Folge 6: Führung, Wandel und Resilienz: Inspiration aus dem Telekom-Vorstand
Frank Thomé im Gespräch mit Ferri Abolhassan
Thomé: Ja, heute habe ich einen ganz besonderen Gast bei meinem Podcast zu Besuch. Er ist einer der bekanntesten deutschen IT-Manager, Autor zahlreicher Publikationen in diesem Bereich. Die Stationen seiner Karriere sind beeindruckend. Siemens, IBM, SAP, IDS Share, wieder SAP und ab 2008 verschiedene Management-Positionen innerhalb des Telekom-Konzerns.
Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist er Mitglied im Gesamtvorstand der Deutschen Telekom und das erfüllt uns als Saarländer mit Stolz, denn auch er ist Saarländer mit Leib und Seele und sogar offizieller Saarland-Botschafter. Neben seinem Hauptberuf ist er in zahlreichen Ehrenämtern engagiert, so zum Beispiel als Aufsichtsratsvorsitzender des DFKI, Senator der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, als Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und des Kuratoriums des Max-Planck-Instituts für Informatik.
Er ist in der Atlantikbrücke aktiv, in vielen weiteren Funktionen. Alles Aktivitäten, die locker mehrere Karrieren und Lebensläufe füllen könnten. Ich weiß nicht, wie er das alles in einen einzigen gepackt hat. Er wird es uns gleich verraten. Ich bin schon sehr gespannt und freue mich sehr auf das Gespräch mit Ferri Abolhassan. Herzlich willkommen zum Deep Dive Wirtschaft.
Abolhassan:Hallo. Dankeschön, dass wir uns unterhalten.
Thomé:Herr Dr. Abolhassan, was treibt Sie eigentlich persönlich an, um kontinuierlich solche Spitzenleistungen zu erbringen, sich in so vielen Bereichen zu engagieren?
Abolhassan: Erstmal ist das immer wieder für mich selbst erstaunlich, wenn man das so runter liest. Ich bin mir all diese Aufgaben nicht immer ganz so bewusst, wenn ich ehrlich bin. Und das erklärt vielleicht auch so ein bisschen den Antrieb. Also ich habe auch nie auf Positionen geschaut, sondern ich wollte immer Dinge gut machen. Ich bin ja von Haus aus Informatiker und die sind ähnlich wie die Ingenieure immer Dinge am Bauen und die wollen Dinge auch immer fertig haben. Das ist so ein bisschen was mich treibt, etwas was man mir gibt, fertig machen, komplett machen.
Der Jürgen Klopp hat mal gesagt “Ich möchte Liverpool im besten Zustand verlassen.” Das drückt es ein bisschen aus. Und vielleicht noch letzter Punkt, der korrespondiert vielleicht gerade mit der vielen Presseberichterstattung über die Babyboomer in den letzten Tagen: Das hat mich selbst erstaunt. Und ich war mir selbst gar nicht bewusst, dass ich also zu dieser Klasse der Babyboomer gehöre, aber denen sagt man nach und das meint man gar nicht immer unbedingt positiv, dass sie durch den Wettbewerb, also die geburtenstarke Jahrgänge, viele eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und eine hohe Berufsmoral hätten. Das sag nicht ich, sondern das kam im Spiegel, das kam in der Bild und vielen anderen Publikationen. Dadurch habe ich selber erstmal nachgedacht und ich glaube, da ist auch vielleicht ein bisschen was dran. Also mich treibt zum einen an, Dinge zu einem guten Status bringen zu wollen, aber auch in Summe eine gewisse Wettbewerbsfähigkeit und eine gewisse Berufsmoral, das würde ich schon sagen.
Thomé: Jetzt haben Sie in Ihrer Karriere viele Top-Positionen begleitet und auch in früheren Funktionen schon über 30.000 Mitarbeitende geleitet. Was hat sich für Sie ganz konkret zum 1. Januar 2024 verändert, als Sie in den Gesamtvorstand der Deutschen Telekom AG aufgerückt sind? Der Terminkalender war ja wahrscheinlich auch vorher schon gut gefüllt.
Abolhassan: Also es war gar nicht mal so der Schritt jetzt im Sinne der Hierarchie, sondern eher nochmal eine neue Aufgabe übernommen zu haben. Ich hatte ja die letzten acht Jahre mich darum gekümmert, dass der Service der Telekom sich zu einem guten Standard der Industrie entwickelt und das hat mich auch die letzten Jahre gut beschäftigt und jetzt seit Januar beschäftige ich mich eben mit vielen, vielen Kollegen damit, wie kriegen wir die T-Systems zu einem differenzierenden, guten Marktwettbewerber und das ist eigentlich so das Hauptthema. Dazu muss ich mich nochmal, auch wenn ich früher schon mal bei der T-Systems war, neu eindenken, mit vielen Kunden reden, mit vielen Mitarbeitern reden. Das prägt den Terminkalender.
Natürlich ist auch das Thema, dass man als Telekom-Vorstand auch für das Gesamtunternehmen mitverantwortlich sind, etwas, was auch den Kalender oder die
Zeit prägt. Aber am Ende ist es das Ziel die T-Systems gut zu machen. Das ist das, was mich prägt.
Thomé: Ich würde gleich nochmal auf Telekom, T-Systems zurückkommen. Erst nochmal kurz persönlich. Wer sich beispielsweise auch ihre Social Media Posts anschaut, der merkt schnell, dass sie viel reisender sind. International unterwegs. Sie waren, glaube ich, die letzten Tage auch in Brasilien unterwegs. Frage, bleibt da noch genügend Zeit für ein Privatleben? Was bedeutet für Sie persönlich die viel zitierte
Work-Life-Balance?
Abolhassan: Also “Work-Life-Balance” heißt ja schon mal, dass man so ein bisschen unterscheidet, was jetzt “Work” und was jetzt “Life” ist. Das tue ich eigentlich gar nicht. Also auch wenn ich jetzt in Brasilien war, war ich bei den Mitarbeitern, war ich bei Kunden, da war auch viel coole Zeit dabei, wo wir jetzt wirklich nicht in einem Meetingraum waren, sondern haben Beach-Tennis gespielt oder neulich war ich in Indien, da haben wir Cricket gespielt. Da ist ja auch ganz viel Socializing dabei. Es ist ganz viel dabei, wo wir abends mit den Menschen essen gehen oder auch mal was trinken. Da tue ich mir jetzt schwer zu sortieren, was davon jetzt “life” und was ist “work”. Ich glaube, das geht schon sehr stark ineinander über. Ich bin auch kein Freund dieser Stereotypisierung von “work” and “life” und das zu balancieren. Es ist, glaube ich, wichtig, dass man auf sich selbst schaut und auch immer nochmal kalibriert. Wo kriegt man die Energie her? Also ich bin auch jemand, der in Mitarbeitergesprächen, Mitarbeiterbesuchen auch Energie kriegt. Das gibt mir Energie. Natürlich ist auch eine Interkonti-Reise 10.000 Meter hoch, belastend. Das ist Sauerstoffarmut, Diesel, jenes.
Also das ist natürlich auch nichts, wo man Energie bekommt. Aber ich gehe dann am nächsten Tag mal länger Rad fahren. Zum Beispiel nach der Brasilien Reise. Da haben alle gesagt, das kann doch nicht sein Ernst sein, der kommt aus dem Flieger, geht direkt aufs Rad und fährt dann an den Stockweiher, aber mich bringt das dann runter und so habe ich das Wochenende dann am Stockweiher verbracht, den kennt ja jetzt auch jeder hier im Saarland. Das ist für mich auch so ein Idyll, wo ich auch nochmal Kraft tanke. Also lange Rede, kurzer Sinn. Man muss auf sich selbst aufpassen. Wo kriegt man Energie her? Wie geht man mit seiner Energie um? Wie macht man Sport? Wie isst man? Wie schläft man? Und dann ist der Rest für mich nicht wirklich eine Unterscheidung zwischen “Work” and “Life”, sondern es ist alles “Life”. Und für mich ist die Arbeit genauso wie Freunde, genauso wie Sport “Life” und ich schaue, dass ich das alles balanciert nebenher mache.
Thomé: Das ist eine sehr gesunde Einstellung und ich meine, das strahlen Sie auch aus. Leidenschaft mit jeder Pore und es muss einem auch Spaß machen. Das merkt man bei Ihnen sehr. Jetzt ist natürlich so eine Karriere, wie Sie sie gemacht haben, ja nicht einfach so aus dem Nichts auf Sie herab gefallen oder war in irgendeiner Form
vorbestimmt. Ich glaube, da stecken auch immer persönliche Eigenschaften dahinter, die Grundlage Ihres Erfolges sind. Was würden Sie sagen, ist so da Ihre Top-Eigenschaft, die Sie zu dem gemacht hat, was Sie heute sind?
Abolhassan:Also ich glaube schon, dass ich konsequent bin, sehr zielorientiert. Damit meine ich jetzt nicht Ehrgeiz im Sinne persönlicher Ziele, sondern etwas gut machen und so lange verfolgen, bis es gut ist, nach tatsächlich objektiv messbaren Kriterien. Und das ist am Ende, wofür ich versuche, mein Umfeld, meine Teams, die Menschen zu begeistern. Das können sie ja sowieso nie alleine schaffen. Also wäre dies meines Erachtens eine zweite Fähigkeit.
Immer wieder Teams gebaut zu haben, die das mit mir gut machen. Ich glaube, das ist
so am Ende, wenn ich mal zurück gucke und auch das, was ich am meisten am Tag mache, befasse ich mich damit, wie kann ich unser Team nochmal verbessern, wie kann ich das Team so ergänzen, wie kann ich uns so zu einem Team zusammenbringen, dass wir eben die nächste Stufe, auch die nächste Ambition schaffen. Also diese zwei Dinge, selbst eine klare Zielorientierung, auch eine hohe Strukturfähigkeit, das zu schaffen, aber auf der anderen Seite auch ein gutes Gefühl für gute Leute und ein gutes Gefühl dafür, die zu begeistern, zu einem Team zusammenzubringen und mit denen das dann
zu schaffen.
Thomé: Stichwort Team. Jetzt haben Sie ja im Laufe Ihrer Karriere große Teams und Unternehmensbereiche geführt. Wie würden Sie Ihren eigenen Führungsstil beschreiben und wie hat er sich vielleicht im Laufe der Jahre auch verändert?
Abolhassan:Ja, der verändert sich jeden Tag nochmal. Einfach dadurch, dass man mit Menschen umgeht, ist das ja eine Frage von Aktion und Reaktion. Also nicht alle Menschen wollen gleich angesprochen oder geführt werden. Und über die Jahre hat sich auch die Art, wie Menschen angesprochen und geführt werden wollen, massiv verändert. Ich glaube, dass wir übrigens jetzt gerade wieder an einem Punkt sind, wo sich das nochmal ändert. Deutschland steht nochmal mehr im Wettbewerb. Ich glaube, dass auch die Themen, die uns bis hierher geführt haben, nicht mehr die Themen sind, auch was Führung angeht, die uns von hier auf die nächste Stufe bringen. Ich glaube, die Themen, die uns bis hierher gebracht haben, war das Team in seiner Gänze zu begreifen, auch Diversität zu nutzen.
Davon bin ich 100 Prozent überzeugt. Also damit meine ich nicht tatsächlich nur die Frauenquote alleine, sondern damit meine ich tatsächlich die diversen Charaktere von Introvert bis Extrovert, Frauen, Männer, Jung, Alt, verschiedene Nationalitäten, damit verschiedene Aspekte auch von Denkweisen und Denkkulturen. Das ist etwas, was ich sehr stark betreibe, an das ich sehr stark glaube und was uns bisher auch weit gebracht hat. Ich glaube, dass, wo wir gerade als Gesellschaft, als Deutschland und damit aber auch die Unternehmen jetzt in den nächsten Schritt nochmal erarbeiten müssen, ist nochmal ein stärkeres Maß an Performance-Orientierung. Ich glaube, dass wir über die Frage im “How”, wie wir als Team zusammenarbeiten wollen, viel gelernt, viel gemacht haben, wir aber jetzt auch nochmal das “What” für uns begreifen müssen. Ich ziehe da mal Parallelen vom Sport im Medaillenspiegel. Ich glaube, es ist gut, dass wir nicht dopen. Ich glaube, es ist gut, dass wir einen sauberen Sport versuchen zu betreiben, aber ich glaube, es ist nicht gut, dass wir im Medaillenspiegel irgendwo von 1, 2, 3 jetzt auf 10 abgerutscht sind und ich glaube, das hat auch damit zu tun, wie konsequent die Dinge vorangetrieben werden. Und zuletzt, wie würde ich glauben, dass ich selbst führe? Das war ja auch eine Ihrer Fragen.
Erstens müssen Sie da meine Mitarbeiter und Kollegen und Kollegen fragen. Ich glaube, das, was mich stolz macht, ist, dass viele Menschen über ganz lange Zeit mit mir zusammen verschiedene Positionen erfüllt haben. Die sie mit mir durch verschiedene Firmen und mit mir durch verschiedene Positionen gegangen sind, also scheint da irgendwo eine engere Beziehung und eine gewachsene Beziehung zu sein und das ist auch etwas an was ich glaube. Ich glaube, dass eine gute Mitarbeiterbeziehung auch auf Loyalität in gegenseitigem Maße fußt, dass man tatsächlich für seine Leute und hinter seinen Leuten steht, spüren die Mitarbeiter insbesondere dann, wenn Dinge mal in raues Fahrwasser geraten. Raues Fahrwasser ist, glaube ich, das, was man von mir sagen würde, dass ich dort das Schiff auch im rauen Fahrwasser gut halten kann, vielleicht dort auch einen klaren, manchmal für den einen oder anderen auch gegebenenfalls rauen Ton anwende. Aber ich glaube, dass am Ende für die Menschen das Entscheidende ist, ob ein Chef tatsächlich für einen kämpft und für einen steht.
Diese Loyalität, ich glaube, ist etwas, was mich ausmacht.
Thomé: Da würde ich gerne kurz einhaken. Sie hatten gerade auch raues Fahrwasser mal angesprochen. Was würden Sie sagen, mal ein konkretes Beispiel, was ist die größte Herausforderung gewesen, die Sie in Ihren Führungsrollen begegnet sind, gerade bei so
einer großen Organisation wie T-Systems und der Deutsche Telekom?
Abolhassan: Also das ist eigentlich so, dass mir in den letzten Jahren schwierige Aufgaben immer leichter gefallen sind, aber auch daher, dass man verstanden hat, Teams zu bauen, die dafür auch gemacht sind. Ich glaube, es ist immer schwierig, ein
raues Fahrwasser, in das wir übrigens ja als Wirtschaftsunternehmen alle durch die
Weltwirtschaft auch immer wieder mal getrieben werden und im Moment ist es sicherlich eine besonders herausfordernde Situation. Dass wir das angehen müssen mit einem Team, was vielleicht diese Art von Umgebung noch nicht gewohnt ist. Wenn Sie dieses Team darauf formen können oder auch darauf trainieren können, fällt es immer etwas leichter. Jetzt ist es nun mal eben auch manchmal so, dass Sie neue Aufgaben übernehmen, wo das Team dafür noch nicht so vorbereitet ist. Und das ist benötigt dann die Erfahrung, in dem Fall meine Erfahrung über die letzten Jahre. Ich habe fünf große Transformationen, die alle so etwa acht Jahre gedauert haben, begonnen. Da werden Sie erfahrener. Sie kriegen also eine etwas größere Erfahrung und größere Gelassenheit auch in der Erkenntnis, wann ein Team die Fitness hat, die es braucht. Das ist vergleichbar im Fußball damit, wenn man zum Beispiel Trainer bei Bayern München ist, wenn schon in der ersten Saison eine hohe Erwartungshaltung da ist. Dann ist es so, dass man überlegt, wo man tatsächlich im ersten Jahr schon erfolgreich sein kann und man an der anderen Ecke ganz klares Erwartungsmanagement macht, dass Sie das Team erstmal dahin bringen müssen. Und diese Erfahrung, die kriegen Sie auf Dauer dann irgendwo als Trainer auch die Glaubwürdigkeit, dass Sie das jetzt nicht als Ausrede tun, sondern dass das eben tatsächlich dann eine Zeit braucht. Beides kommt zusammen und beides erlaubt Ihnen dann auch, das Team eine Zeit lang auf diese Mission erstmal vorzubereiten, in gewisser Weise auch zu schützen. Das können sie aber nicht dauerhaft. Und klar muss auch sein, dass Sie von Beginn an dem Team sagen, wo es sein muss ab einem gewissen Zeitpunkt. Und wo dann auch gegebenenfalls irgendwo ein gewisser, ich sag mal, Welpenschutz auch nicht mehr gegeben werden kann.
Thomé:Herr Abolhassan, jetzt haben Sie von verschiedenen Transformationen gesprochen. Geben Sie gerne mal ein konkretes Beispiel. Da ist ja jetzt nicht immer jeder total happy und weiß sofort, in welche Richtung er läuft. Gerade wenn es darum geht, noch eine stärkere Service-DNA auch an den Tag zu legen und auch auf den Kunden zu hören, was er eigentlich will. Wie sind Sie damit umgegangen?
Abolhassan: Sie sprechen jetzt von der Situation, wo wir vor 2016 damit konfrontiert waren, dass die gesamte Bundesrepublik im Prinzip Mitglied im Club der Telekom-Hater war. Es gab ja dafür auch entsprechende Use Groups und auch Foren etc. pp. Und heute gewinnen wir einen Servicepreis nach dem anderen, werden auch als Service-König offiziell ausgezeichnet. Ja, es gibt immer noch viel zu verbessern. Ich sage das gleich für diejenigen, die jetzt dann zuhören und sagen, naja, also so doll ist es dann auf der anderen Seite auch nicht. Da kann ich nur nochmal zurückerinnern, vor acht Jahren hatten wir geplatzte Termine von Technikern ohne Ende. Wir hatten Beschwerderate von über sechs Millionen pro Jahr. Da wir heute um ein Vielfaches unter einem Prozent der damaligen Summe bei etwa 150 Millionen Kundenkontakten pro Jahr. Wenn Sie damals mit dem Team gesprochen haben, 36.000 Menschen waren das, über die verschiedenen Kanäle, von dem Außendiensttechniker bis hin zu vorne dem Shop-Mitarbeiter oder auch dem Innendienstmitarbeiter in den Service-Centern etc. pp., dann war das ja nicht deren eigenes Bild. Also die sind ja nicht in der Auffassung gewesen, ich bin jetzt der, an dem es liegt, dass Telekom eine Service-Wüste war oder ist, sondern jeder Einzelne hatte ja für sich das Gefühl, er macht das Beste, was er kann.
Da sind mehrere Erkenntnisse drin. Zum einen war sicherlich auch die Frage des Prozesses, wie man viele Menschen entlang dieser Kette so sortiert, dass am Schluss ein gutes Gesamtkunstwerk für den Kunden rauskommt. Etwas, was zu verbessern war.
Aber es galt natürlich auch beispielsweise zu überlegen, warum diese Gesamtkette unterteilt in so viele Einzelschritte war. Also wenn Sie heute ein bestimmtes Thema, was man beherrschen muss und Ihnen als Kunden tatsächlich einen guten Service zu bieten, will, müssen Sie wissen, wie ein Router innen aufgebaut ist, wissen Sie, wie das Heimnetzwerk des Kunden aufgebaut ist, wissen Sie, wie ein Kupfernetz oder jetzt ein Glasfasernetz funktioniert. Wenn Sie das alles zusammentragen, dann ist das eine Materie, die reicht von Physik, über Endgerätemanagement, über Marketing, über Preistarif etc. Das ist schon ein sehr heterogenes, und auch ein sehr breites und tiefes, als auch breites Feld. Es könnten und haben damals auch die Mitarbeiter gesagt, ich kann das ja nicht alles alleine beherrschen.
Das ist viel zu viel Wissen, das alleine kann ich nicht. Ich glaube aber, genau darin lag genau der Witz zu sagen, wenn ich das jetzt unterteile auf zehn Köpfe und sage, du gehst zum ersten Teil des Problems, du zum zweiten, zum dritten oder vierten, dann kommt und kam genau das raus, was vor Kunde sich widergespiegelt hat, nämlich eine Odyssee, weil der erste gesagt hat: “Lieber Kunde, ich kann dir bis hierhin weiterhelfen, ab dann muss mein Kollege weitermache.”. Und dann hinzugehen und zu sagen, wir können es den Kunden wirklich vermitteln vom tatsächlichen Ausbildungsprozess, aber auch zumuten von der Erwartungshaltung, dass er diesen ganzen Prozess beherrscht, ist nicht trivial. Das ist etwas, was heute in der Industrie genau anders gemacht wird. Also heute glaubt man an die Spezialisierung und an den aus meiner Sicht aus der Mode gekommenen “Taylorismus”. Ich glaube, das ist genau falsch. Ich glaube, dass man zu Recht von Ende zu Ende Verantwortung gegenüber dem Kunden hat und damit ein Ende zu Ende Wissen ermöglichen muss.
Und das ist aber jetzt der Anspruch, der für den Mitarbeiter nicht unbedingt direkt vermittelbar ist. Und da müssen Sie erstens mit eigenem Beispiel gut vorangehen. Also gehe ich grundsätzlich in jeder Transformation erstmal damit voran, dass ich sage, ich selber versuche das zu können. Ich gehe selber an die Technik rein, ich gehe selber auch ins Mitmachen, Vormachen rein. Da verlange ich das aber auch von meinen Management-Teams. Das bewegt sehr viel. Und dann kommen Sie als Zweites in die Frage, wie machen Sie Dinge jetzt auch einfacher? Also lernen Sie dann auch, wenn Sie es selber lernen, auch plötzlich viele Dinge kennen, wo Sie sagen, das ist ja wirklich viel zu kompliziert. Kann man das nicht vereinfachen? Und das wiederum ist dann wieder gut für den Kunden. Ohne jetzt despektierlich zu sein: kann ich einer Oma zumuten, dass Sie ihren Router in ihrem Heimnetzwerk Ende zu Ende alleine installieren soll, weil wir als Telekom oder Vodafone oder die gesamte Branche oder wer auch immer sagt, das muss der Benutzer können. Wenn ja, dann müssen wir als Mitarbeiter das auch können. Dann müssen wir auch verstehen, wie die verschiedenen Tarife aufgebaut sind, dann müssen wir auch verstehen, wie Roaming funktioniert, wenn ich in den Urlaub fahre. Also dieses Wissensspektrum selber zu können, ist schon etwas, was man dann auch beherrschen muss. Und jetzt kommen Sie an so eine Stelle, wenn Sie gefragt haben, ist das dann immer von jedem so gern genommen? Das ist das Thema raues Fahrwasser und wie gehen Sie jetzt da von der Erwartungshaltung vor? Sie können jetzt entweder in dieser Zielsetzung weich werden und sagen, wenn ich jetzt das kenne, auf wie viel Widerstand es stößt, diese Haltung jetzt so viel lernen zu müssen oder sich so viel aneignen zu müssen und dann weichen Sie aus und tun Sie den ersten Fehler. Daher müssen Sie Leute finden, die bereit sind und auch in der Lage sind, das mitzubringen. Und das ist nicht so einfach.
Umgekehrt musst Du natürlich auch für die Menschen Arbeitsplatzsicherheit schaffen. Du kannst jetzt nicht mit dieser neuen Zielsetzung plötzlich das gesamte Kind mit dem Bade ausschütten. Menschen sind ja mit einer gewissen Berufserfahrung, mit einer gewissen Ausbildung zur Telekom gekommen und sie erwarten auch, dass sie auf dieser Reise mitgenommen werden. Und andere, die vielleicht gar nicht mehr auf diese Reise wollen, denen musst du zeigen, wo sie sonst noch gute Dienste machen. Und das braucht deswegen auch eine gewisse Transformationszeit. Und jetzt haben wir schon ein paar Beispiele dieser Transformationsecken und Kanten gelernt. Also einmal eine ganz klare Linie haben, die artikulieren, dies auch einfordern, dazu auch befähigen.
Auch dadurch, dass du sie selber vorlebt, auch dadurch, dass du selber dein Management dazu bringst, aber dann auch die Menschen befähigen und mitnehmen, vielleicht in andere Aufgaben, andere Positionen. Das wird durchaus dann in so einer
Situation für den einen oder anderen auch als schwierig wahrgenommen, aber das muss man dann auch akzeptieren und die Geduld zu haben, dass das eine Zeit lang braucht. Auch dies ist über die Jahre gewachsen und das meinte ich, wenn ich eben gesagt habe, dass es mir heute vielleicht etwas besser gelingt, als früher in so einer Transformation, auch in vielleicht rauen Fahrwasser, trotzdem mit Ruhe, ich will nicht sagen Gelassenheit sagen, aber ohne große Hektik die Menschen dann dorthin zu bringen. Das ist sicher ein langer Weg, aber einer, der sich lohnen wird.
Thomé: Sie haben eben in einem Nebensatz die schwierige Weltwirtschaft schon angesprochen. in meiner Erfahrung haben die vielen exogenen Schocks in den letzten Jahren, gerade die Corona-Krise, auch der Krieg in der Ukraine, neben vielen anderen Effekten auch große Auswirkungen auf die Warenlogistik gehabt. Ich sehe das in der Industrie, globale Lieferketten haben in kürzester Zeit nicht mehr funktioniert und auch dadurch haben wir nochmal drastisch vor Augen geführt bekommen, wie abhängig wir eigentlich in vielen Bereichen von anderen Ländern, anderen Regionen der Erde sind.
Und ich glaube, diese Erkenntnis haben viele Unternehmen gemacht. Nachdem wir jetzt seit etwa zwei Jahrzehnten voll auf Globalisierung gesetzt haben bei den Lieferketten, erkenne ich in meinen Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern gerade so eine Zielverschiebung. Resilienz ist das Gebot der Stunde, eine Rückbesinnung auf Regionalisierung. Also wie können wir möglichst viel auch in Deutschland sourcen? Auch in meiner Wahrnehmung stehen Werte wie Qualität, Sicherheit plötzlich wieder ganz oben auf der Agenda. Spüren Sie diesen Trend eigentlich auch in der IT und bei Digitalisierungsthemen? Zur Zeit habe ich immer das Gefühl, dass es heißt, alles in die Cloud.
Abolhassan:Ja, also alles in die Cloud ist nochmal eine Technologiefrage. Das ist keine Frage von “wie produziere ich?”. Da komme ich vielleicht gleich nochmal dazu. Aber ich will mal ganz vorne anfangen. Ich persönlich glaube nicht, dass die Welt in einer schwierigen Lage ist, was die Nachfrage von Kunden angeht. Ich glaube, dass es mehr Kunden denn je gibt, die auch erstens mehr Mittel haben, gewisse Güter auch zu konsumieren, als vor 20 oder 30 Jahren. Das ist erstmal ein Sachverhalt. Also ich glaube, dass der Wohlstand großer Länder wie China oder Indien als Beispiel, die jetzt neu dazugekommen sind, um den Kampf an Ressourcen, auch an Arbeitsplätzen, aber auch an Gütern, nun gewachsen sind. Also wenn wir das clever machen, ist der Konsum von allen Waren eher steigend. Die Frage, wie komme ich jetzt als Wettbewerber hier immer noch mal genauso gut zum Tragen? Das ist etwas, von dem ich glaube, dass ein Unternehmen tatsächlich resilient sein muss gegenüber der Frage, wie bedient es den Kunden am besten? Kunden sind viel, viel mündiger geworden. Also sind sie auch in der Lage zu entscheiden, was ist für sie das richtige Produkt? Z.b die E-Mobility, die zeigt ja viel, was gut und was schlecht laufen kann. Ich glaube, dass Deutschland da viele Fehler gemacht hat,. Wir sind ein Automobilland. Ich glaube, dass man das von viel längerer Hand vorbereiten hätte müssen, wenn man auf alternative Energien all seine Chips setzt.
Und jetzt erkennt man plötzlich, dass andere Länder in einem gewissen Eigennutz jetzt nochmal von der Elektromobilität nicht abrücken, aber das mit einem dosiertem Tempo machen, anstatt uns aus welchen Gründen auch immer an die Spitze der Bewegung gesetzt zu haben. Und gerade hier im Saarland sehen wir auch die Auswirkungen. Das heißt aber nicht, dass sich jetzt in der Weltwirtschaft tatsächlich etwas verändert, weil die Wirtschaft immer an die Frage von Angebot und Nachfrage gekoppelt ist. Also die Nachfrage ist so hoch denn je und das Angebot wird gegebenenfalls von anderen, die schneller, resilienter oder auch cleverer sind, getätigt. Und dazu zähle ich im Moment mal ganz vorneweg China. Also ich glaube, dass die Chinesen in der Frage der E-Mobility dem Elon Musk gerade zeigen, wie es wirklich funktioniert. Also wir hätten, glaube ich vor fünf Jahren noch alle gesagt, der Elon Musk ist unser Hauptproblem mit Tesla. Jetzt glaube ich hat der Elon Musk selbst ein größeres Problem und sieht wie andere wiederum es besser machen. Dazu komme ich dann nochmal zurück zu Ihrer Frage regional versus überregional. Auch hier gilt, dass es ja immer wieder Wellen gibt. Wir sind jetzt eine Zeit lang die letzten 20 Jahre vielleicht dem reinen Kostenaspekt gefolgt und haben gesagt, wir gehen entlang ganz langer Lieferketten. Wir nehmen also gewisse Wertschöpfungsanteile ganz weg, geben die in andere Hand. Also, auch in der IT-Industrie ist das Thema Offshoring bis heute übrigens noch nicht wegzudenken. Aber es gibt gewisse Themen, wo Sie auch als IT-Unternehmen sagen, gewisse Kompetenz brauche ich vielleicht doch wieder eher und enger bei mir selber. Und dazu gibt es ein schönes Beispiel, das ich letzte Woche in Brasilien gesehen habe.
Und da war ich bei Daimler Truck, einer unserer größten Kunden in Brasilien. Und die haben dort das Werk in der Nähe von Sao Paulo so gebaut, dass eigentlich tatsächlich bei der Fertigung alle herum sitzen. Also auf einem Campus, das gesamte Auto, der gesamte Truck wird praktisch von der IT über die Teile, über die Fertigung, das Assembling, alles dort in diesem einen Werk produziert. Etwas, was übrigens in Europa fast ganz außer Mode geraten ist und was übrigens zum Beispiel Daimler selbst bei seinen Personenwagen so gar nicht mehr macht. Und wenn Sie jetzt mal schauen, wie baut man den Mast einer SpaceX-Rakete, dann ist jeder fasziniert, wenn er sagt: “guck mal, der hat das alles um die Rakete, da sitzen die Ingenieure, das sind IT-Leute, alle um die Rakete rum, die einen schweißen, die anderen löten, der andere programmiert”. Und genau das passiert bei Daimler Truck auch. Das heißt, man hat gar nicht mal nur aus der Frage heraus, ob man vielleicht lange Lieferketten zu besserem Preis nutzen kann, zur Organisation dieser Produktion genommen, sondern hat gesagt, wenn jeder das Produkt jeden Tag riecht, sieht und fühlt, dann ist das am Ende für das Produkt, für den Kunden das Beste. Jetzt kommt die andere Frage, wie kriege ich das wettbewerbsfähig hin? Wenn ich also in einem Land bin, wo eben die Lohnkosten so hoch sind, dann ist das ja eine schöne Story mit meinem Allentumwerk rum, aber vielleicht sitze ich in einem Hochlohnland, wo das gar nicht so geht. Und das ist, glaube ich, auch eine Frage, in der Deutschland jetzt auch die Antwort geben muss. Ein solches Werk in Deutschland würde deutsche Löhne bedeuten und die sind mit Sicherheit auf Dauer für den Kunden im internationalen Wettbewerb nicht interessant, weil dort das Auto dann zu teuer wäre. Wir machen das bei T-Systems zum
Beispiel so, dass wir sogenannte Landed Resources nehmen, das heißt, wir nehmen zum Beispiel indische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier in Deutschland arbeiten, dann kombinieren sie zwei Dinge miteinander. Die können an der Rakete sitzen, sozusagen um das Werk rum, um das Produkt, um das Software Werk rum, was die Metapher von der Rakete aufgreift, aber sie haben dann natürlich andere Gehaltsgefüge, weil sie eben nicht dem deutschen Lebensmittelpunkt entsprechen, also auch eine ganz andere Gehaltsbasis haben etc. Das ist ein Thema, das sich mehr und mehr in die Thematik einschleicht. Wie können sie auch Offshore machen, ohne den kulturellen Sprung zu machen. Aber langfristig, glaube ich, muss man einfach verstehen, wo baut man diese Werke und wo hat man tatsächlich am besten den Kompromiss aus guten Produktionskosten, damit hoher Wettbewerbsfähigkeit auch möglich ist. Kurzen Lieferketten, weil da haben Sie recht, die langen Lieferketten haben immer natürlich die Gefahr von Krisensituationen, ob das Kriege, Umweltkatastrophen, Streiks etc. sind. Da haben wir ja vieles gesehen in der Chip-Industrie, wie abhängig wir immer noch von Fernost sind. Und deswegen habe ich ja mit Freude gesehen, als alter Hardware-Mann und Chip-Bauer, dass man jetzt gesagt hat, man will in Deutschland endlich auch wieder in die Chip-Produktion und auch tatsächlich in die vermehrte Hardware-Produktion einsteigen, um tatsächlich unabhängiger zu werden. Wir sind im Land von Nixdorf, wir sind im Land von Zuse, wir haben den Computer erfunden. Es ist eigentlich eine Schande, dass wir selber keine mehr bauen. Da müssen wir auch wieder hin. Am Ende ist jede Kaffeemaschine, hat einen Computer und Ihre Kamera und Ihr Mikrofon auch, einen Chip. Und da dürfen wir nicht abhängig werden.
Thomé:Wenn wir jetzt mal kurz auf die wirtschaftliche Situation in Deutschland schauen. Sie haben es eben mit den Arbeitskosten kurz angerissen. Wir haben konjunkturelle Stagnation. Unternehmen bekommen ihre Kostenbasis mehr und mehr nicht mehr in den Griff. Energieintensive Industrie wandert ab. Durch ausbleibende Investitionen haben wir sicher auch bereits ein Stück an Innovationskraft und auch an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Jetzt habe ich in der Vorbereitung über Sie gelesen, dass ein zentrales Mantra von ihnen lautet, “hör den Menschen zu, dann weißt du, was zu tun ist”. Was raten Sie den Wirtschaftspolitikern im Bund und Land?
Abolhassan: Übrigens hat mich ein Mitarbeiter neulich belehrt, ich dürfe das eigentlich gar nicht unbedingt “Mantra” nennen, weil dann würde ich ihn zu einer gewissen religiösen Tendenz zwingen. Das ist natürlich auch immer so im Miteinander. Auf solche Sachen muss man hören, dann nenne ich es eben anders. Aber ich nenne das eben als eine meiner Leitlinien deswegen, weil ich daran selber lebe. Also als ich in den Job von Sales & Service gekommen bin, bin ich erstmal lange, lange auf eine Reise gegangen durch alle Servicecenter, Shops etc.
So wie ich jetzt auch kontinuierlich durch die Länder fahre, die Kunden sehe etc. Ich habe seit Dienstantritt im Januar, würde man sagen, bestimmt 300 Großkunden getroffen. Also das ist von den Tagen her, wenn Sie das teilen, auch nur deswegen möglich, weil Sie vieles über dann Videocalls machen oder weil Sie viele Kunden besuchen, wie jetzt letzte Woche, dann mache ich schon mal fünf oder sechs an einem Tag und dann geht das auch. Also versuche ich mich schon wirklich danach zu organisieren, dass ich jede Woche genügend viel Input von Kunden, aber genügend viel Input auch von Mitarbeitern habe. Und dabei gilt es jetzt, über dein eigenes neuronales Netz und deine Erfahrung auch auszusortieren. Nicht alles, was du da hörst, ist direkt auch immer wieder direkt umsetzbar oder auch tatsächlich nützlich. Aber die Kombination all dieser Elemente, die bringt dir zu deinem eigenen Erfahrungsschatz am Schluss den richtigen Schliff rein. Und ein Kunde wird immer von dir als Dienstleister, der wir ja sind, mehr erwarten. Der wird immer versuchen, dich in eine Ecke zu ziehen, der dann vielleicht auch vom Standard mehr weg in Individualentwicklung geht, was ich am Ende auch, wovor ich jeden Kunden nur warnen kann. Aber es ist erstmal wichtig, dass man versteht, was bringt den Kunden dazu, dass er das von dir fordert, was sind seine Probleme und das zu ergründen, genau wie die Probleme der Mitarbeiter, die eine gewisse Artikulation am Ende bei dir enden lassen, das ist das Wichtige. Also, was ist das Problem, was er lösen will?
Und das muss man stetig erkennen, erfahren, diskutieren und verarbeiten. Und dann bringt man die richtigen Produkte, die richtige Dienstleistung und auch die richtige Ausbildung raus. Das ist glaube ich auch was, was auch viele Politikerinnen und Politiker im Transfer auch in ähnlicher Weise umsetzen sollten. Ja, also ich habe mir immer angemaßt, nicht über andere Berufsgruppen zu reden. Ich war noch nie Politiker und an sehr hoher Wahrscheinlichkeit, grenzender Sicherheit, werde ich auch keiner. Ich glaube, jeder Beruf hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten und Vor- und Nachteile.
Aber hier ein Beispiel, was sich ein deutscher Bürger wünscht: Dass nun die Digitalisierung tatsächlich wirklich mal passiert, kann ich nur jeden Politiker in gleichem Maße auffordern: “sprich so häufig wie du kannst mit Bürgern und nimm es nicht als Kritik oder nimm es nicht als Genörgel wahr, wenn er sich dahingehend äußert”.
Dass der Bürger z.B. sagt, “ wieso muss ich, um mein Auto anzumelden, noch aufs Amt gehen? Wieso kriege ich dort nur unter größten Schmerzen einen Termin? Wieso brauche ich überhaupt einen physischen Termin? Warum kann ich nicht ein Haus bauen, warum kann ich das tatsächlich nicht alles komplett über das Internet machen?
Warum kann das nicht alles tatsächlich digitalisiert passieren? Warum ist es nicht so wie in Litauen oder Lettland, dass dort alle Bürger Prozesse -und ich meine wirklich alle bis auf die Heirat-, das ist der einzige Bürgerprozess, der dort nicht voll digital läuft”. Ansonsten brauchen sie nirgendwo aufs Amt zu gehen, sie brauchen deswegen keinen Termin. Es hat auch der Staat dann nicht die Probleme, dass er zu wenig Leute hat, all diesen Terminen zu entsprechen etc. Also das ist etwas, wofür ich nur jeden Politiker begeistern kann, sich dieses nochmal als Input von den Bürgern zu nehmen, denn irgendwo sind es aus meiner Sicht auch seine Kunden.
De facto ist es aber tatsächlich, und das erlebe ich als Privatmann immer noch so, dass meine Frau sagt, sie muss immer noch um die Autos anzumelden und abzumelden und muss dazu immer noch mal auf das Amt hingehen. Und das Beste, was es gibt, ist, dass man sich einen Termin sozusagen in einer internetbasierten Auktion schießen kann.
Das ist für mich dann aber schon zynisch. Wenn das Beste an Digitalisierung ist, dass ein Anmeldeprozess des Autos nur dann geschieht wenn du dich beeilst, bevor dir jemand diesen Slot wegschnappt. Dann geht es, glaube ich, komplett in die falsche Richtung. Dann hat, glaube ich, jemand nicht zugehört. Aber grundsätzlich, nochmal, es ist wirklich vieles vorhanden, was man nutzen könnte, um Vorreiter zu sein. Wir haben als Saarland die Größe von Litauen und Lettland, also wenn man sagt, warum klappt es da, dann ist meine Antwort immer, weil dort schnelle Prozesse und schnelle Entscheidungen getroffen werden können. Das können wir hier auch. Weil dort viel Bildung existiert, das haben wir hier auch. Und weil wir schnell Kunde und Provider oder Ideengeber oder Ideennehmer schnell zueinander bringen können. Das haben wir hier auch. Kleine Fläche, überschaubare Kunden- bzw. Bürgerstruktur, hohe Ausbildung, hohe Kompetenz. Das könnte eigentlich dazu führen, dass wir ein digitales Modell-Land sind und dass die Bürger vom Saarland sagen, nirgendwo kriege ich besser als hier im Saarland die Dinge, die ich brauche, digital zueinander. Ich kann mein Haus heute umbauen, ohne mit jemandem zu reden, ich kriege eine Genehmigung oder ich kriege dann gegebenenfalls auch Anforderungen, was ich tun muss, um den Genehmigungen zu entsprechen, relativ schnell über die digitale Strecke. Ich kann das gleiche für meinen Job, ich kann eine Firma an einem Tag gründen, am nächsten Tag wieder auflösen, am nächsten Tag wieder eine neue gründen, so wie das in diesen Staaten der Fall ist. Das würde ich mir wünschen, dass das Saarland, wie es hier auch im Eingangsschild steht, “Großes entsteht im Kleinen”.
Thomé: Lieber Herr Abolhassan, von außen betrachtet wirkt es so, dass alles, was Sie anpacken, auch klappt und immer erfolgreich ist. Ist das wirklich so oder gibt es auch Dinge, wo Sie sagen, da bin ich mal gescheitert?
Abolhassan:Ja, ich bin auch bestimmt schon öfter gescheitert. Also ich habe schon auch einen großen Karriereknick hinter mir. Aber es ist auch bei jedem mal so, wenn ich zurück gucke, sieht das alles immer ganz toll aus. Das ist übrigens auch meine innerste Überzeugung, dass keine Strategie von vorne gebaut wird, sondern eine Strategie ist immer der Rückwärtsblick. Wenn ich in meinen letzten acht Jahren in Sales und Service zurückgehe, denke ich, wow, das ist ja Wahnsinn, von sechs Millionen Beschwerden runter auf hunderttausend, mittlerweile keine geplatzten Termine mehr, Service-König und so weiter. Ich habe über die ersten zwei, drei Jahre Blut und Wasser geschwitzt. Es gab dort ganz viel Sorge, dass man scheitern könnte. Das persönliche Scheitern wird über die Dauer weniger zum Maßstab für einen selber, weil Sie dann in der Lebensphase sind, weil Sie dann auch vielleicht auch genügend bewiesen haben etc. Klopsches Zitat: “ich möchte Liverpool zu etwas machen, was funktioniert”. Und da ist es so, dass am Anfang einer Transformation, so wie jetzt auch gerade wieder, habe ich ganz viel Unsicherheiten. Kriegst du das hin? Kriegt man das hin? Und das ist vielleicht aber auch dieses paranoide Gefühl des möglichen Scheiterns. das macht einen auch stark. Die Tatsache, dass du paranoid über alle Themen nachdenkst, die schief gehen können, bringen dich auch manchmal runter. Ich habe also oft die Diskussion mit meiner Frau, die sagt, du bist immer Worst-Case-Denker und am Ende, wenn es dann doch klappt, dann sagst du nichts. Und wenn es nicht klappt, hast du immer schon gesagt. Es ist richtig:, der Worst-Case-Denker lebt immer schlechter, weil er grundsätzlich von einem negativen Ausgang, über einen negativen Ausgang denkt. Aber das ist ja nur die halbe Wahrheit. Sie sind Worst-Case-Denker zum einen, aber Sie wollen auf jeden Fall Best-Case liefern. Und das ist das, was ich mit Paranoia. Und insofern würde ich da mal abschließen und sagen, ich denke nicht über mein persönliches Scheitern nach, sondern über, wie verhindere ich, dass das, was wir jetzt vorhaben, scheitern könnte. Und daraus baue ich dann, “wie werden wir erfolgreich”.
Thomé:Noch eine schnelle Frage zum Abschluss. Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Möglichkeit, mit einem allwissenden technischen Gerät aus der Zukunft zu sprechen. Was wäre das für ein Gerät und welche Frage würden Sie ihm als erstes stellen?
Abolhassan: Ich bin kein Philosoph, das ist ja eine philosophische Frage. Mit zunehmendem Alter wird man dann zum Hobbyphilosoph. Und jetzt schwebe ich ja so immer nochmal über verschiedene Sachen. Neulich bin ich um den Bostalsee gelaufen.
Da ist ja diese eine Stelle, wo dann nochmal das Erdenplanetensystem mit den acht Planeten sieht und dann denkt man darüber nach, denkt man, das sind ja gar nicht so viele Planeten, mein Gott. Ja und dann kommen nochmal so viele andere Planeten-Systeme, dann denkt man darüber nach, wie wahrscheinlich ist es eigentlich, dass jetzt so eine Erde lebbar ist, es muss vielen Dingen entsprechend, die Sonne muss nah genug sein, aber nicht zu weit weg, sie muss oder auch darf nicht zu nah sein, es muss eine gewisse Erdachse geben, die in einer gewissen Schiefe auch dafür sorgt, dass tatsächlich auch nochmal eine gewisse Vegetationsunterschiedlichkeit ist, dass eine Ozeanschicht da ist. Und wenn man sie dann über die ganzen Wahrscheinlichkeiten nachdenkt, wie wahrscheinlich das ist das. Und dann kommt man zu dieser entscheidenden Frage, die ich komplett absurd finde, aber die dann immer wieder hochkommt. Ist das jetzt Zufall oder ist das alles eine Simulation? Dann wird es ja komplett esoterisch. Ich bin ja absolut kein esoterischer Mensch. Aber das auszuschließen, dass wir mehr sind als eine Simulation und was wäre tatsächlich der große Grund für einen Urknall und was gibt es da außerhalb? Das würde ich schon gerne fragen.
Thomé: Lieber Herr Abolhassan, ganz herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für Sie.
Abolhassan: Ja, danke schön. Hat mir Spaß gemacht. Vielen Dank
Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist er Mitglied im Gesamtvorstand der Deutschen Telekom und das erfüllt uns als Saarländer mit Stolz, denn auch er ist Saarländer mit Leib und Seele und sogar offizieller Saarland-Botschafter. Neben seinem Hauptberuf ist er in zahlreichen Ehrenämtern engagiert, so zum Beispiel als Aufsichtsratsvorsitzender des DFKI, Senator der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, als Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und des Kuratoriums des Max-Planck-Instituts für Informatik.
Er ist in der Atlantikbrücke aktiv, in vielen weiteren Funktionen. Alles Aktivitäten, die locker mehrere Karrieren und Lebensläufe füllen könnten. Ich weiß nicht, wie er das alles in einen einzigen gepackt hat. Er wird es uns gleich verraten. Ich bin schon sehr gespannt und freue mich sehr auf das Gespräch mit Ferri Abolhassan. Herzlich willkommen zum Deep Dive Wirtschaft.
Abolhassan:Hallo. Dankeschön, dass wir uns unterhalten.
Thomé:Herr Dr. Abolhassan, was treibt Sie eigentlich persönlich an, um kontinuierlich solche Spitzenleistungen zu erbringen, sich in so vielen Bereichen zu engagieren?
Abolhassan: Erstmal ist das immer wieder für mich selbst erstaunlich, wenn man das so runter liest. Ich bin mir all diese Aufgaben nicht immer ganz so bewusst, wenn ich ehrlich bin. Und das erklärt vielleicht auch so ein bisschen den Antrieb. Also ich habe auch nie auf Positionen geschaut, sondern ich wollte immer Dinge gut machen. Ich bin ja von Haus aus Informatiker und die sind ähnlich wie die Ingenieure immer Dinge am Bauen und die wollen Dinge auch immer fertig haben. Das ist so ein bisschen was mich treibt, etwas was man mir gibt, fertig machen, komplett machen.
Der Jürgen Klopp hat mal gesagt “Ich möchte Liverpool im besten Zustand verlassen.” Das drückt es ein bisschen aus. Und vielleicht noch letzter Punkt, der korrespondiert vielleicht gerade mit der vielen Presseberichterstattung über die Babyboomer in den letzten Tagen: Das hat mich selbst erstaunt. Und ich war mir selbst gar nicht bewusst, dass ich also zu dieser Klasse der Babyboomer gehöre, aber denen sagt man nach und das meint man gar nicht immer unbedingt positiv, dass sie durch den Wettbewerb, also die geburtenstarke Jahrgänge, viele eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und eine hohe Berufsmoral hätten. Das sag nicht ich, sondern das kam im Spiegel, das kam in der Bild und vielen anderen Publikationen. Dadurch habe ich selber erstmal nachgedacht und ich glaube, da ist auch vielleicht ein bisschen was dran. Also mich treibt zum einen an, Dinge zu einem guten Status bringen zu wollen, aber auch in Summe eine gewisse Wettbewerbsfähigkeit und eine gewisse Berufsmoral, das würde ich schon sagen.
Thomé: Jetzt haben Sie in Ihrer Karriere viele Top-Positionen begleitet und auch in früheren Funktionen schon über 30.000 Mitarbeitende geleitet. Was hat sich für Sie ganz konkret zum 1. Januar 2024 verändert, als Sie in den Gesamtvorstand der Deutschen Telekom AG aufgerückt sind? Der Terminkalender war ja wahrscheinlich auch vorher schon gut gefüllt.
Abolhassan: Also es war gar nicht mal so der Schritt jetzt im Sinne der Hierarchie, sondern eher nochmal eine neue Aufgabe übernommen zu haben. Ich hatte ja die letzten acht Jahre mich darum gekümmert, dass der Service der Telekom sich zu einem guten Standard der Industrie entwickelt und das hat mich auch die letzten Jahre gut beschäftigt und jetzt seit Januar beschäftige ich mich eben mit vielen, vielen Kollegen damit, wie kriegen wir die T-Systems zu einem differenzierenden, guten Marktwettbewerber und das ist eigentlich so das Hauptthema. Dazu muss ich mich nochmal, auch wenn ich früher schon mal bei der T-Systems war, neu eindenken, mit vielen Kunden reden, mit vielen Mitarbeitern reden. Das prägt den Terminkalender.
Natürlich ist auch das Thema, dass man als Telekom-Vorstand auch für das Gesamtunternehmen mitverantwortlich sind, etwas, was auch den Kalender oder die
Zeit prägt. Aber am Ende ist es das Ziel die T-Systems gut zu machen. Das ist das, was mich prägt.
Thomé: Ich würde gleich nochmal auf Telekom, T-Systems zurückkommen. Erst nochmal kurz persönlich. Wer sich beispielsweise auch ihre Social Media Posts anschaut, der merkt schnell, dass sie viel reisender sind. International unterwegs. Sie waren, glaube ich, die letzten Tage auch in Brasilien unterwegs. Frage, bleibt da noch genügend Zeit für ein Privatleben? Was bedeutet für Sie persönlich die viel zitierte
Work-Life-Balance?
Abolhassan: Also “Work-Life-Balance” heißt ja schon mal, dass man so ein bisschen unterscheidet, was jetzt “Work” und was jetzt “Life” ist. Das tue ich eigentlich gar nicht. Also auch wenn ich jetzt in Brasilien war, war ich bei den Mitarbeitern, war ich bei Kunden, da war auch viel coole Zeit dabei, wo wir jetzt wirklich nicht in einem Meetingraum waren, sondern haben Beach-Tennis gespielt oder neulich war ich in Indien, da haben wir Cricket gespielt. Da ist ja auch ganz viel Socializing dabei. Es ist ganz viel dabei, wo wir abends mit den Menschen essen gehen oder auch mal was trinken. Da tue ich mir jetzt schwer zu sortieren, was davon jetzt “life” und was ist “work”. Ich glaube, das geht schon sehr stark ineinander über. Ich bin auch kein Freund dieser Stereotypisierung von “work” and “life” und das zu balancieren. Es ist, glaube ich, wichtig, dass man auf sich selbst schaut und auch immer nochmal kalibriert. Wo kriegt man die Energie her? Also ich bin auch jemand, der in Mitarbeitergesprächen, Mitarbeiterbesuchen auch Energie kriegt. Das gibt mir Energie. Natürlich ist auch eine Interkonti-Reise 10.000 Meter hoch, belastend. Das ist Sauerstoffarmut, Diesel, jenes.
Also das ist natürlich auch nichts, wo man Energie bekommt. Aber ich gehe dann am nächsten Tag mal länger Rad fahren. Zum Beispiel nach der Brasilien Reise. Da haben alle gesagt, das kann doch nicht sein Ernst sein, der kommt aus dem Flieger, geht direkt aufs Rad und fährt dann an den Stockweiher, aber mich bringt das dann runter und so habe ich das Wochenende dann am Stockweiher verbracht, den kennt ja jetzt auch jeder hier im Saarland. Das ist für mich auch so ein Idyll, wo ich auch nochmal Kraft tanke. Also lange Rede, kurzer Sinn. Man muss auf sich selbst aufpassen. Wo kriegt man Energie her? Wie geht man mit seiner Energie um? Wie macht man Sport? Wie isst man? Wie schläft man? Und dann ist der Rest für mich nicht wirklich eine Unterscheidung zwischen “Work” and “Life”, sondern es ist alles “Life”. Und für mich ist die Arbeit genauso wie Freunde, genauso wie Sport “Life” und ich schaue, dass ich das alles balanciert nebenher mache.
Thomé: Das ist eine sehr gesunde Einstellung und ich meine, das strahlen Sie auch aus. Leidenschaft mit jeder Pore und es muss einem auch Spaß machen. Das merkt man bei Ihnen sehr. Jetzt ist natürlich so eine Karriere, wie Sie sie gemacht haben, ja nicht einfach so aus dem Nichts auf Sie herab gefallen oder war in irgendeiner Form
vorbestimmt. Ich glaube, da stecken auch immer persönliche Eigenschaften dahinter, die Grundlage Ihres Erfolges sind. Was würden Sie sagen, ist so da Ihre Top-Eigenschaft, die Sie zu dem gemacht hat, was Sie heute sind?
Abolhassan:Also ich glaube schon, dass ich konsequent bin, sehr zielorientiert. Damit meine ich jetzt nicht Ehrgeiz im Sinne persönlicher Ziele, sondern etwas gut machen und so lange verfolgen, bis es gut ist, nach tatsächlich objektiv messbaren Kriterien. Und das ist am Ende, wofür ich versuche, mein Umfeld, meine Teams, die Menschen zu begeistern. Das können sie ja sowieso nie alleine schaffen. Also wäre dies meines Erachtens eine zweite Fähigkeit.
Immer wieder Teams gebaut zu haben, die das mit mir gut machen. Ich glaube, das ist
so am Ende, wenn ich mal zurück gucke und auch das, was ich am meisten am Tag mache, befasse ich mich damit, wie kann ich unser Team nochmal verbessern, wie kann ich das Team so ergänzen, wie kann ich uns so zu einem Team zusammenbringen, dass wir eben die nächste Stufe, auch die nächste Ambition schaffen. Also diese zwei Dinge, selbst eine klare Zielorientierung, auch eine hohe Strukturfähigkeit, das zu schaffen, aber auf der anderen Seite auch ein gutes Gefühl für gute Leute und ein gutes Gefühl dafür, die zu begeistern, zu einem Team zusammenzubringen und mit denen das dann
zu schaffen.
Thomé: Stichwort Team. Jetzt haben Sie ja im Laufe Ihrer Karriere große Teams und Unternehmensbereiche geführt. Wie würden Sie Ihren eigenen Führungsstil beschreiben und wie hat er sich vielleicht im Laufe der Jahre auch verändert?
Abolhassan:Ja, der verändert sich jeden Tag nochmal. Einfach dadurch, dass man mit Menschen umgeht, ist das ja eine Frage von Aktion und Reaktion. Also nicht alle Menschen wollen gleich angesprochen oder geführt werden. Und über die Jahre hat sich auch die Art, wie Menschen angesprochen und geführt werden wollen, massiv verändert. Ich glaube, dass wir übrigens jetzt gerade wieder an einem Punkt sind, wo sich das nochmal ändert. Deutschland steht nochmal mehr im Wettbewerb. Ich glaube, dass auch die Themen, die uns bis hierher geführt haben, nicht mehr die Themen sind, auch was Führung angeht, die uns von hier auf die nächste Stufe bringen. Ich glaube, die Themen, die uns bis hierher gebracht haben, war das Team in seiner Gänze zu begreifen, auch Diversität zu nutzen.
Davon bin ich 100 Prozent überzeugt. Also damit meine ich nicht tatsächlich nur die Frauenquote alleine, sondern damit meine ich tatsächlich die diversen Charaktere von Introvert bis Extrovert, Frauen, Männer, Jung, Alt, verschiedene Nationalitäten, damit verschiedene Aspekte auch von Denkweisen und Denkkulturen. Das ist etwas, was ich sehr stark betreibe, an das ich sehr stark glaube und was uns bisher auch weit gebracht hat. Ich glaube, dass, wo wir gerade als Gesellschaft, als Deutschland und damit aber auch die Unternehmen jetzt in den nächsten Schritt nochmal erarbeiten müssen, ist nochmal ein stärkeres Maß an Performance-Orientierung. Ich glaube, dass wir über die Frage im “How”, wie wir als Team zusammenarbeiten wollen, viel gelernt, viel gemacht haben, wir aber jetzt auch nochmal das “What” für uns begreifen müssen. Ich ziehe da mal Parallelen vom Sport im Medaillenspiegel. Ich glaube, es ist gut, dass wir nicht dopen. Ich glaube, es ist gut, dass wir einen sauberen Sport versuchen zu betreiben, aber ich glaube, es ist nicht gut, dass wir im Medaillenspiegel irgendwo von 1, 2, 3 jetzt auf 10 abgerutscht sind und ich glaube, das hat auch damit zu tun, wie konsequent die Dinge vorangetrieben werden. Und zuletzt, wie würde ich glauben, dass ich selbst führe? Das war ja auch eine Ihrer Fragen.
Erstens müssen Sie da meine Mitarbeiter und Kollegen und Kollegen fragen. Ich glaube, das, was mich stolz macht, ist, dass viele Menschen über ganz lange Zeit mit mir zusammen verschiedene Positionen erfüllt haben. Die sie mit mir durch verschiedene Firmen und mit mir durch verschiedene Positionen gegangen sind, also scheint da irgendwo eine engere Beziehung und eine gewachsene Beziehung zu sein und das ist auch etwas an was ich glaube. Ich glaube, dass eine gute Mitarbeiterbeziehung auch auf Loyalität in gegenseitigem Maße fußt, dass man tatsächlich für seine Leute und hinter seinen Leuten steht, spüren die Mitarbeiter insbesondere dann, wenn Dinge mal in raues Fahrwasser geraten. Raues Fahrwasser ist, glaube ich, das, was man von mir sagen würde, dass ich dort das Schiff auch im rauen Fahrwasser gut halten kann, vielleicht dort auch einen klaren, manchmal für den einen oder anderen auch gegebenenfalls rauen Ton anwende. Aber ich glaube, dass am Ende für die Menschen das Entscheidende ist, ob ein Chef tatsächlich für einen kämpft und für einen steht.
Diese Loyalität, ich glaube, ist etwas, was mich ausmacht.
Thomé: Da würde ich gerne kurz einhaken. Sie hatten gerade auch raues Fahrwasser mal angesprochen. Was würden Sie sagen, mal ein konkretes Beispiel, was ist die größte Herausforderung gewesen, die Sie in Ihren Führungsrollen begegnet sind, gerade bei so
einer großen Organisation wie T-Systems und der Deutsche Telekom?
Abolhassan: Also das ist eigentlich so, dass mir in den letzten Jahren schwierige Aufgaben immer leichter gefallen sind, aber auch daher, dass man verstanden hat, Teams zu bauen, die dafür auch gemacht sind. Ich glaube, es ist immer schwierig, ein
raues Fahrwasser, in das wir übrigens ja als Wirtschaftsunternehmen alle durch die
Weltwirtschaft auch immer wieder mal getrieben werden und im Moment ist es sicherlich eine besonders herausfordernde Situation. Dass wir das angehen müssen mit einem Team, was vielleicht diese Art von Umgebung noch nicht gewohnt ist. Wenn Sie dieses Team darauf formen können oder auch darauf trainieren können, fällt es immer etwas leichter. Jetzt ist es nun mal eben auch manchmal so, dass Sie neue Aufgaben übernehmen, wo das Team dafür noch nicht so vorbereitet ist. Und das ist benötigt dann die Erfahrung, in dem Fall meine Erfahrung über die letzten Jahre. Ich habe fünf große Transformationen, die alle so etwa acht Jahre gedauert haben, begonnen. Da werden Sie erfahrener. Sie kriegen also eine etwas größere Erfahrung und größere Gelassenheit auch in der Erkenntnis, wann ein Team die Fitness hat, die es braucht. Das ist vergleichbar im Fußball damit, wenn man zum Beispiel Trainer bei Bayern München ist, wenn schon in der ersten Saison eine hohe Erwartungshaltung da ist. Dann ist es so, dass man überlegt, wo man tatsächlich im ersten Jahr schon erfolgreich sein kann und man an der anderen Ecke ganz klares Erwartungsmanagement macht, dass Sie das Team erstmal dahin bringen müssen. Und diese Erfahrung, die kriegen Sie auf Dauer dann irgendwo als Trainer auch die Glaubwürdigkeit, dass Sie das jetzt nicht als Ausrede tun, sondern dass das eben tatsächlich dann eine Zeit braucht. Beides kommt zusammen und beides erlaubt Ihnen dann auch, das Team eine Zeit lang auf diese Mission erstmal vorzubereiten, in gewisser Weise auch zu schützen. Das können sie aber nicht dauerhaft. Und klar muss auch sein, dass Sie von Beginn an dem Team sagen, wo es sein muss ab einem gewissen Zeitpunkt. Und wo dann auch gegebenenfalls irgendwo ein gewisser, ich sag mal, Welpenschutz auch nicht mehr gegeben werden kann.
Thomé:Herr Abolhassan, jetzt haben Sie von verschiedenen Transformationen gesprochen. Geben Sie gerne mal ein konkretes Beispiel. Da ist ja jetzt nicht immer jeder total happy und weiß sofort, in welche Richtung er läuft. Gerade wenn es darum geht, noch eine stärkere Service-DNA auch an den Tag zu legen und auch auf den Kunden zu hören, was er eigentlich will. Wie sind Sie damit umgegangen?
Abolhassan: Sie sprechen jetzt von der Situation, wo wir vor 2016 damit konfrontiert waren, dass die gesamte Bundesrepublik im Prinzip Mitglied im Club der Telekom-Hater war. Es gab ja dafür auch entsprechende Use Groups und auch Foren etc. pp. Und heute gewinnen wir einen Servicepreis nach dem anderen, werden auch als Service-König offiziell ausgezeichnet. Ja, es gibt immer noch viel zu verbessern. Ich sage das gleich für diejenigen, die jetzt dann zuhören und sagen, naja, also so doll ist es dann auf der anderen Seite auch nicht. Da kann ich nur nochmal zurückerinnern, vor acht Jahren hatten wir geplatzte Termine von Technikern ohne Ende. Wir hatten Beschwerderate von über sechs Millionen pro Jahr. Da wir heute um ein Vielfaches unter einem Prozent der damaligen Summe bei etwa 150 Millionen Kundenkontakten pro Jahr. Wenn Sie damals mit dem Team gesprochen haben, 36.000 Menschen waren das, über die verschiedenen Kanäle, von dem Außendiensttechniker bis hin zu vorne dem Shop-Mitarbeiter oder auch dem Innendienstmitarbeiter in den Service-Centern etc. pp., dann war das ja nicht deren eigenes Bild. Also die sind ja nicht in der Auffassung gewesen, ich bin jetzt der, an dem es liegt, dass Telekom eine Service-Wüste war oder ist, sondern jeder Einzelne hatte ja für sich das Gefühl, er macht das Beste, was er kann.
Da sind mehrere Erkenntnisse drin. Zum einen war sicherlich auch die Frage des Prozesses, wie man viele Menschen entlang dieser Kette so sortiert, dass am Schluss ein gutes Gesamtkunstwerk für den Kunden rauskommt. Etwas, was zu verbessern war.
Aber es galt natürlich auch beispielsweise zu überlegen, warum diese Gesamtkette unterteilt in so viele Einzelschritte war. Also wenn Sie heute ein bestimmtes Thema, was man beherrschen muss und Ihnen als Kunden tatsächlich einen guten Service zu bieten, will, müssen Sie wissen, wie ein Router innen aufgebaut ist, wissen Sie, wie das Heimnetzwerk des Kunden aufgebaut ist, wissen Sie, wie ein Kupfernetz oder jetzt ein Glasfasernetz funktioniert. Wenn Sie das alles zusammentragen, dann ist das eine Materie, die reicht von Physik, über Endgerätemanagement, über Marketing, über Preistarif etc. Das ist schon ein sehr heterogenes, und auch ein sehr breites und tiefes, als auch breites Feld. Es könnten und haben damals auch die Mitarbeiter gesagt, ich kann das ja nicht alles alleine beherrschen.
Das ist viel zu viel Wissen, das alleine kann ich nicht. Ich glaube aber, genau darin lag genau der Witz zu sagen, wenn ich das jetzt unterteile auf zehn Köpfe und sage, du gehst zum ersten Teil des Problems, du zum zweiten, zum dritten oder vierten, dann kommt und kam genau das raus, was vor Kunde sich widergespiegelt hat, nämlich eine Odyssee, weil der erste gesagt hat: “Lieber Kunde, ich kann dir bis hierhin weiterhelfen, ab dann muss mein Kollege weitermache.”. Und dann hinzugehen und zu sagen, wir können es den Kunden wirklich vermitteln vom tatsächlichen Ausbildungsprozess, aber auch zumuten von der Erwartungshaltung, dass er diesen ganzen Prozess beherrscht, ist nicht trivial. Das ist etwas, was heute in der Industrie genau anders gemacht wird. Also heute glaubt man an die Spezialisierung und an den aus meiner Sicht aus der Mode gekommenen “Taylorismus”. Ich glaube, das ist genau falsch. Ich glaube, dass man zu Recht von Ende zu Ende Verantwortung gegenüber dem Kunden hat und damit ein Ende zu Ende Wissen ermöglichen muss.
Und das ist aber jetzt der Anspruch, der für den Mitarbeiter nicht unbedingt direkt vermittelbar ist. Und da müssen Sie erstens mit eigenem Beispiel gut vorangehen. Also gehe ich grundsätzlich in jeder Transformation erstmal damit voran, dass ich sage, ich selber versuche das zu können. Ich gehe selber an die Technik rein, ich gehe selber auch ins Mitmachen, Vormachen rein. Da verlange ich das aber auch von meinen Management-Teams. Das bewegt sehr viel. Und dann kommen Sie als Zweites in die Frage, wie machen Sie Dinge jetzt auch einfacher? Also lernen Sie dann auch, wenn Sie es selber lernen, auch plötzlich viele Dinge kennen, wo Sie sagen, das ist ja wirklich viel zu kompliziert. Kann man das nicht vereinfachen? Und das wiederum ist dann wieder gut für den Kunden. Ohne jetzt despektierlich zu sein: kann ich einer Oma zumuten, dass Sie ihren Router in ihrem Heimnetzwerk Ende zu Ende alleine installieren soll, weil wir als Telekom oder Vodafone oder die gesamte Branche oder wer auch immer sagt, das muss der Benutzer können. Wenn ja, dann müssen wir als Mitarbeiter das auch können. Dann müssen wir auch verstehen, wie die verschiedenen Tarife aufgebaut sind, dann müssen wir auch verstehen, wie Roaming funktioniert, wenn ich in den Urlaub fahre. Also dieses Wissensspektrum selber zu können, ist schon etwas, was man dann auch beherrschen muss. Und jetzt kommen Sie an so eine Stelle, wenn Sie gefragt haben, ist das dann immer von jedem so gern genommen? Das ist das Thema raues Fahrwasser und wie gehen Sie jetzt da von der Erwartungshaltung vor? Sie können jetzt entweder in dieser Zielsetzung weich werden und sagen, wenn ich jetzt das kenne, auf wie viel Widerstand es stößt, diese Haltung jetzt so viel lernen zu müssen oder sich so viel aneignen zu müssen und dann weichen Sie aus und tun Sie den ersten Fehler. Daher müssen Sie Leute finden, die bereit sind und auch in der Lage sind, das mitzubringen. Und das ist nicht so einfach.
Umgekehrt musst Du natürlich auch für die Menschen Arbeitsplatzsicherheit schaffen. Du kannst jetzt nicht mit dieser neuen Zielsetzung plötzlich das gesamte Kind mit dem Bade ausschütten. Menschen sind ja mit einer gewissen Berufserfahrung, mit einer gewissen Ausbildung zur Telekom gekommen und sie erwarten auch, dass sie auf dieser Reise mitgenommen werden. Und andere, die vielleicht gar nicht mehr auf diese Reise wollen, denen musst du zeigen, wo sie sonst noch gute Dienste machen. Und das braucht deswegen auch eine gewisse Transformationszeit. Und jetzt haben wir schon ein paar Beispiele dieser Transformationsecken und Kanten gelernt. Also einmal eine ganz klare Linie haben, die artikulieren, dies auch einfordern, dazu auch befähigen.
Auch dadurch, dass du sie selber vorlebt, auch dadurch, dass du selber dein Management dazu bringst, aber dann auch die Menschen befähigen und mitnehmen, vielleicht in andere Aufgaben, andere Positionen. Das wird durchaus dann in so einer
Situation für den einen oder anderen auch als schwierig wahrgenommen, aber das muss man dann auch akzeptieren und die Geduld zu haben, dass das eine Zeit lang braucht. Auch dies ist über die Jahre gewachsen und das meinte ich, wenn ich eben gesagt habe, dass es mir heute vielleicht etwas besser gelingt, als früher in so einer Transformation, auch in vielleicht rauen Fahrwasser, trotzdem mit Ruhe, ich will nicht sagen Gelassenheit sagen, aber ohne große Hektik die Menschen dann dorthin zu bringen. Das ist sicher ein langer Weg, aber einer, der sich lohnen wird.
Thomé: Sie haben eben in einem Nebensatz die schwierige Weltwirtschaft schon angesprochen. in meiner Erfahrung haben die vielen exogenen Schocks in den letzten Jahren, gerade die Corona-Krise, auch der Krieg in der Ukraine, neben vielen anderen Effekten auch große Auswirkungen auf die Warenlogistik gehabt. Ich sehe das in der Industrie, globale Lieferketten haben in kürzester Zeit nicht mehr funktioniert und auch dadurch haben wir nochmal drastisch vor Augen geführt bekommen, wie abhängig wir eigentlich in vielen Bereichen von anderen Ländern, anderen Regionen der Erde sind.
Und ich glaube, diese Erkenntnis haben viele Unternehmen gemacht. Nachdem wir jetzt seit etwa zwei Jahrzehnten voll auf Globalisierung gesetzt haben bei den Lieferketten, erkenne ich in meinen Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern gerade so eine Zielverschiebung. Resilienz ist das Gebot der Stunde, eine Rückbesinnung auf Regionalisierung. Also wie können wir möglichst viel auch in Deutschland sourcen? Auch in meiner Wahrnehmung stehen Werte wie Qualität, Sicherheit plötzlich wieder ganz oben auf der Agenda. Spüren Sie diesen Trend eigentlich auch in der IT und bei Digitalisierungsthemen? Zur Zeit habe ich immer das Gefühl, dass es heißt, alles in die Cloud.
Abolhassan:Ja, also alles in die Cloud ist nochmal eine Technologiefrage. Das ist keine Frage von “wie produziere ich?”. Da komme ich vielleicht gleich nochmal dazu. Aber ich will mal ganz vorne anfangen. Ich persönlich glaube nicht, dass die Welt in einer schwierigen Lage ist, was die Nachfrage von Kunden angeht. Ich glaube, dass es mehr Kunden denn je gibt, die auch erstens mehr Mittel haben, gewisse Güter auch zu konsumieren, als vor 20 oder 30 Jahren. Das ist erstmal ein Sachverhalt. Also ich glaube, dass der Wohlstand großer Länder wie China oder Indien als Beispiel, die jetzt neu dazugekommen sind, um den Kampf an Ressourcen, auch an Arbeitsplätzen, aber auch an Gütern, nun gewachsen sind. Also wenn wir das clever machen, ist der Konsum von allen Waren eher steigend. Die Frage, wie komme ich jetzt als Wettbewerber hier immer noch mal genauso gut zum Tragen? Das ist etwas, von dem ich glaube, dass ein Unternehmen tatsächlich resilient sein muss gegenüber der Frage, wie bedient es den Kunden am besten? Kunden sind viel, viel mündiger geworden. Also sind sie auch in der Lage zu entscheiden, was ist für sie das richtige Produkt? Z.b die E-Mobility, die zeigt ja viel, was gut und was schlecht laufen kann. Ich glaube, dass Deutschland da viele Fehler gemacht hat,. Wir sind ein Automobilland. Ich glaube, dass man das von viel längerer Hand vorbereiten hätte müssen, wenn man auf alternative Energien all seine Chips setzt.
Und jetzt erkennt man plötzlich, dass andere Länder in einem gewissen Eigennutz jetzt nochmal von der Elektromobilität nicht abrücken, aber das mit einem dosiertem Tempo machen, anstatt uns aus welchen Gründen auch immer an die Spitze der Bewegung gesetzt zu haben. Und gerade hier im Saarland sehen wir auch die Auswirkungen. Das heißt aber nicht, dass sich jetzt in der Weltwirtschaft tatsächlich etwas verändert, weil die Wirtschaft immer an die Frage von Angebot und Nachfrage gekoppelt ist. Also die Nachfrage ist so hoch denn je und das Angebot wird gegebenenfalls von anderen, die schneller, resilienter oder auch cleverer sind, getätigt. Und dazu zähle ich im Moment mal ganz vorneweg China. Also ich glaube, dass die Chinesen in der Frage der E-Mobility dem Elon Musk gerade zeigen, wie es wirklich funktioniert. Also wir hätten, glaube ich vor fünf Jahren noch alle gesagt, der Elon Musk ist unser Hauptproblem mit Tesla. Jetzt glaube ich hat der Elon Musk selbst ein größeres Problem und sieht wie andere wiederum es besser machen. Dazu komme ich dann nochmal zurück zu Ihrer Frage regional versus überregional. Auch hier gilt, dass es ja immer wieder Wellen gibt. Wir sind jetzt eine Zeit lang die letzten 20 Jahre vielleicht dem reinen Kostenaspekt gefolgt und haben gesagt, wir gehen entlang ganz langer Lieferketten. Wir nehmen also gewisse Wertschöpfungsanteile ganz weg, geben die in andere Hand. Also, auch in der IT-Industrie ist das Thema Offshoring bis heute übrigens noch nicht wegzudenken. Aber es gibt gewisse Themen, wo Sie auch als IT-Unternehmen sagen, gewisse Kompetenz brauche ich vielleicht doch wieder eher und enger bei mir selber. Und dazu gibt es ein schönes Beispiel, das ich letzte Woche in Brasilien gesehen habe.
Und da war ich bei Daimler Truck, einer unserer größten Kunden in Brasilien. Und die haben dort das Werk in der Nähe von Sao Paulo so gebaut, dass eigentlich tatsächlich bei der Fertigung alle herum sitzen. Also auf einem Campus, das gesamte Auto, der gesamte Truck wird praktisch von der IT über die Teile, über die Fertigung, das Assembling, alles dort in diesem einen Werk produziert. Etwas, was übrigens in Europa fast ganz außer Mode geraten ist und was übrigens zum Beispiel Daimler selbst bei seinen Personenwagen so gar nicht mehr macht. Und wenn Sie jetzt mal schauen, wie baut man den Mast einer SpaceX-Rakete, dann ist jeder fasziniert, wenn er sagt: “guck mal, der hat das alles um die Rakete, da sitzen die Ingenieure, das sind IT-Leute, alle um die Rakete rum, die einen schweißen, die anderen löten, der andere programmiert”. Und genau das passiert bei Daimler Truck auch. Das heißt, man hat gar nicht mal nur aus der Frage heraus, ob man vielleicht lange Lieferketten zu besserem Preis nutzen kann, zur Organisation dieser Produktion genommen, sondern hat gesagt, wenn jeder das Produkt jeden Tag riecht, sieht und fühlt, dann ist das am Ende für das Produkt, für den Kunden das Beste. Jetzt kommt die andere Frage, wie kriege ich das wettbewerbsfähig hin? Wenn ich also in einem Land bin, wo eben die Lohnkosten so hoch sind, dann ist das ja eine schöne Story mit meinem Allentumwerk rum, aber vielleicht sitze ich in einem Hochlohnland, wo das gar nicht so geht. Und das ist, glaube ich, auch eine Frage, in der Deutschland jetzt auch die Antwort geben muss. Ein solches Werk in Deutschland würde deutsche Löhne bedeuten und die sind mit Sicherheit auf Dauer für den Kunden im internationalen Wettbewerb nicht interessant, weil dort das Auto dann zu teuer wäre. Wir machen das bei T-Systems zum
Beispiel so, dass wir sogenannte Landed Resources nehmen, das heißt, wir nehmen zum Beispiel indische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier in Deutschland arbeiten, dann kombinieren sie zwei Dinge miteinander. Die können an der Rakete sitzen, sozusagen um das Werk rum, um das Produkt, um das Software Werk rum, was die Metapher von der Rakete aufgreift, aber sie haben dann natürlich andere Gehaltsgefüge, weil sie eben nicht dem deutschen Lebensmittelpunkt entsprechen, also auch eine ganz andere Gehaltsbasis haben etc. Das ist ein Thema, das sich mehr und mehr in die Thematik einschleicht. Wie können sie auch Offshore machen, ohne den kulturellen Sprung zu machen. Aber langfristig, glaube ich, muss man einfach verstehen, wo baut man diese Werke und wo hat man tatsächlich am besten den Kompromiss aus guten Produktionskosten, damit hoher Wettbewerbsfähigkeit auch möglich ist. Kurzen Lieferketten, weil da haben Sie recht, die langen Lieferketten haben immer natürlich die Gefahr von Krisensituationen, ob das Kriege, Umweltkatastrophen, Streiks etc. sind. Da haben wir ja vieles gesehen in der Chip-Industrie, wie abhängig wir immer noch von Fernost sind. Und deswegen habe ich ja mit Freude gesehen, als alter Hardware-Mann und Chip-Bauer, dass man jetzt gesagt hat, man will in Deutschland endlich auch wieder in die Chip-Produktion und auch tatsächlich in die vermehrte Hardware-Produktion einsteigen, um tatsächlich unabhängiger zu werden. Wir sind im Land von Nixdorf, wir sind im Land von Zuse, wir haben den Computer erfunden. Es ist eigentlich eine Schande, dass wir selber keine mehr bauen. Da müssen wir auch wieder hin. Am Ende ist jede Kaffeemaschine, hat einen Computer und Ihre Kamera und Ihr Mikrofon auch, einen Chip. Und da dürfen wir nicht abhängig werden.
Thomé:Wenn wir jetzt mal kurz auf die wirtschaftliche Situation in Deutschland schauen. Sie haben es eben mit den Arbeitskosten kurz angerissen. Wir haben konjunkturelle Stagnation. Unternehmen bekommen ihre Kostenbasis mehr und mehr nicht mehr in den Griff. Energieintensive Industrie wandert ab. Durch ausbleibende Investitionen haben wir sicher auch bereits ein Stück an Innovationskraft und auch an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Jetzt habe ich in der Vorbereitung über Sie gelesen, dass ein zentrales Mantra von ihnen lautet, “hör den Menschen zu, dann weißt du, was zu tun ist”. Was raten Sie den Wirtschaftspolitikern im Bund und Land?
Abolhassan: Übrigens hat mich ein Mitarbeiter neulich belehrt, ich dürfe das eigentlich gar nicht unbedingt “Mantra” nennen, weil dann würde ich ihn zu einer gewissen religiösen Tendenz zwingen. Das ist natürlich auch immer so im Miteinander. Auf solche Sachen muss man hören, dann nenne ich es eben anders. Aber ich nenne das eben als eine meiner Leitlinien deswegen, weil ich daran selber lebe. Also als ich in den Job von Sales & Service gekommen bin, bin ich erstmal lange, lange auf eine Reise gegangen durch alle Servicecenter, Shops etc.
So wie ich jetzt auch kontinuierlich durch die Länder fahre, die Kunden sehe etc. Ich habe seit Dienstantritt im Januar, würde man sagen, bestimmt 300 Großkunden getroffen. Also das ist von den Tagen her, wenn Sie das teilen, auch nur deswegen möglich, weil Sie vieles über dann Videocalls machen oder weil Sie viele Kunden besuchen, wie jetzt letzte Woche, dann mache ich schon mal fünf oder sechs an einem Tag und dann geht das auch. Also versuche ich mich schon wirklich danach zu organisieren, dass ich jede Woche genügend viel Input von Kunden, aber genügend viel Input auch von Mitarbeitern habe. Und dabei gilt es jetzt, über dein eigenes neuronales Netz und deine Erfahrung auch auszusortieren. Nicht alles, was du da hörst, ist direkt auch immer wieder direkt umsetzbar oder auch tatsächlich nützlich. Aber die Kombination all dieser Elemente, die bringt dir zu deinem eigenen Erfahrungsschatz am Schluss den richtigen Schliff rein. Und ein Kunde wird immer von dir als Dienstleister, der wir ja sind, mehr erwarten. Der wird immer versuchen, dich in eine Ecke zu ziehen, der dann vielleicht auch vom Standard mehr weg in Individualentwicklung geht, was ich am Ende auch, wovor ich jeden Kunden nur warnen kann. Aber es ist erstmal wichtig, dass man versteht, was bringt den Kunden dazu, dass er das von dir fordert, was sind seine Probleme und das zu ergründen, genau wie die Probleme der Mitarbeiter, die eine gewisse Artikulation am Ende bei dir enden lassen, das ist das Wichtige. Also, was ist das Problem, was er lösen will?
Und das muss man stetig erkennen, erfahren, diskutieren und verarbeiten. Und dann bringt man die richtigen Produkte, die richtige Dienstleistung und auch die richtige Ausbildung raus. Das ist glaube ich auch was, was auch viele Politikerinnen und Politiker im Transfer auch in ähnlicher Weise umsetzen sollten. Ja, also ich habe mir immer angemaßt, nicht über andere Berufsgruppen zu reden. Ich war noch nie Politiker und an sehr hoher Wahrscheinlichkeit, grenzender Sicherheit, werde ich auch keiner. Ich glaube, jeder Beruf hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten und Vor- und Nachteile.
Aber hier ein Beispiel, was sich ein deutscher Bürger wünscht: Dass nun die Digitalisierung tatsächlich wirklich mal passiert, kann ich nur jeden Politiker in gleichem Maße auffordern: “sprich so häufig wie du kannst mit Bürgern und nimm es nicht als Kritik oder nimm es nicht als Genörgel wahr, wenn er sich dahingehend äußert”.
Dass der Bürger z.B. sagt, “ wieso muss ich, um mein Auto anzumelden, noch aufs Amt gehen? Wieso kriege ich dort nur unter größten Schmerzen einen Termin? Wieso brauche ich überhaupt einen physischen Termin? Warum kann ich nicht ein Haus bauen, warum kann ich das tatsächlich nicht alles komplett über das Internet machen?
Warum kann das nicht alles tatsächlich digitalisiert passieren? Warum ist es nicht so wie in Litauen oder Lettland, dass dort alle Bürger Prozesse -und ich meine wirklich alle bis auf die Heirat-, das ist der einzige Bürgerprozess, der dort nicht voll digital läuft”. Ansonsten brauchen sie nirgendwo aufs Amt zu gehen, sie brauchen deswegen keinen Termin. Es hat auch der Staat dann nicht die Probleme, dass er zu wenig Leute hat, all diesen Terminen zu entsprechen etc. Also das ist etwas, wofür ich nur jeden Politiker begeistern kann, sich dieses nochmal als Input von den Bürgern zu nehmen, denn irgendwo sind es aus meiner Sicht auch seine Kunden.
De facto ist es aber tatsächlich, und das erlebe ich als Privatmann immer noch so, dass meine Frau sagt, sie muss immer noch um die Autos anzumelden und abzumelden und muss dazu immer noch mal auf das Amt hingehen. Und das Beste, was es gibt, ist, dass man sich einen Termin sozusagen in einer internetbasierten Auktion schießen kann.
Das ist für mich dann aber schon zynisch. Wenn das Beste an Digitalisierung ist, dass ein Anmeldeprozess des Autos nur dann geschieht wenn du dich beeilst, bevor dir jemand diesen Slot wegschnappt. Dann geht es, glaube ich, komplett in die falsche Richtung. Dann hat, glaube ich, jemand nicht zugehört. Aber grundsätzlich, nochmal, es ist wirklich vieles vorhanden, was man nutzen könnte, um Vorreiter zu sein. Wir haben als Saarland die Größe von Litauen und Lettland, also wenn man sagt, warum klappt es da, dann ist meine Antwort immer, weil dort schnelle Prozesse und schnelle Entscheidungen getroffen werden können. Das können wir hier auch. Weil dort viel Bildung existiert, das haben wir hier auch. Und weil wir schnell Kunde und Provider oder Ideengeber oder Ideennehmer schnell zueinander bringen können. Das haben wir hier auch. Kleine Fläche, überschaubare Kunden- bzw. Bürgerstruktur, hohe Ausbildung, hohe Kompetenz. Das könnte eigentlich dazu führen, dass wir ein digitales Modell-Land sind und dass die Bürger vom Saarland sagen, nirgendwo kriege ich besser als hier im Saarland die Dinge, die ich brauche, digital zueinander. Ich kann mein Haus heute umbauen, ohne mit jemandem zu reden, ich kriege eine Genehmigung oder ich kriege dann gegebenenfalls auch Anforderungen, was ich tun muss, um den Genehmigungen zu entsprechen, relativ schnell über die digitale Strecke. Ich kann das gleiche für meinen Job, ich kann eine Firma an einem Tag gründen, am nächsten Tag wieder auflösen, am nächsten Tag wieder eine neue gründen, so wie das in diesen Staaten der Fall ist. Das würde ich mir wünschen, dass das Saarland, wie es hier auch im Eingangsschild steht, “Großes entsteht im Kleinen”.
Thomé: Lieber Herr Abolhassan, von außen betrachtet wirkt es so, dass alles, was Sie anpacken, auch klappt und immer erfolgreich ist. Ist das wirklich so oder gibt es auch Dinge, wo Sie sagen, da bin ich mal gescheitert?
Abolhassan:Ja, ich bin auch bestimmt schon öfter gescheitert. Also ich habe schon auch einen großen Karriereknick hinter mir. Aber es ist auch bei jedem mal so, wenn ich zurück gucke, sieht das alles immer ganz toll aus. Das ist übrigens auch meine innerste Überzeugung, dass keine Strategie von vorne gebaut wird, sondern eine Strategie ist immer der Rückwärtsblick. Wenn ich in meinen letzten acht Jahren in Sales und Service zurückgehe, denke ich, wow, das ist ja Wahnsinn, von sechs Millionen Beschwerden runter auf hunderttausend, mittlerweile keine geplatzten Termine mehr, Service-König und so weiter. Ich habe über die ersten zwei, drei Jahre Blut und Wasser geschwitzt. Es gab dort ganz viel Sorge, dass man scheitern könnte. Das persönliche Scheitern wird über die Dauer weniger zum Maßstab für einen selber, weil Sie dann in der Lebensphase sind, weil Sie dann auch vielleicht auch genügend bewiesen haben etc. Klopsches Zitat: “ich möchte Liverpool zu etwas machen, was funktioniert”. Und da ist es so, dass am Anfang einer Transformation, so wie jetzt auch gerade wieder, habe ich ganz viel Unsicherheiten. Kriegst du das hin? Kriegt man das hin? Und das ist vielleicht aber auch dieses paranoide Gefühl des möglichen Scheiterns. das macht einen auch stark. Die Tatsache, dass du paranoid über alle Themen nachdenkst, die schief gehen können, bringen dich auch manchmal runter. Ich habe also oft die Diskussion mit meiner Frau, die sagt, du bist immer Worst-Case-Denker und am Ende, wenn es dann doch klappt, dann sagst du nichts. Und wenn es nicht klappt, hast du immer schon gesagt. Es ist richtig:, der Worst-Case-Denker lebt immer schlechter, weil er grundsätzlich von einem negativen Ausgang, über einen negativen Ausgang denkt. Aber das ist ja nur die halbe Wahrheit. Sie sind Worst-Case-Denker zum einen, aber Sie wollen auf jeden Fall Best-Case liefern. Und das ist das, was ich mit Paranoia. Und insofern würde ich da mal abschließen und sagen, ich denke nicht über mein persönliches Scheitern nach, sondern über, wie verhindere ich, dass das, was wir jetzt vorhaben, scheitern könnte. Und daraus baue ich dann, “wie werden wir erfolgreich”.
Thomé:Noch eine schnelle Frage zum Abschluss. Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Möglichkeit, mit einem allwissenden technischen Gerät aus der Zukunft zu sprechen. Was wäre das für ein Gerät und welche Frage würden Sie ihm als erstes stellen?
Abolhassan: Ich bin kein Philosoph, das ist ja eine philosophische Frage. Mit zunehmendem Alter wird man dann zum Hobbyphilosoph. Und jetzt schwebe ich ja so immer nochmal über verschiedene Sachen. Neulich bin ich um den Bostalsee gelaufen.
Da ist ja diese eine Stelle, wo dann nochmal das Erdenplanetensystem mit den acht Planeten sieht und dann denkt man darüber nach, denkt man, das sind ja gar nicht so viele Planeten, mein Gott. Ja und dann kommen nochmal so viele andere Planeten-Systeme, dann denkt man darüber nach, wie wahrscheinlich ist es eigentlich, dass jetzt so eine Erde lebbar ist, es muss vielen Dingen entsprechend, die Sonne muss nah genug sein, aber nicht zu weit weg, sie muss oder auch darf nicht zu nah sein, es muss eine gewisse Erdachse geben, die in einer gewissen Schiefe auch dafür sorgt, dass tatsächlich auch nochmal eine gewisse Vegetationsunterschiedlichkeit ist, dass eine Ozeanschicht da ist. Und wenn man sie dann über die ganzen Wahrscheinlichkeiten nachdenkt, wie wahrscheinlich das ist das. Und dann kommt man zu dieser entscheidenden Frage, die ich komplett absurd finde, aber die dann immer wieder hochkommt. Ist das jetzt Zufall oder ist das alles eine Simulation? Dann wird es ja komplett esoterisch. Ich bin ja absolut kein esoterischer Mensch. Aber das auszuschließen, dass wir mehr sind als eine Simulation und was wäre tatsächlich der große Grund für einen Urknall und was gibt es da außerhalb? Das würde ich schon gerne fragen.
Thomé: Lieber Herr Abolhassan, ganz herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für Sie.
Abolhassan: Ja, danke schön. Hat mir Spaß gemacht. Vielen Dank