmte Krankenhausplanung. Solche Kooperationen helfen, Synergien zu nutzen und Kosten einzusparen. Sie können wirksam dazu beitragen, den Spielraum für eigenständiges Handeln auf anderen Gebieten zu vergrößern. Deshalb sind sie nicht – wie bisweilen behauptet – der Anfang vom Ende der Eigenständigkeit, sondern ganz im Gegenteil die Voraussetzung, diese zu sichern.

Im Raum steht schließlich noch die Frage, ob ein kleines Land wie das Saarland nicht ganz auf die Ebene der Landkreise verzichten kann. Dazu wäre zwar wohl eine Grundgesetzänderung nötig. Doch mit welchen Argumenten sollte man uns die verwehren. Und: Würde nicht bereits ein entsprechender Änderungsantrag in Richtung Bundestag eine Medienresonanz auslösen, die unserem Image zugute käme?

Alternativ wäre auch denkbar, die fünf Kreise und den Regionalverband nach der Formel „aus sechs mach eins“ zu einem einzigen Kreis zu verschmelzen. Das Einsparpotenzial wäre dann allerdings wohl um Einiges geringer als beim vollständigen Wegfall der Kreis-Ebene. Positiv ist jedenfalls, dass das Hesse-Gutachten für die Stadt Saarbrücken die Diskussion neu belebt hat. Vorgeschlagen wird dort, die Doppelstruktur Landeshauptstadt/ Regionalverband abzuschaffen und stattdessen einen Stadtkreis zu bilden – schon dies wäre ein Fortschritt gegenüber dem Status quo.

Strukturen schaffen, die auf die Kleinheit des Landes zugeschnitten sind

Auch weitergehende Strukturreformen sind denkbar. Stellen wir uns einfach einmal vor, wir könnten bei null anfangen. Würden wir uns dann für eine dreistufige Verwaltungsstruktur mit Landesregierung, sechs Kreisen und 52 Kommunen entscheiden? Oder würden wir uns nicht vielmehr an den strafferen Strukturen der Stadtstaaten orientieren? Hamburg und Berlin etwa haben deutlich mehr Einwohner als das Saarland und kommen ohne mittlere Verwaltungsebene aus: Unterhalb des Senats, der vergleichbar ist mit unserer Landesregierung, existiert dort nur noch die Ebene der Stadtbezirke. In Berlin gibt es davon zwölf, in Hamburg sieben, wobei diese Bezirke weniger Kompetenzen haben als die Kommunen hierzulande. Übertragen auf das Saarland würde eine Stadtstaat-Struktur bedeuten: Es gäbe unterhalb der Landesregierung, die gegenüber heute erweiterte Kompetenzen hätte, dann nur noch die Ebene von sechs Großgemeinden.

Gewiss ist das kaum mehr als ein theoretisches Gedankenspiel – doch eines, das Charme hat: Denn eine entsprechende Reform könnte beträchtliche Spielräume schaffen für eine noch schlankere Verwaltung und für noch kürzere Entscheidungswege. Und vor allem: Die Landesregierung könnte mit erweiterten Zuständigkeiten eine Infrastrukturplanung durchsetzen, die sich am absehbaren Bedarf der Bevölkerung orientiert. Wie jeder sehen kann, haben sich die aktuellen Strukturen hier als weitgehend untauglich erwiesen: Es ist nicht einmal ansatzweise gelungen, die riesigen Überkapazitäten im Bereich von Bädern, Hallen und Sportstätten auch nur teilweise abzubauen und die anfallenden Defizite dadurch einzudämmen. Ein struktureller Reformbedarf ist auch deshalb unabweisbar.

Reformen, die ähnlich tief greifen, werden sich hierzulande auf absehbare Zeit wohl nicht durchsetzen lassen. Zu viele Individualinteressen stehen dagegen. Doch ohne schmerzliche Veränderungen wird es kaum gehen. Wir brauchen noch in diesem Jahrzehnt Verwaltungsstrukturen, die stärker als die jetzigen auf die Kleinheit des Landes zugeschnitten sind. Bleibt zu hoffen, dass die große Koalition die nötige Kraft dazu hat. Denn die Sparzwänge wachsen von Jahr zu Jahr. Und die Zeit drängt. Entweder wir schaffen es, bei der Effizienz der öffentlichen Verwaltung bald eine Spitzenstellung unter den Bundesländern zu erreichen. Oder unser Land wird selbst Gegenstand einer noch größeren Strukturreform – der Eingliederung in einen Südweststaat.