Eine Vision - Entfesselte Schulen
Von Volker Giersch Kommentar
01.06.2002
Eine Dokumentation, die die IHK Saarland kürzlich vorgelegt hat, beschreibt den Erfolgsweg. Die Schulen haben im Saarland den Freiraum, sich wie mittelständische Dienstleistungsunternehmen zu verhalten, und machen davon regen Gebrauch. Es liegt in ihrer Verantwortung, wie viel Geld sie für Gebäude, Einrichtungen, technische Hilfsmittel und Personal ausgeben. Und sie legen fest, welchen Fächerkanon sie jenseits der vorgeschriebenen Kernfächer anbieten und mit welchen pädagogischen Konzepten sie ihren Schülern Fähigkeiten, Wissen und Können vermitteln. Kurzum: Sie entwickeln eigenständige Leistungsprofile.
In ihre Gestaltungskompetenz fällt es auch zu entscheiden, mit welchen Lehrern sie arbeiten wollen und mit welchen Leistungsanreizen sie diese motivieren. Gemeinsam mit den Eltern legen sie fest, welche Sanktionsmöglichkeiten sie den Lehrern an die Hand geben, um Schüler zur Disziplin zu rufen.
Die Schulen kosten unser Land heute nicht mehr als vor zehn Jahren. Das Finanzierungssystem ist einfach, aber qualitätsfördernd. Jede Schule – gleich ob staatlich oder privat - erhält vom Staat pro Schüler eine fest definierte finanzielle Zuwendung, die je nach Schulart und Klassenstufe unterschiedlich hoch ist. Die Zuwendungen sind so berechnet, dass sie eine kostendeckende Finanzierung der Schulen ermöglichen. Nur wenige Schulen machen von der Möglichkeit Gebrauch, Schulgeld zu erheben, um zusätzliche Leistungen anbieten zu können.
Schulen in sozialen Brennpunkten gewährt das Land Sonderzuweisungen. Damit werden gezielte Angebote zur Integration ausländischer Schüler, zur psychologischen Betreuung der Schüler und zur Förderung lernschwächerer Schüler finanziert.
Es gibt einen offenen und fairen Wettbewerb zwischen Schulen in staatlicher und in privater Trägerschaft. Die Eltern können frei entscheiden, auf welche Schule sie ihr Kind schicken. Die Schulen müssen jeden Schüler annehmen. Bei weiterführenden Schulen gibt es eindeutig definierte Zugangskriterien.
Sehr bewährt hat sich die Einführung von landesweit einheitlichen Leistungstests, die mindestens einmal jährlich in jedem Schuljahr durchgeführt werden. Die Festlegung der Leistungsstandards, die in den Tests überprüft werden, obliegt dem Bildungsministerium, das sich dabei auf den Rat von externen Experten stützt. Die Ergebnisse der Tests werden differenziert nach Schultypen, Schulen und Schulklassen veröffentlicht. Das schafft Transparenz für Eltern, Schulen und den Staat.
Erstaunlich ist, was der Wandel hin zu diesem System bewirkt hat:
- Die Schulen bemühen sich seither stärker um Schüler und Eltern. Sie haben ein vitales Interesse daran, diese von ihrer Leistungsfähigkeit zu überzeugen und zu zufriedenen Kunden zu machen. Sie beziehen deshalb ganz selbstverständlich die Eltern in alle wichtigen Entscheidungen mit ein.
- Der Schulleiter – der vielfach kein Lehrer ist – und die Lehrer verstehen sich als Team. Sie haben ja das gemeinsame Ziel, möglichst viele Eltern und deren Kinder als Kunden zu gewinnen. Und sie wissen wie jedes mittelständische Unternehmen auch: Dies kann nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen.
- Lehrer und Eltern bilden eine natürliche Allianz. Sie betrachten es als gemeinsames Anliegen, die Talente der Kinder bestmöglich zu fördern und sprechen gemeinsam ab, wie das am besten zu erreichen ist. Das war bekanntlich nicht immer so. Der Lehrerberuf ist heute wieder ein angesehener Beruf. Der Anteil, der Lehrer, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand wechseln, ist deutlich zurückgegangen. Lehrer sein macht wieder Spaß.
- Die Eltern engagieren sich weitaus stärker als früher an „ ihrer“ Schule, die sie ja bewusst ausgewählt haben und deren Profil und „Corporate Identity“ sie aktiv mitgestalten. Die meisten Schulen bieten inzwischen eine Ganztagsbetreuung an – mit Stützkursen für schwächere Schüler und Förderkursen für besonders Begabte.
- Im Ergebnis gibt es einen lebhaften Wettbewerb um die besten pädagogischen Konzepte und die attraktivsten Schulprofile. Die erfolgreichen Schulen wachsen, die weniger erfolgreichen schrumpfen oder scheiden ganz aus dem Markt aus. Die Kunden – sprich die Eltern und Schüler – steuern also letztlich das Angebot.
- Immer mehr Schulen gelingt es, Eltern und Unternehmen als Sponsoren zu gewinnen. Diese sind stolz darauf, eine Schule zu unterstützen und mitzugestalten, die zu den besten in Deutschland zählt. Den Unterschied zu früher erkennt man bereits auf den ersten Blick: am äußeren Erscheinungsbild der Schulgebäude, aber auch an den vorbildlich ausgestatteten Klassenräumen – ein Umfeld, in dem es Freude macht zu lehren und zu lernen.
- Die Schüler haben nicht nur mehr Freude am Lernen und am Lernerfolg – sie lassen sich auch von der Unternehmensphilosophie und dem Schwung in ihren Schulen anstecken. Der Anteil derjenigen, die als Berufsziel 'Unternehmer' angeben, hat sich in wenigen Jahren verdoppelt.