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Erst die Lohnnebenkosten senken

IHK Vizepräsident Rolf Schneider zur Diskussion über eine
Erhöhung der Mehrwertsteuer
Kolumne

01.08.2005

'So ein ehrliches Programm hat es lange nicht gegeben', verkündete Angela Merkel, als sie mit Edmund Stoiber das Wahlprogramm der Unionsparteien vorstellte. Gemünzt war diese Bemerkung vor allem auf die Ankündigung, im Falle eines Wahlsieges die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent zu erhöhen. Die aus dieser Quelle zusätzlich sprudelnden Steuereinnahmen sollen für eine Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent genutzt werden. Zudem soll ein Teil der Mehreinnahmen auch in die klammen Länderhaushalte fließen.

Das ist in der Tat ein ehrliches und - angesichts von 20 Millionen wahlberechtigten Rentnern, die nicht von den niedrigeren Sozialbeiträgen profitieren - fast schon ein übermütiges Programm. Doch was ist davon mit Blick auf Wachstum und Beschäftigung zu halten?

Es ist volkswirtschaftlich vernünftig, jene Bereiche der Sozialversicherung, in denen zwischen den Leistungen und den lohnabhängigen Beiträgen ein nur loser Zusammenhang besteht, verstärkt über Steuern zu finanzieren. Insofern ist die Idee zu begrüßen, zur Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Denn unter bestimmten Voraussetzungen können hiervon positive Wachstumsimpulse ausgehen.

Eine erste Bedingung dafür ist, dass die Senkung der Lohnnebenkosten der Steuererhöhung zeitlich vorangeht. Um bei den Konsumenten Vertrauen zu schaffen, sollte die Mehrwertsteuer sogar erst mit einem gehörigem Abstand zur Senkung der Lohnnebenkosten erhöht werden.

Mindestens ebenso wichtig ist zweitens, dass die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer in vollem Umfang zur Senkung der Arbeitskosten eingesetzt werden. Eine auch nur teilweise Verwendung zur Haushaltssanierung schadet der Glaubwürdigkeit und verringert den politischen Konsolidierungsdruck.

Gemessen an diesen Bedingungen geht der Unionsvorschlag nicht weit genug. Zumindest in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation ist es mehr als fraglich, ob die damit verbundenen Hoffnungen auf eine Beschleunigung des Wachstums in Erfüllung gehen. Denn angesichts der anhaltenden Kaufzurückhaltung der Konsumenten werden die Unternehmen den höheren Mehrwertsteuersatz kaum voll an die Kunden weiterreichen können. Die Belastung bleibt folglich bei den Unternehmen – vor allem im Handel - hängen und drückt dort auf die Gewinne und belastet somit Investitionen und Beschäftigung.

Zeit ist reif für ein flat-tax

Wenig ermutigend sind auch die Vorhaben der Union in der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Spätestens mit ihrem Wahlprogramm hat sie den Merzschen Bierdeckel einkassiert. Die große Steuer- und Strukturreform, wie sie Friedrich Merz konzipiert und vom Leipziger Parteitag der CDU 2003 beschlossen wurde, findet jedenfalls vorläufig nicht statt.

Die zaghafte Senkung der Steuersätze in der Einkommensteuer auf zwölf Prozent im Eingangsbereich und 39 Prozent in der Spitze ist ebenso wenig ein Aufbruchsignal wie die Verringerung des Körperschaftsteuersatzes auf 22 Prozent. Der Ruck, den die weitgehend identischen Petersberger Beschlüsse mit einem Spitzensatz von 39 Prozent in den 90er Jahren hätten auslösen können, wird heute in einem international völlig veränderten Umfeld nicht kommen. Die Zeit ist reif für eine flat-tax á la Kirchhof mit einem 25 Prozent-Steuertarif. Nur so ist eine echte Vereinfachung und rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung möglich.