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Gas geben mit ProWin

Sascha Winter: Von Unternehmensführung und PS-Liebe

Thomé: Willkommen zu Deep Dive Wirtschaft, Trends, Technologien und Transformation im Saarland. Mein Name ist Frank Thomé und ich bin der Hauptgeschäftsführer der IHK des Saarlandes.

Ja, ich freue mich heute sehr, Sascha Winter bei mir als Gast im Podcast begrüßen zu dürfen. Ich weiß gar nicht, wie ich ihn beschreiben soll, denn der Mann, der hat so viele Talente und Leidenschaften, dass vielleicht der Begriff Tausendsassa noch am ehesten zutreffend ist.

Er ist neben vielen Dingen vor allem Unternehmer mit Leidenschaft, mit dem Herz am richtigen Fleck und einem riesengroßen sozialen Engagement und daneben noch Autosammler, Rennfahrer, Dartspieler und -last not least- treusorgender Familienvater.
Ich weiß jetzt gar nicht, ob ich da noch etwas vergessen habe. Er wird es uns gleich erzählen. Ganz herzlich willkommen zum heutigen Deep Dive Wirtschaft, Sascha Winter.

Winter: Hallo.

Thomé: Ja Sascha, toll, dass du hier bist. Direkt die erste Frage, was fehlt denn da noch in der Aufzählung?

Winter: Das ist gar nicht so einfach, weil es kommt natürlich immer ein bisschen darauf an, wo man die Prioritäten am stärksten sieht. Du hast da, glaube ich, schon vieles richtig gemacht, obwohl das für mich gar nicht mal die einzelnen Unterscheidungen der Kategorien sind, sondern alles gehört irgendwie zusammen und macht irgendwie mich dann auch aus.
Deswegen fällt es mir auch manchmal schwer zu trennen.
Ansonsten ergänzen könnte man noch Tierfreund, weil ich natürlich auch mit meinen beiden Hunden und auch sonst zu Hause immer so ein bisschen einen halben Zoo habe.
Aber ich glaube, das kann man schon insgesamt als die größten herausstechenden Dinge in meinem Leben stehen lassen.

Die Erfolgsstory von proWIN

Thomé: [2:11] Geben wir mal der Reihe nach vor, ich hatte ja in meiner Aufzählung zunächst ganz bewusst den Unternehmer als erstes genannt.
Ich glaube, das, was ihr mit eurer Familie bei proWIN in den letzten mittlerweile 28 Jahren aufgebaut habt, das ist mehr als beeindruckend.
Um mal so ein paar Zahlen, Daten, Fakten zu nennen: inzwischen rund 240 Mitarbeiter, über 400 Produkte in eurem Sortiment, in den Bereichen Reinigungsmittel, Kosmetik, Tiernahrung. Ein Umsatz im Jahr 2022 von 262 Millionen Euro und ihr zählt auch weltweit inzwischen über 100 .000 Vertriebspartner, jährlich kommen Tausende hinzu. Also unglaubliche Zahlen.
Was macht ihr eigentlich besser als andere? Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Winter: Ja, dafür reicht die Sendezeit vielleicht nicht, um das wirklich zu analysieren, aber Papa hat immer schon gesagt: “Wir sind die mit den fünf A's: alles anders als alle anderen.” Ich glaube, entscheidend ist, dass was man tut mit Begeisterung zu tun und mit voller Überzeugung zu tun.
Natürlich glaube ich, dass wie immer bei erfolgreichen Unternehmern und Unternehmerfamilien auch die kleine Portion Glück dazu gehört, dass das auch funktioniert, dass man zur richtigen Zeit das Richtige tut, dass man die richtigen Leute findet, die mitmachen, die Multiplikator sind, die die Begeisterung, also das Feuer angezünden und durch das Feuer eben auch andere anzünden. Das ist Vertrieb, da funktioniert das nur so und ich glaube natürlich auch, dass bei meinen Eltern das Risiko einfach belohnt wurde und dass sie einfach viele Dinge richtig gemacht haben.
Mein Bruder und ich sind nun die zweite Generation. Man sagt ja manchmal scherzhaft, die erste baut auf, die zweite hält, die dritte macht's kaputt. Wir wollen natürlich versuchen ein bisschen mehr zu halten und mal sehen, was dann die dritte daraus macht, ob die überhaupt dann zum Tragen kommt oder nicht.

Die familiäre Unternehmensphilosophie

Aber Fakt ist, wir haben das, glaube ich, als Familie dann eben in den letzten Jahren auch immer genauso gelebt, wie wir es vorgelebt haben, wie wir es nach außen hin getragen haben und haben nicht versucht, irgendwie Leute zu veräppeln oder unsere
Vertriebspartner auszunutzen, nicht durch sie erfolgreich zu werden, sondern wir wollten immer gemeinsam mit ihnen erfolgreich werden. Das, glaube ich, hat schon viel dazu beigetragen.

Thomé: Jetzt hast du einige Aspekte erwähnt, da würde ich gerne noch ein bisschen in die Tiefe einsteigen.
Du hast deinen Papa erwähnt, du hast gesagt, auch mal Risiko in Kauf genommen, belohnt worden, dann schon für harte Arbeit, was ja viele von außen oft nicht sehen.
Ist die Tatsache, dass das Unternehmertum ja nicht nur mit vielen Höhen, sondern auch Tiefen, mit Rückschlägen, mit ganz, ganz harter Arbeit verbunden ist und man fängt ja in den meisten Fällen auch klein an.
Gerade wenn man was aufbaut und wenn man sich dann anschaut, wo proWIN heute steht.
Dann hat es wahrscheinlich wirklich viel damit zu tun, felsenfest an die Idee zu glauben, sich da nicht beirren zu lassen auf dem Weg und alles dafür zu tun, die eigene Vision auch konsequent umzusetzen.
proWIN wurde 1995 gegründet, da warst du ja noch Kind bzw. Jugendlicher, also würde mich jetzt mal wirklich interessieren, wie hast du damals als Jugendlicher deine Eltern deinen Papa in der Zeit erlebt.

Winter: Also ich habe das ja schon mal mitgemacht. Acht Jahre, neun Jahre vorher haben meine Eltern ja Ha-Ra mit aufgebaut. Da war ich sechs Jahre alt.
Bis zu dem Zeitpunkt war mein Vater hauptsächlich als Journalist aktiv und eigentlich selbstständig und da habe ich ihn sehr, sehr häufig um mich herum gehabt und als das dann natürlich losging mit dem Vertriebsaufbau, waren das natürlich ein paar andere Jahre.
Das heißt also, Papa war plötzlich nur noch jedes Wochenende oder manchmal nur jedes zweite Wochenende da. Er hat natürlich versucht das mit uns Jungs, mittlerweile war dann ja auch mein Bruder auf der Welt, irgendwie auszugleichen, zu kompensieren, sage ich jetzt mal.
Und trotzdem hätte ich natürlich zu der Zeit damals den startenden Erfolg jederzeit gegen Zeit mit meinem Vater eingetauscht, was glaube ich den meisten Kindern so gehen würde. Von daher war ich dann, als dann die Ha-Ra Geschichte endete und 1995 im Prinzip der Neuanfang bei proWIN nochmal losging, war ich nicht ganz so unbedarft, weil ich schon ungefähr wusste, was mich erwartet.
Und es war auch so, die ersten vier, fünf Jahre war es noch mal ganz genauso, ein kompletter Neustart.
Und wenn man sich gedacht hat, weil bei Ha-Ra ja schon ein guter Erfolg da war, dass das Ganze beim zweiten Mal einfacher würde, dann hat man sich da leider geschnitten.
Im Gegenteil, es ging ganz, ganz viel Ressourcen drauf, es ging viel Nerven drauf, es ging viel Zeit drauf. Es ging auch, bei meinen beiden Eltern im Prinzip, rückblickend betrachtet, auch viel Gesundheit drauf. Und es war im Prinzip Jahr für Jahr auf der Kippe, ob es proWIN weiter geben wird.
Kein Gehalt ausbezahlt, die persönlich aufgebauten Ressourcen aufgebraucht, immer mehr aufgebraucht, die Mitarbeiter natürlich bezahlt, aber so langsam aber sicher war dann eben nicht mehr viel da.
Und dann kam - Gott sei Dank - irgendwann durch viel Fleiß, durch Hartnäckigkeit, Beharrlichkeit und durch den Glaube daran, dass es doch irgendwie funktioniert, kam dann 2000 auch so mal der Break-Even-Point, wo man ein Jahr hatte, wo es dann eben aufwärts ging.
Und seitdem, Gott sei Dank, hatten wir dann eigentlich fast nur Jahre des Aufwärtsgehen jetzt mal, die letzten zwei etwas speziellen Jahre ausgeklammert.

Aber um nochmal kurz auf die Frage zurückzukommen:
Ich habe das schon so erlebt, dass ich es mit 14 Jahren dann mehr verstanden habe, auch wenn mir die Bedeutung natürlich noch nicht so ganz bewusst war, für das, was eben meine Eltern da für mich und für meinen Bruder eben am Schaffen sind oder am Aufbauen sind.
Das verstärkt natürlich die Dankbarkeit, die ich heute empfinde, und verstärkt natürlich auch die Motivation oder hat die Motivation in den letzten 20 Jahren gestärkt. Ich bin ja dieses Jahr jetzt im Prinzip genau 20 Jahre bei proWIN auch aktiv im Tagesgeschäft dabei.
Das hat die Motivation auch bestärkt, das natürlich weiter aufzubauen und da eben was draus zu machen, was Gutes draus zu machen. Was auch immer das dann heißt, weil was Gutes draus zu machen heißt ja nicht nur die Firma noch erfolgreicher zu machen, sondern eben auch sein persönliches Leben mit seiner eigenen Familie auch so zu leben, dass die Eltern es gut finden.

Thomé:Das finde ich ganz spannend, weil das ist ja schon auch eine ganz aktive Erinnerung, die du daran hast, auch schon als Fünfjähriger, später dann ja nochmal, eine ganz entscheidende Phase im Leben eines Kindes, eines Jugendlichen.
Inwieweit hat dein eigenes Erleben damals denn auch was mit dir gemacht? Du bist ja heute auch selbst Papa.

Die Entscheidung, ein aktiver Vater zu sein

Winter:
Genau, also auf der einen Seite habe ich mir schon im Prinzip die Gedanken gemacht und das macht man wirklich meistens, glaube ich, das kannst du bestimmt auch bestätigen, erst wenn der Nachwuchs dann mal da ist.
Vorher ist das sehr viel Theorie und ich habe dann eben gemerkt, dass ich nicht möchte, dass der irgendwann sagt: “Mama, wer ist denn eigentlich der nette Mann, der ab und zu sonntags beim Frühstück da ist?”
Und habe dann halt gesagt, okay, im Rahmen der Möglichkeiten, die wir haben durch die ganz gute Situation, die da geschaffen ist, möchte ich das für mich ein bisschen anders haben, als es eben dann bei mir damals mit 5, 6, 7 war. Ich möchte die Möglichkeit haben, für meinen Sohn da zu sein und ihn aufwachsen zu sehen.
Ich bin ja auch nicht jung Papa geworden, sondern eben mit 38 das erste Mal. Und das wollte ich natürlich dann eben auch wirklich richtig nutzen und dann habe ich die Entscheidung getroffen, zusammen mit meiner Familie, mit meiner ganzen Familie, nicht nur mit meiner Frau, sondern auch mit meinem Bruder und mit meinen Eltern.
Das war ja gerade die Zeit, als meine Eltern so aus dem Alltagsgeschäft zurückgetreten sind.
Mein Bruder und ich sind beide sechs Jahre in der Geschäftsführung und ich habe dann gesagt, okay, ich möchte meinen beruflichen Alltag ein bisschen ändern, um eben, wenn ich weniger arbeite, aber vielleicht ein bisschen effektiver und ein bisschen manche Dinge anders machen, dass ich eben die Zeit für meinen Sohn besser einbauen kann.

Thomé: Jetzt bist du 20 Jahre schon bei proWIN dabei. War es eigentlich damals schon als Jugendlicher, war es damals bereits klar, dass du da irgendwann mal in die Firma einsteigst und dann auch perspektivisch mit deinem Bruder, der glaube ich auch noch über vier Jahre jünger ist als du, dass ihr da irgendwann auch mal beide in die Geschäftsführung geht? War das klar?
Habt ihr da überhaupt eine Wahl gehabt?

Winter: Ja, also die Wahl hat mir auf jeden Fall, das muss ich ganz klar sagen. Meine Eltern haben nie Druck aufgebaut.
Meine Eltern haben immer gesagt: "Ihr Jungs macht das, was ihr wollt. Das Einzige, was ihr machen müsst, ist Abi, damit ihr alle Chancen habt.”
Das haben wir dann beide auch gerade so irgendwie durchgerutscht. Nicht, weil wir doof waren, sondern weil wir zu faul waren.
Aber es gab nie Druck. Es gab nie den Druck. Im Gegenteil. Meine Mutter hat eigentlich immer gesagt, weil sie ja wusste, was es auch für Entbehrlichkeiten, trotz der ganzen positiven Dingen, im Unternehmen gibt. Da hat meine Mutter immer gesagt, sie wünscht sich für ihre Söhne eigentlich eine andere Zukunft. Also einfach eine, in der wir in einem anderen Beruf erfolgreich sind und Spaß haben.
Natürlich waren beide dann trotzdem stolz, als es sich so ergeben hat, aber ich wollte bis ich 17 oder 18 war alles andere machen, nur nicht die Firma übernehmen, weil ich natürlich auch die ganzen Sonntagsgespräche beim Mittagessen und sonst was irgendwann satt hattet.

Thomé: Ich wollte gerade sagen, gab es mal da überhaupt andere Themen unter dem Weihnachtsbaum?
Gibt es da mal den Moment, wo man sagt, okay, das ist mir alles zu viel, ich will ganz bewusst was anderes machen?

Die erste Generation baut, die zweite hält…

Winter: Beides ja.
Es gab eine Zeit, in der es kaum andere Themen gab. Das hat natürlich, sagen wir mal, auch dazu geführt, dass man da auch weniger abschalten kann, obwohl wir wirklich ein top intaktes Familienleben haben.
Und es gab dann eine Zeit, in der wir gesagt haben, wir müssen proaktiv schauen, dass wir eben uns einfach auch mal in der Familie Auszeit nehmen und über andere Sachen reden, als eben nur über die Firma.
Das haben wir mittlerweile sehr gut hingekriegt.
Natürlich, spätestens dadurch, dass sich eben auch die beruflichen Alltage auch bei meinen Eltern verändert haben, sind jetzt die Familientreffen in einer komplett anderen Qualität.
Vorher war es dann schon so, dass man die rare Zeit, die man hatte, leider, sage ich ganz ehrlich, häufig nutzen musste, weil wir uns eben unter der Woche außer in zwei, drei Terminen zu wenig gesehen haben.
Und wenn man dann samstags oder sonntags bei Mama oder bei Oma zum Essen saß, war es oft so, dass man die Arbeitgeschehnisse der Woche einmal kurz zusammengefasst - im Gesellschaftskreis sozusagen- auf den Tisch gebracht hat. Das war schon so, das ließ sich gar nicht verhindern.
Und das war natürlich auch schon so, bevor mein Bruder und ich eingestiegen sind. Und deswegen hatten wir beide natürlich auch ein Stück weit, bevor wir so tief rein kamen, auch irgendwie genau das Gegenteil vor.
Nämlich wir hatten eigentlich eh die Schnauze voll, weil wir gesagt haben, wir haben keinen Bock, jeden Sonntag über die Firma zu reden und wollen beide was anderes machen. Ich wollte ursprünglich Sportredakteur werden. Ich habe ja hier auch mal sieben Jahre nebenbei noch beim Saar Amateur gearbeitet und dort geschrieben. Man sagt man mir nach, das kann ich auch ganz gut. Und das wollte ich irgendwie so in die Richtung machen.
Mein Bruder wollte entweder Meeresbiologe werden oder irgendwas anderes mit Reisen und Tieren machen. Der ist ja zumindest hobbymäßig auch sehr nah dran an seinem Berufswunsch.

Thome: Nimm uns noch mal kurz mit hinter die Kulissen. Familienunternehmer zu sein, ist ja was ganz Besonderes. Das ist auch nicht vergleichbar mit einem angestellten Job.
Und bei aller Professionalität im Job ist man ja immer auch eine Familie. Das hat ja viel mit Identifikation zu tun, mit Leidenschaft.
Aber überall, wo Leidenschaft ist, sind ja auch Emotionen nicht weit. Ist das in der Familie immer alles nur Friede, Freude, Eierkuchen oder fliegen da auch mal die Fetzen?

Winter: Absolut. Wir sind nicht nur leidenschaftlich, sondern sind auch alle emotional und sind überwiegend Bauchmenschen und dann rappelt das natürlich auch mal.
Gerade mit, sagen wir mal, zumindest drei Alpha -Männchen, mit meinem Vater, meinem Bruder und mir und meiner Mutter, die zwar nicht Alpha ist und die sehr verständnisvoll ist, aber die natürlich sehr emotional viele Dinge betrachtet und die natürlich auch in den 28 Jahren viel gesehen hat, die eine sehr gute Menschenkenntnis hat.
Und klar hat das gerappelt. Es hat gerappelt bei unterschiedlichen Auffassungen, es hat auch mal gerappelt bei Diskussionen über das Personal und es rappelt natürlich regelmäßig bei den typischen Generationswechselthemen, was die Ausrichtung der Firma angeht.
Aber eins ist eben der große Vorteil. Ich weiß innerhalb der Familie immer, dass jeder dies nur aus bestem Wissen und Gewissen macht, nämlich weil er der Meinung ist, dass das so für die Firma am besten ist und für die Familie am besten ist.
Und der zweite Riesenvorteil ist, wenn wir nachher auch mal konstruktiv gestritten haben, können wir uns alle in den Arm nehmen, weil wir wissen, dass wir uns alle lieb haben und dass das auf keinen Fall, egal wie stark oder wie heftig die Meinungsunterschiede sind, dass das nie die Familie irgendwie zerstört oder kaputt macht, weil man hier ja nicht überlegen muss, meint es derjenige gut.
Das ist ja leider in der freien Wirtschaft nicht immer so, dass ich genau weiß, wen ich vor mir habe und hier weiß ich immer, wen ich vor mir habe und dass es alles echte Menschen sind mit echten Emotionen, die sich hinterher auch entschuldigen können oder eben sagen können, okay, wir wissen ja alle, warum wir gestritten haben, nämlich weil wir alle nur das Beste wollen.

Geschäftsführung und Rollenverteilung zwischen Brüdern

Thomé: Jetzt ist es ja keine harte Nachfolge gewesen, sondern ihr wart ja, als ihr in die Geschäftsführung gekommen seid, dein Bruder und du, ja auch mit zwei Generationen, insgesamt fünf Geschäftsführer. War das von Anfang an auf Augenhöhe, wer bestimmte den Kurs?

Winter: Also das ist eine gute Frage, weil natürlich jeder seinen Hauptbereich hatte. Das heißt also, klar, am Ende des Tages bis zu seinem sukzessiven Ausstieg: Papa war der “Big Boss”, da gab es auch keine Diskussion. Papa ist natürlich auch das Aushängeschild von proWIN, ist die Integrationsfigur von proWIN und ohne meinen Vater gäbe es keinen proWIN, da sind wir uns alle einig.
Die Rollen von meiner Mutter und Stefan Schäfer sind nicht hoch genug zu bewerten und ohne die hätte auch, das Temperament meines Vaters und die vertriebliche Power … das hätte keinen Gegenpart gehabt. Das ist also genauso wichtig gewesen.
Und mein Bruder und ich haben natürlich gerade am Anfang versucht, viel zu lernen und Impulse zu geben. Wir haben ja einen unterschiedlichen Weg gehabt.
Ich bin ja übers Lager eingestiegen, habe die Marketingabteilung aufgebaut und so weiter. Ich war also schon 12, 13 Jahre im Unternehmen mit praktischer Erfahrung und mein Bruder kam übers Studium und hat eben eher den Weg von außen reingewählt.
Beides hat seine Vorteile und beides hat seine Nachteile.
Ich war halt im Inneren noch überall der Kumpel Sascha, mit dem man freitags nach Feierabend ein Bier getrunken hat. Und Michael kannten sie natürlich auch von Ferienjobs und sowas, aber der ist natürlich dann eben eher mit einem anderen Businessanteil reingekommen.

Thomé: Aber klingt nach einer guten Ergänzung.

Winter: Das war eine sehr gute Ergänzung. Mein Bruder und ich, da passt sowieso auch keine Zeitung dazwischen. Das war auch privat immer schon so. Auch wenn wir uns mal Meinungsverschiedenheiten liefern, das ist alles gut.
Und das war auch damals eine gute Ergänzung und das war auch ein perfekter Einstieg, weil wir dann in der Geschäftsführung eine Aufteilung hatten.
Der eine hat den Bereich gehabt, der andere hat den anderen Bereich gehabt, sodass wir uns da eigentlich selten in die Quere kamen und dass wir immer versucht haben, in den Jour Fixen - und Gesellschaftersitzungen dann daraus auch resultierend uns zu einigen.
Aber jeder hatte seine Hauptthemen, um die er sich im Alltag kümmerte und es war eine sehr gute Aufteilung.

Entstehung von proWIN:

Thomé: Erklär uns doch mal kurz, was ist eigentlich “symbiontische Reinigung”?

Winter: Die symbiontische Reinigung ist im Prinzip ein Kunstwort von uns, was wir uns schützen gelassen haben.
Das ist die Symbiose aus der chemischen Reinigung mit einer Soft-Chemie, also mit einem Konzentrat, was einfach biologisch abbaubar ist, und der physikalisch-mechanischen Reinigung, also wenn ich mit einem Tuch, mit einem Mikrofasertuch über eine Oberfläche gehe. Es gibt ja beide Ansätze.
Das eine gibt es in der freien Wirtschaft ja entweder als aggressive Chemie, die ich irgendwo drüber schütte, einwirken lasse und dann ist entweder der ganze Tisch weg, aber zumindest mal der Fleck.
Und es gab, sagen wir mal ja auch gerade bei Ha-Ra, natürlich sehr, sehr gute Fasern, die einfach nur mit Wasser funktioniert haben.
Und wir haben eben gesagt, aus beiden Welten das Beste und das Sinnvollste zu kombinieren.
Und das haben wir dann eben in den 90ern mit der “symbiontischen Reinigung” für uns als Wort dann geschützt.

Thomé: Doch mit diesen Produkten hat ja alles angefangen.

Winter:
Ja, also der ganze Anfang war sogar tatsächlich noch ein bisschen was anderes. Wir haben uns zuerst versucht -nach der Ha-Ra Geschichte - mit dekorativen Dingen und mit Kosmetik und ein paar anderen Sachen, aber das hat relativ schnell nicht funktioniert und man hat dann das Know-how in die richtige Richtung gebracht.
Also angefangen mit dem Erfolg hat es auf jeden Fall mit der Reinigung.

Thomé: So und in der Zwischenzeit habt ihr ja über das Geschäft mit Reinigungsmitteln hinaus, auch noch andere Produktsparten in eurem Sortiment, also Kosmetik und Tiernahrung, Tieraccessoires.

Winter: Genau. Also es macht natürlich Sinn, sagen wir mal, wir wollen kein Bauchladen sein, aber es macht natürlich Sinn, dem Vertriebspartner, der ohnehin das Vertrauen des Kunden gewinnt und in seinem Wohnzimmer sitzt, um eine Vorführung zu machen, macht es natürlich Sinn, dem Vertriebspartner etwas mehr mit an die Hand zu geben, was er dem Kunden anbieten kann.
Wenn er eh schon in den Räumlichkeiten ist und man sieht, da läuft ein Hund rum, macht es eben auch Sinn, gleich auch über das Thema Tiernahrung zu sprechen.

Thomé: Von außen betrachtet stelle ich mir vor, dass der Direktvertrieb im Grunde das beste CRM-System überhaupt ist.
Vertriebler kommen direkt zu mir nach Hause, sie sehen, ob ich da Holzböden habe, Steinböden, Marmor, ob da ein Tier rumläuft oder nicht.

Winter: Das ist eine extrem wertvolle Information. die ich ansonsten mit sehr viel Geld bezahlen muss oder raten muss oder durch Umfragen und durch Marktanalysen eben mir rein hole.
Und hier hat der Vertriebspartner, der vor Ort den Kunden betreut und das Vertrauen des Kunden gewonnen hat, eben die Möglichkeit da anzusetzen, wo der Kunde auch möchte.
Und auch wo der Vertriebspartner möchte, weil niemand von unseren Vertriebspartnern wird gezwungen, alle unsere Produkte anzubieten. Jeder sucht sich das raus, was er möchte und am Ende entscheidet sowieso der Kunde, was er kauft.

Thomé:Direktvertrieb ist ja ein Konzept, was es vor euch schon gab, ein relativ altes Konzept.
Funktioniert es noch genauso wie früher? Es gibt andere große Unternehmen, Tupperware beispielsweise, die haben Probleme, haben auch relativ früh angefangen, Produkte auch im Einzelhandel zu verkaufen.
War das bei euch auch mal ein Thema?

Winter: Ne, tatsächlich sind wir da, glaube ich, wirklich ganz oldschool.
Wir sehen uns da schon als klassischen Direktvertrieb, natürlich mit MLM Elementen oder der Network-Marketing Gedanke ist immer dabei.
Aber ich glaube, wir sind da schon ein traditioneller Direktvertrieb, weil ich glaube auch, dass es immer Menschen geben wird, und zwar nicht jetzt nur drei Prozent, fünf Prozent, sondern mehr, die eben den Blick hinter das Produkt, nicht im Sinne “von das Datenblatt runterrattern” oder runterladen oder in Videos, sondern eben zeigen, wie das Produkt funktioniert.
Und unsere Reinigungsprodukte an allererster Front sind “Zeige-wie -Produkte”. Sie müssen vorgeführt werden. Sie müssen gezeigt werden, wie man sie anwendet. Sonst benutzt man entweder zu viel vom Konzentrat und dann ist es zu teuer oder man benutzt es falsch, dann funktioniert es nicht.
Das heißt also, um eine optimale Wirkung zu haben, muss man die Produkte zeigen.
Und ich glaube, dafür ist der Direktvertrieb die beste Variante.
Und da hat sich im Prinzip nichts daran geändert, außer dass die Leute eben immer digitaler werden und immer mehr Dinge digital abgebildet werden.
Das wird die Frage der nächsten Jahre sein, wie bekommt man das hin und da haben wir natürlich Ideen und Ansätze, andere auch.
Die Welt des klassischen Direktvertriebs mit der Digitalisierung zu verknüpfen, um trotzdem sich treu zu bleiben und trotzdem seine Leitlinien nicht zu verraten und seine Vertriebspartner nicht zu verraten und nicht zu Amazon zu gehen oder sonst was, aber eben modern zu sein, moderner zu werden.

Einfluss der Corona Pandemie

Thomé: Es gab ja einen exogenen Schock beim Thema Digitalisierung: die Corona Pandemie - ab März 2020 - hatte uns alle für eine lange Zeit im Griff.
Da kann ich mir vorstellen, dass diese Zeit vor allen Dingen Direktvertriebler von heute auf morgen hart getroffen hat.
Das ist ja ein Geschäftsmodell, das auf dem persönlichen Kontakt basiert, auf Besuchen zu Hause beim Kunden.
Ist da ein solches Modell nicht von heute auf morgen komplett in Gefahr?

Winter: Also ich kann dir sagen, aus meiner persönlichen Sicht, ich habe es nicht kommen sehen.
Realisiert habe ich erst, was uns da bevorsteht, als wirklich dann Lockdowns kamen. Weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass in unserem freien Deutschland mal wieder jemand mir sagt, wann ich aus dem Haus zu gehen habe und ob ich mich mit meiner Mama treffen darf oder nicht. Und wir hatten ja gerade einen Einjährigen zu Hause, der seinen einjährigen Geburtstag am 15. April quasi voll im Lockdown gefeiert hat, mit Zoom-Konferenzen mit Oma und Opa. Eine Vollkatastrophe eigentlich.
Und dementsprechend muss ich sagen, für uns war kurz Schockstarre im gesamten Unternehmen, im gesamten Vertrieb.
Gott sei Dank haben wir einfach nur ganz kurz uns geschüttelt und haben sehr schnell reagieren können.
Das ging nur durch eine eingerichtete Taskforce aus Internen und Vertriebsmitarbeitern. Wir haben innerhalb von zwei Wochen, also vom 14. bis 15. März bis zum 1. April ein Konzept mit unserem Vertrieb zusammen entwickelt, geschrieben und umgesetzt, was das komplette Thema auf Online-Partys wechselt.
Das klingt jetzt heute gar nicht mehr spektakulär, weil jeder sagt, ja, dann macht ihr halt das mit WhatsApp, was ihr vorher halt live gemacht habt. Aber unser komplettes Logistiksystem war darauf gar nicht ausgelegt.
Die Ware geht ja normalerweise zum Vertriebspartner, der die Party macht und der liefert sie aus. Das ging ja nicht mehr. Also mussten wir phasenweise auf Endkundenbelieferung umstellen.
Wir mussten die Datenschutzthematik, die WhatsApp leider nicht bietet, mussten wir in den Griff kriegen.
Wir mussten in den Griff kriegen, dass der Kunde eigentlich ja nicht an uns hängt, sondern am Vertriebspartner, dass wir die Kundendaten gar nicht haben.
Wir mussten hinkriegen, dass der Vertriebspartner eigentlich Provision für die komplette Abwicklung bekommt und nicht eben für einen kurzen Phonecall und so weiter und so weiter.
Das waren eigentlich Probleme für zwei Jahre in zwei Wochen gepackt. Das war auch, sage ich auch immer noch, diese sechs Monate, die ersten sechs Monate der Pandemie waren für mich die wirklich brutalste und auch eigentlich schrecklichste Zeit. Nicht nur wegen dem, was jeden getroffen hat, sondern weil ich zwölf Stunden am Tag einfach am Zoom-Rechner und am Telefon gesessen habe.
Zum Vergleich, vorher habe ich ungefähr zwölf Stunden in der Woche am Rechner gesessen und war den Rest der Zeit unterwegs.
Ja, und das hat mir Spaß gemacht, mit Leuten zu agieren, vor Leuten zu sprechen, mit Leuten in Sitzungen zu sitzen und sonst was. Und auf einmal klotzt du zwölf Stunden am Tag nur noch auf dieses viereckige Kästchen, hast abends beim Einschlafen blinkende Augen.
Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, ich hatte Probleme mit dem Schlafen. Das war dann auch vielleicht der letzte Tropfen auf den heißen Stein, der bei mir dann das Umdenken und den Paradigmenwechsel ein bisschen hervor getrieben hat.
Aber uns hat das richtig brutal getroffen, aber wir haben auch wieder mit der nötigen Portion Glück und mit den richtigen Entscheidungen tatsächlich gut reagieren können und das Jahr nicht nur gerettet, sondern am Schluss dann mit einer irrsinnigen Steigerung von 40 % sogar beendet.
Das hat keiner von uns für möglich gehalten. Da habe ich sogar eine Flasche Champagner gegen meinen besten Freund verloren.

Thomé: Also ein eindrucksvolles Beispiel, das zeigt auch nochmal warum Unternehmer Unternehmer sind, weil sie eben Lösungen finden und mit Problemen umgehen können.
Da können sich, glaube ich, auch viele mal eine Scheibe abschneiden, gerade wenn ich an die langen Planungs - und Genehmigungsprozesse im öffentlichen Bereich denke.

Winter:Ich muss ganz ehrlich sagen, bei uns ist das ja leider ganz oft auch so.
Wir sagen auch manchmal schon, dass wir auch mittlerweile oft der große Dampfer sind, der eine halbe Stunde braucht um zu wenden, aber in dem Moment haben wir, als es drauf ankam, da hat es funktioniert und das hat mich dann schon auch positiv gestimmt.

Akademie und Vertriebspartner

Thomé: Beeindruckend fand ich im Übrigen auch die Möglichkeit, die ich mal hatte, eure Akademie in Landsweiler-Reden zu besichtigen. Tausende Menschen pro Jahr werden durch die Akademie geschleust. Erklär uns doch mal, wie das da in Landsweiler-Reden so läuft und wie viele danach einem Jahr noch aktiv dabei sind.

Winter: Genau, der Vertrieb hat ja immer schöne Zahlen, am Ende sind ja die realen Zahlen am Schluss immer noch mal ein bisschen anders.
Aber Fakt ist, wir haben 2014 ein Schulungskonzept entwickelt mit unserem Vertrieb zusammen.
Das nennt sich auch als Gesamtes, die "proWIN Akademie”, und wir haben auch das Gebäude gebaut, was eben die Akademie als haptisches Gebäude ist. Und da sind wir auch insoweit einzigartig, dass wir eben ohne Vorschussleistung, ohne dass ein Euro Umsatz geflossen ist und ohne dass die potentiellen Partner ihren Vertrag unterschrieben haben, neue interessierte Vertriebsmitarbeiter oder Vertriebspartner aus ganz Deutschland und dem angrenzenden Ausland in verschiedenen Busrouten abholen, organisiert in die Akademie fahren, die dort im Prinzip 24 Stunden, natürlich mit einer Übernachtung dazwischen, schulen und beköstigen und ihnen zeigen, was es bedeutet, bei proWIN einzusteigen.
Und danach können sie sich immer noch entscheiden, ob sie es tun oder ob sie es nicht tun. Das heißt also komplett ohne Druck und ohne Verpflichtung und ohne Geldeinsatz.
Das bedeutet natürlich, und das ist auch der Teil der Frage, den man ganz ehrlich und offen betrachten muss, dass von den etwa 10.000 bis 12.000, die im Normalfall im Jahr durch die Akademie gehen, zwar 99 Prozent unterschreiben und auf dem Papier anfangen, aber eben 50 Prozent vielleicht nach einem halben Jahr nicht mehr wirklich dabei sind, weil sie es einfach mal probiert haben und weil sie gemerkt haben “huch, ich muss ja doch auch arbeiten, das ist ja unangenehm. Ich habe eigentlich gedacht, bei proWIN muss man sich nur hinlegen, Füße hochlegen und es fällt einem alles zu.”
Und wenn sie dann mal festgestellt haben, dass das nicht so ist, dann fallen noch ein paar andere weg.
Und du hast die schon sehr richtig formuliert. Nach ungefähr einem Jahr sind etwa noch 30 Prozent derer, die da eingestiegen sind, dabei und machen Partys und machen vertriebliche Arbeit.

Thomé: Jetzt kann ich mich noch erinnern, in der Akademie ist ja ein Raum mit zahlreichen Bildern erfolgreicher Vertriebspartner. Das waren ja fast ausschließlich Frauen.

Winter: Wir haben, was für uns Männer immer sehr angenehm ist, wir haben eine Quote von etwa 98 Prozent Frauen.
Also das ist schon so ein bisschen ein Hahn im Korb-Thema. Da mussten sich auch im Laufe der Jahre natürlich die Freundinnen oder Partnerinnen von meinem Bruder und mir erstmal dran gewöhnen, weil die sind ja nicht so reingewachsen, wie meine Mutter das bei meinem Vater war. Sondern die kommen da auf einmal in eine Welt, wo du regelmäßig mit 300 Frauen irgendwo auf Mallorca sitzt oder in einem Hotel bist.
Von daher bin ich da ganz froh, dass meine Frau das auch versteht, dass das eben zu unserem Job dazu gehört. Aber Spaß beiseite, es ist tatsächlich einfach so, es geht gar nicht um die Branche. Ich glaube, es geht auch ein bisschen um die Produkte und um das Thema.
Und wir bieten eigentlich für Frauen einfach ideale Bedingungen, weil man es mit seiner Familie wunderbar vereinbaren kann.
Es ist völlig egal, wann man seine Arbeit macht, wenn man seine Gastgebervorbereitung und Nachbereitung und das Ausliefern macht. Die Partys muss man nur mit dem Gastgeber und den Kundinnen ausmachen, ob man die abends macht, oder samstags morgens.Und das passt eben ganz gut. Freie Zeiteinteilung zu einer Frau, zu einer jungen Familienmutter oder eben auch zu jemandem, der vielleicht nach fünf Jahren oder zehn Jahren zu Hause wieder eine berufliche Orientierung, eine berufliche Zukunft sucht, aber nicht unbedingt gerade vier Stunden am Tag ins Büro, ins Vorzimmer will.

Thomé:Ja, ich glaube, das war jetzt auch nochmal eine gute Werbung.

Winter: Absolut, ganz unterschwellig.

Thomé: Wo wir ja jetzt heute auch unter uns sind, Sascha. Noch mal vielleicht Hand aufs Herz: proWIN, das ist von außen betrachtet ja eine absolute Erfolgsstory.
Hat denn bei dir eigentlich alles immer geklappt, war erfolgreich oder ist es auch dir mal passiert, dass du auch mal gescheitert bist, dass du auch vielleicht mal Geld in den Sand gesetzt hast?

Winter: Ja, unbedingt, natürlich.
Also ich sag mal, jeder glaube ich, jeder von unseren Gesellschaftern, Geschäftsführern hat Entscheidungen getroffen, die sich nachher auch als falsch erwiesen haben. Meistens weiß man das ja leider immer erst später oder viel später. Ich glaube entscheidend ist, wie man damit umgeht, ob man aus Fehlern lernt oder ob man sie persönlich nimmt oder ob man seine Schlüsse daraus zieht.
Bei mir persönlich war es eben auch häufig, da ich ja fürs Marketing und Außendarstellung zuständig war, habe ich ja auch jedes Jahr ein niedrig siebenstelliges Budget verantwortet und in dem muss man natürlich schon auch überlegen, okay gebe ich dem Fußballverein XY jetzt 250.000 Euro für ein bisschen Bandenwerbung und kann ich das nachher messen in einem Modell wie dem Direktvertrieb? Muss ich dir nicht erklären, das ist schwierig zu messen, weil wir eben immer noch den Vertriebspartner als X -Faktor dazwischen haben.
Es ist was anderes, als wenn ich das Produkt im Laden stehen habe und kann sehen, okay, nach dieser Werbung habe ich so und soviel Prozent mehr verkauft und kann es rein auf die Werbung sehen.
Also ich will sagen, ich habe viel gemacht, ich habe natürlich auch viel riskiert und ich glaube, wer nichts macht, macht nichts verkehrt und wer viel macht, der macht auch Fehler.
Mein Vater hat mal irgendwann gesagt, das habe ich auch so mitgenommen: “wenn du am Ende des Tages 51 Prozent richtig gemacht hast und 49 Prozent falsch, das ist immer noch keine schlechte Quote”.
Natürlich haben ja alle versucht, ein bisschen mehr richtig zu machen und es ist glaube ich auch in den meisten Fällen gelungen, aber absolut Fehler gemacht, persönliche Enttäuschungen erlebt, auch von Menschen, die man vielleicht in die Firma geholt hat, auch von Mitarbeitern, die man vielleicht aufgebaut hat über Jahre hinweg und die einem dann vielleicht auch mal in den Arsch getreten haben oder einfach enttäuscht haben.
Das alles ist passiert, das alles wird auch weiter passieren, weil ich glaube, Fehler macht man sein ganzes Leben lang und gehört halt auch dazu. Ich bin selbstkritisch genug und kann damit eigentlich ganz gut umgehen.
Persönlich nehme ich nur Dinge, die auch persönlich sind. Also quasi, wenn mir jemand, den ich sehr schätze, wenn der mir persönlich weh tut oder wenn er mich persönlich enttäuscht, das beschäftigt mich dann lange.
Mit einer Zahl oder mit einem Geschäft, was kaputt gegangen ist oder was nicht funktioniert hat, kann ich einfacher abhaken.

Leidenschaft für Autos seit Kindheit

Thomé: Jetzt mal ein ganz anderes Thema. So wie ich dich kenne, kann ich sagen, kein Sascha Winter ohne Autos.

Winter: Ja, das stimmt.

Thomé:Als wir uns kennengelernt haben, das ist jetzt schon eine ganze Weile her, hast du zu mir gesagt, ich habe eine “schöne kleine Sammlung”. Ich konnte mir damals nicht ganz so viel darunter vorstellen, bis ich dann mal Gelegenheit hatte, mir deine “schöne kleine Sammlung” anzuschauen und ich kann sagen, dass ich noch nie eine solche Untertreibung gehört habe.
Wie viele Autos hast du? Hast du da überhaupt noch den Überblick?

Winter:
Ja, ich habe schon den Überblick.
Ich sag mal, das variiert natürlich auch immer ein bisschen als Sammler. Man möchte ja auch seine Sammlung optimieren und verschönern. Ich muss auch immer dazu sagen, Autos spielen, seit ich auf der Welt bin, halt einfach für mich eine riesengroße Rolle.
Meine Eltern wollten mich mit drei Jahren schon bei ”Wetten, dass..?” anmelden, weil ich auf dem Schrottplatz von jedem Auto, wenn da ein Blinker gelegen hat, wusste, wo der dran gehört.

Thomé: Wie bei den Ludolfs.

Winter: Ähnlich, ja. Ich sag mal, nur Schrottplatzbesitzer wollte ich trotzdem nicht werden. Aber so, die Geschichte war immer schon heiß.
Ich kannte die Autoquartetts auswendig und wusste, wie viel PS die haben, bevor ich lesen konnte. Also meine Oma hat das mit mir gespielt und war immer fasziniert. Ich will sagen, das ist bei mir nicht einfach nur ein Hobby, sondern das ist mein Leben, das
ist einfach so, Autos sind mein Leben.
Also ich habe Benzin im Kopf, da kommen wir ja gleich dazu, warum dann eben auch das noch was passiert ist.
Das ist immer so und mein Leben hat sich immer um Autos gedreht und von daher, wenn andere Leute sich zig teure Uhren kaufen und zehnmal im Jahr teuer in den Urlaub fliegen und das und das und das, ich bin in der glücklichen Situation, dass ich mir mein Hobby leisten kann. Heute natürlich mehr als vor 20 Jahren, aber auch vor 20 Jahren hatte ich, obwohl ich da noch nicht wirklich viel Geld verdient habe, dann schon sechs, sieben, acht Autos.
Die haben dann halt immer gewechselt und es waren halt meistens Schrottmühlen, aber egal, das musste trotzdem sein.
Und das ist einfach so, das ist auch ein bisschen meine Altersvorsorge, weil ich natürlich die Sammlung in den letzten über 20 Jahren aufgebaut habe.
Und es erfreut mich einfach. Ich habe leider zu wenig Zeit, um der Sammlung so zu frönen, wie ich das gerne würde für das Hobby, und wenn ich es dann irgendwann kann, aus zeitlichen Gründen, bin ich wahrscheinlich zu alt und komme nicht mehr rein.
Aber egal, das ist einfach so. Ich komme da auch nicht raus aus meiner Nummer.
Ich bin Jäger und Sammler. Das ist für mich einfach das Größte.

Thomé:Also ich merke schon totale Leidenschaft. Eine Zahl hast du jetzt nicht genannt, aber es sind auf jeden Fall viel mehr, als es möglich ist zu fahren.

Winter: a, auf jeden Fall.

Thomé: Tut das nicht in der Seele so ein bisschen weh, dass die meisten da nur rumstehen?

Winter: Doch. Es gibt ja Sammler, die nur sammeln und die machen das auch bewusst so. Und bei mir ist es ja so, ich würde sie ja eigentlich am liebsten alle fahren. Ich würde ja, also wenn der liebe Gott mich fragen würde, was wäre mein idealer Tag wäre,
dann würde ich ja sagen, ich würde einfach um halb neun morgens irgendwann raus, würde anfangen Auto zu fahren und würde dann eben 20 verschiedene Autos fahren und hin und her und abends um fünf heimkommen und mit meinem Sohn und mit meiner Frau den Rest des Tages verbringen.
Also das Autofahren ist super und ich versuche das in meinem Alltag so gut wie es geht irgendwie einzubauen, dass ich eben mit den Autos, die fahrbereit sind und die fertig sind, dann immer auch wenigstens mal dahin fahre und dahin fahre und auf einen Termin fahre und zum Einkaufen fahre.
Aber natürlich, wenn ich nach Hamburg muss, 650 Kilometer, fahre ich nicht mit dem Oldtimer, weil da habe ich dann auch keine Lust, zweimal zwischendurch auszusteigen, den ADAC anzurufen oder sonst was.
Da fahre ich natürlich dann auch mit dem modernen Firmenwagen.

Thomé: Ich stelle dir jetzt nochmal eine theoretische Frage, die wahrscheinlich unmöglich zu beantworten ist, weil ich ja auch weiß, wie viel Herzblut in jedem Auto steckt und du auch zu wirklich jedem Auto eine Story erzählen kannst.
Aber ich würde mich trotzdem über eine Antwort freuen. Stell dir vor, du müsstest deine Autos aus welchem Grund auch immer verkaufen und du dürftest nur maximal drei Autos leisten. Welche wären das?

Die drei Autos, die ich niemals verkaufen würde

Winter: Drei ist super. Meistens fragt mich jemand nach einem, das kann ich nicht beantworten.
Also dann würde ich das tatsächlich so machen: Mit dem einen fährst du sportlich, mit dem anderen cruist du rum, mit der anderen ist es einfach hübsch … sowas.
Also ich glaube, dann würde ich die nehmen, wo mir die größte Emotionalität drin ist.
Das ist einmal mein allererstes Auto, was ich tatsächlich mit 17 gekauft habe, was ich vor drei Jahren komplett restauriert habe und was ich immer noch besitze. Ich habe es nie abgegeben. Das ist ein alter BMW, ein 3er E30, nur ein 316er, kleiner Motor, aber das war mein erstes Auto. Mit dem Auto verbinde ich das Gefühl von Freiheit, was ich mit dem Erlangen des Führerscheins eben einfach gefühlt habe. Da habe ich in den ersten drei Wochen, so verrückt war ich tatsächlich, 15 .000 Kilometer gefahren. Ich bin überall hingefahren. Ich bin Tag und Nacht gefahren.
Das heißt, den könnte ich nie abgeben. Da wird einfach ein Stück von mir fehlen.
Das Zweite wäre tatsächlich dann auch so einer … irgendwas Altes auf jeden Fall behalten, wahrscheinlich einen alten Amerikaner. Einen von meinen Muscle Cars - vielleicht entweder so ein Pickup Truck, Colt Seavers oder einen Plymouth Roadrunner. Also eins von denen. Auf jeden Fall einen Ami V8 würde ich behalten, aus den 60ern.
Und das dritte, ja, wahrscheinlich würde ich dann als dritten doch...
Den habe ich jetzt auch schon 13 Jahre und liebe das Auto auch und viele Emotionen. Mein GT3, den Porsche GT3. Das war mein erster Porsche damals und war glaube ich auch fast mein einziger Porsche.
Jetzt habe ich noch einen alten, aber den habe ich seit 13 Jahren, knatschgrün, sportlich laut, hart, aggressiv, aber einfach ein geiles Auto von der Emotion her.
Aber ich würde mindestens vier Wochen lang weinend auf der Couch liegen, um die Entscheidung zu treffen.
Und ich würde mir, glaube ich, alle Finger abkauen, bis ich die Entscheidung getroffen habe.

Thomé: Das spürt man jetzt auch bei der Antwort aus jeder Faser, wie schwer es dir fällt, dem Enthusiasten hier eine Auswahl zu treffen. Jetzt ist ja das Thema Auto mehr als nur Hobby. Du hast auch eine Firma gegründet, “Petrolheads”, also Benzin im Kopf.
Erzähl mal kurz, wie es zur Idee kam und was dahinter steckt.

Winter: Genau, also die Idee ist 25 Jahre alt.
Die Idee, dass ich mich um das, was mein Hobby ist, auch beruflich kümmere, ist 25 Jahre alt.
Die Frage war mit 18, 19 Jahren, was willst du da machen, wenn ich eine Firma gegründet hätte, ohne wirklich Know-how, ohne großes Startkapital, ohne alles. Ich bin auch kein Kfz -Mechaniker, bin auch kein Automobilkaufmann.
Ich glaube, das wäre mit sehr viel Grün hinter den Ohren, trotz sehr viel Leidenschaft, in die Hose gegangen.
Dazu kam, dass ich bei proWIN angefangen habe und war dann irgendwann natürlich auch sehr froh darüber, weil es mir natürlich auch ja finanziell dadurch ja auch sehr gut geht.

Gründung der eigenen Firma “Petrolheads”

Ich habe aber immer im Kopf gehabt, irgendwann was mit Autos noch im Nebenberuf zu machen und als dann mein 40. Geburtstag immer näher kam und ich bin jetzt weder ein Mensch, der Probleme zu einem Alter hat, noch habe ich irgendwie jetzt Midlife-Crisis gefühlt oder sonst was, aber es war tatsächlich dann so: mein Sohn war ein Jahr alt und die Entscheidung in der Firma ein paar andere Rollen anzunehmen, war auch gewachsen und kommuniziert und da habe ich gesagt, jetzt ist der Moment.
Jetzt ist der Moment, eine Firma zu gründen, bei der ich mich genau um das kümmere, was seit ich ein kleines Baby war meine Leidenschaft ist, nämlich Autos. In der ich versuche, mich als Marke, das ist auch so, als der Petrolhead quasi, der ich bin, zu etablieren, mit all den Medien, die halt heute zur Verfügung stehen, Social Media, YouTube, Sonstiges.
Und im Vordergrund geht nicht darum, möglichst viele Autos zu verkaufen, sondern der Vordergrund geht darum, Leuten die Leidenschaft näherzubringen in einer Zeit, in der ja häufig suggeriert wird, dass Autos uncool sind und böse.
Ich werde jetzt hier auch kein politisches Statement machen, aber dass ich eine andere Auffassung habe, ist glaube ich relativ offensichtlich.
Und dass Autofahren immer noch Spaß machen darf, bin ich ein ganz, ganz großer Fan davon.
Und dass ich mich genau darum kümmern möchte, dass die Leute, die Bock drauf haben auf ein altes Auto, auf ein cooles Auto, auf ein nicht alltägliches Auto, die aber keine Zeit haben, es zu suchen, die kein Know-how haben, kein Netzwerk haben und sich nicht abends stundenlang mit eBay-Kleinanzeigen rumärgern wollen und sich dann auch noch dreimal verarschen lassen hinterher, um die kümmern wir uns.
Und für die suche und finde ich gute Autos, die man mit gutem Gewissen weiterverkaufen kann, weitervermitteln kann.
Ich kaufe die Autos auch so mal ein und präsentiere eine gewisse Auswahl bei mir, aber ich suche eben auch ganz gezielt.
Und das ist eben das, wo ich sage, meine Leidenschaft und meine Expertise aus den 22 Jahren Sammlerleidenschaft und dem Netzwerk, was ich dadurch ohne Absicht aufgebaut habe, dass es einfach so passiert, das möchte ich jetzt nutzen für diese Marke, für diese Firma.

Sascha Winter, der Rallyefahrer

Thomé: Jetzt weiß ich ja, dass sich deine Leidenschaft nicht nur aufs Sammeln bezieht und auch nicht nur darauf, mit Autos zu handeln, sondern ich hatte es in der Anmoderation ja auch erwähnt, dass du auch ein passionierter Rennfahrer bist.
Der Rallye -Sport gehört auch ganz eng zu deiner Leidenschaft. Weißt du eigentlich aus dem Kopf, wie viele Pokal und Preise du bereits gewonnen hast?

Winter: Relativ, weil ich habe tatsächlich letztes Jahr mit meiner Statistik mal komplett aufgehört.
Ich habe mir so ein Buch gemacht mit Fotos und Platzierungen und alles. Natürlich stehen die Pokale auch im Schrank. Ich bin keiner, der die wegwirft, weil man ja irgendwie auch dafür eine Competition gemacht und ich bin da auch ein bisschen stolz
drauf, auch ganz klar.
War jetzt in keinem anderen Sport in meinem Leben so gut, dass ich da den Pokalschrank voll gekriegt hätte, deswegen war das dann schon gut. Ja, ich bin tatsächlich um die 140 Rallys gefahren, habe ungefähr 50, 60 Pokale und Platzierungen, also natürlich ganz viele erste, zweite, dritte Plätze.
Ich bin 17 Jahre Meisterschaften gefahren, war eigentlich immer unter den ersten fünf in den Meisterschaften, die ich gefahren bin.
Ich habe 2003 angefangen und bin im Prinzip jetzt im 20. Jahr. Und ja, einige Autos gehabt, auch den einen oder anderen verschlissen.

Thomé: Gab es da einen Auslöser?

Winter:Der Auslöser war tatsächlich, dass in dem Industriegebiet, wo unsere Firma ist, wo du ja auch schon warst, war, als ich so sechs, sieben Jahre alt war, immer einmal im Jahr ein Rallye gab. Es gab ja kein Internet und ich habe auch keine Zeitung gelesen, aber wir haben in der Parallelstraße gewohnt und irgendwann einmal im Jahr, samstags morgens um 8 Uhr, hat man gehört, verschiedene Motoren zum Abfahren und dann wusste meine Mutter genau, alles klar, ich bin dann von 10 Uhr bis abends, wenn es dunkel wird, im Industriegebiet Rallye schauen.
Und ich habe mir immer geschworen, irgendwann fahre ich dort mit.
Und die Rallye gab es bis 2002. Und 2003 habe ich angefangen, Rallye zu fahren, denn diese Rallye haben sie nicht mehr gemacht. Und da habe ich gedacht, das kann ja nicht sein. Und was habe ich gemacht, 15 Jahre später? Eine eigene Rallye. . Habe ich sie selbst gemacht. Und zwar wieder genau an dem Ort, wo sie früher war, damit ich die wenigstens zweimal dann auch mitgefahren bin.

Die Leidenschaft und das Glück im Rallyesport

Thomé:
Gab es da in deiner Rennfahrerkarriere auch mal Unfälle bzw. kritische Situationen, in denen du Glück hattest?

Winter: Ja, also beides. Wenn ich bei einer Rallye antrete, bei einem Wettbewerb, dann will ich auch gewinnen und muss dafür auch mal ans Limit gehen, ans Limit meines Wagens, ans Limit auch von mir selbst.
Ich habe drei Autos kaputt gefahren, zwei aufs Dach gelegt und einen in die Leitplanke, den BMW, den wir aufs Dach gelegt haben, 2016 war das, den haben wir noch mal richten können.
Den haben wir dann einfach mal so mit 100 in den Wald geschmissen, hochkant. Da denkst du dir natürlich dann schon, wenn du dann auf dem Dach liegst und es dauert eine Viertelstunde, bis die den Baum neben dir weggesägt haben, dass sie deine Tür aufkriegen und dich dann da rausholen, Da denkst du schon: “Ach, tust du dir das noch an oder warum tust du dir das an für ein paar Blechpokale und eine Meisterschaft, wo die Prämie am Schluss nicht mal ein Satz Reifen ergibt”.
Und ja, brenzlige Momente gab es oder Glück hatten wir natürlich in anderen Situationen auch, mehrfach, klar.
Ich glaube, wenn du so lange Rallye fährst und so viele Rallyes gefahren bist und auch um Platzierungen kämpfst, dann hast du ab und zu einfach auch mal Glück nötig, damit es nicht in die Hose geht.
Aber ja, ging bis jetzt immer gut aus. Toi, toi, toi.

Thomé: Jetzt bist du natürlich auch selbst Vater.
Hat das deinen Blick auf den Rallyesport etwas verändert? Also gehst du immer noch ans Limit für die letzten Zehntelsekunden?

Winter:Nein. Wir haben, als meine Frau schwanger war, die mich übrigens durch den Rallyesport kennengelernt hat, von daher hatte sie da immer schlechte Argumente zu sagen, ich müsste mal aufhören.
Wir haben aber dann 2018, als meine Frau schwanger wurde, haben wir uns committed mit meinem Beifahrer, mit dem ich das Hobby zusammen begonnen habe, der auch einer meiner besten Freunde ist, haben wir das Ganze besprochen und haben also gesagt, dass wir dann mit dem Ende des Jahres 2018 mit unserer Meisterschafts - und, Bestzeit Karriere aufhören, dass wir eben in den nächsten Jahren dem Sport treu bleiben, aber es eben nur noch just for fun machen, auch nicht mehr mit den, zeitlichen Intensitäten.
Es gab Jahre, da bin ich 20 Rallyes im Jahr gefahren, dementsprechend sind dann auch 20 Wochenenden weg.
Und zusätzlich zur Firma und alles. Und dementsprechend haben wir das dann 2018 beschlossen, haben dann eine schöne Ausstiegs - oder Abschiedsparty mit all unseren langjährigen Weggefährten, Schraubern, Mechanikern, Fans, gemacht in der Halle, haben es da einmal richtig krachen lassen und sind dann jetzt in den letzten vier Jahren oder fünf Jahren, mein Beifahrer ist mittlerweile auch zweifacher Papa, und sind jetzt in den letzten fünf Jahren im Jahr ein, zwei, drei Rallys gefahren, auf die wir Bock hatten. Wir machen Vorwagen, VIP-Auto, weil wir natürlich recht bekannt sind in der Szene, auch recht spektakulär unterwegs sind.
Die Zuschauer sehen uns immer ganz gerne, deswegen werden wir überall gerne eingeladen.
Aber wir haben beschlossen, dass wir nicht mehr um die Sekunden feilschen, sondern uns eben quasi so ein bisschen in das Gentlemen's Driving zurückziehen.

Thomé: Ich glaube, die Pokalvitrine ist ja auch schon gut. Ist eh voll.

Winter:
Meine Frau hat schon gesagt, sonst müssen wir anbauen.

Die neue Rolle als Aufsichtsrat

Thomé:Jetzt ging ja das Jahr 2023 direkt mit einer Meldung los, die mich selbst, wie viele andere wahrscheinlich auch, sehr überrascht hat. Mit Wirkung zum ersten Januar 2023 bist du aus der operativen Geschäftsführung von proWIN ausgeschieden.
Ich kann mich selbst noch gut erinnern, wie ich dich damals sofort, unmittelbar kontaktiert habe.
Wie geht es dir seitdem jetzt eigentlich im Ruhestand?

Winter: (Lacht) Ja, Ruhestand, hast du schön gesagt.
Naja, also ich habe gesagt, also erstmal, mir geht es sehr gut mit dieser Entscheidung. Es war ja bei proWIN ein Prozess gewesen, von den vorhin angesprochenen fünf Geschäftsführern zu jetzt seit letztem September einem Geschäftsführer, nämlich meinem Bruder. Das war ein dreijähriger, vierjähriger währender Prozess und in dem habe ich natürlich die Möglichkeit gehabt, mich mit vielen Dingen zu befassen, die ich nicht mehr machen möchte in meinem Alltag.
Mir ist durchaus bewusst, dass das mit 40 eine sehr luxuriöse Situation ist, weil es ja nicht so ist, dass ich sage, also Konto ist voll, ich will nichts mehr arbeiten.
Weder das eine noch das andere ist der Fall, weil wir als Unternehmerfamilie natürlich auch zum einem immer sehr, sehr viel investiert haben, und ich möchte nochmal ein bisschen effektiver arbeiten, möchte nochmal ein bisschen stärker meine Stärken, ja gewinnbringend sozusagen für das Unternehmen einbringen und möchte natürlich mein eben angesprochenen Hobby zum Beruf machen, Petrolheads, und mit meinem Sohn auch alles in der Zeit, die mir zur Verfügung steht, ja, das alles unter einen Hut bringen. Und das war dann eben die für mich eigentlich die letzte Instanz.
Zu sagen, ich brauche nicht Geschäftsführer zu sein bei proWIN, um positive Dinge bewirken zu können.
Wir sind im Familienbund Gesellschafter, wir haben den Aufsichtsrat, dem ich angehöre, wir haben die Gesellschafterversammlung und ich bin ohnehin als Berater für das Unternehmen seitdem tätig und mache, glaube ich, seitdem wieder mehr effektive Arbeit als eben dieses Abarbeiten von tagtäglichen Dingen.
Von daher geht es mir sehr gut. Ich würde sagen, ich habe anstatt einer 80-Stunden-Woche regelmäßig jetzt mal wieder 50-Stunden-Wochen, die für mich sehr gut verträglich sind.
Du weißt ja, ich vermeide den Begriff Work-Life-Balance, weil Work und Life immer zusammengehören, wenn man selbstständig ist, vor allem wenn man Familie und Unternehmen hat, geht es gar nicht anders. Aber ich fühle mich sowohl körperlich als auch psychisch besser.
Dass dann doch der Stress der letzten Jahre, der mir nicht immer gut getan hat, bin ich auch ganz ehrlich, auch so von meiner Verfassung her, dass ich den ein bisschen besser in den Griff gekriegt habe, dass ich eben verschiedene Dinge, die mich sehr stark belastet haben, vor allem personelle Sachen, jetzt eben nicht mehr so auf dem Tableau habe und dass ich mich eben wirklich wieder auch ein bisschen mehr ja, dass ich nochmal Dinge aktiv angehen kann und nicht nur reaktiv.
Das hat mich in den letzten Jahren wahnsinnig gemacht, dass ich nach einem 12 -Stunden-Tag ins Bett gegangen bin und nicht das Gefühl hatte, heute wirklich jetzt extrem effektiv was geleistet zu haben, sondern eigentlich hat man nur das Gefühl gehabt, man hat, weiß ich nicht, Dinge abgearbeitet, Sachen weggeschafft, die von außen auf den Schreibtisch geschmissen worden sind und das hat mich nicht mehr befriedigt.

Thomé: Da würde ich jetzt gerne noch mal kurz einhaken, weil ich das sehr interessant finde. Wenn man so lange für die eigene Firma lebt und so vieles auch mit selbst aufgebaut hat, über so viele Jahre, ist man da jeden Tag 110 Prozent motiviert und hat da auch das Gefühl, dass man sich ständig auch persönlich weiterentwickelt?

Winter: Ich glaube, wenn zu viele Dinge deinen Alltag bestimmen, wo du denkst, dass das andere besser machen könnten als du, und wenn zu viele Dinge deinen Alltag bestimmen, wo du denkst, dass sie dir nicht unbedingt gut tun, dann ist das eine Kombination, die natürlich zwangsläufig auch ein bisschen an der Motivation rüttelt.
Aber ich kann sagen, ich war und bin immer motiviert, wenn ich für proWIN unterwegs bin, für proWIN arbeite, das Aller, Aller, Aller, Allerbeste zu tun, für diese Firma mit dem größtmöglichen Herzblut, mit allem, was ich tun kann.
Ich hatte nur einfach irgendwann den Eindruck, dass ich, ich will nicht sagen falsch eingesetzt, aber dass es eben einfach Dinge gibt, die ich mache, die nicht sinnvoll sind, dass ich sie mache, sondern da ist andere Leute, die das gelernt haben oder die da viel effektiver vielleicht drin wären und die wahrscheinlich weniger Stress damit haben, dann müssten die das machen.
Und ich sah mich stärker und sehe mich immer noch stärker in anderen Dingen.
Ich kann kreativ sein, ich kann Sachen auf den Weg bringen. Ich bin, glaube ich, ein hervorragender Impulsgeber. Ich greife Dinge auf, kann umsetzen im Kopf und kann eben dann den richtigen Leuten den richtigen Impuls geben zu sagen, lass uns das doch so machen.
Aber das ist eben viele Jahre gar nicht mehr geschehen, weil mein Kopf gar nicht mehr Impulse generieren konnte, weil er nur noch am Abarbeiten, am Stress-Abarbeiten und eben auch am Versuchen war, irgendwie diese Baustellen weniger zu kriegen, obwohl auf der anderen Seite natürlich immer mehr dazukam.

Thomé: Also vielen Dank für den wirklich tiefen Einblick, weil du bist natürlich ein absoluter Macher, einer der so viel Energie hat.
Das ist sehr beeindruckend zu sehen, aber auch dann zu hören, dass es da auch mal vielleicht Momente des Zweifels gibt.

Winter:Nie an der Idee gezweifelt, sondern eben immer nur daran gezweifelt, ob man selbst genau an der Stelle der Richtige ist.
Und jetzt bin ich, Gott sei Dank, nicht so, ich glaube, so hast du mich auch kennengelernt, dass ich mich über eine Rollendefinition definiere.
Ich weiß ganz gut, was ich bin, was ich nicht bin. Ich neige auch nicht zur Selbstüberschätzung und ich brauche keinen Titel, um mich in meinem Leben zu definieren. Ich komme mit dem Titel “Berater” letztlich genauso gut klar, wie mit dem Titel “Geschäftsführer”, weil es mir nicht besser geht, wenn jetzt 100 Leute Chef zu mir sagen, als anders. Sondern mir ist es wichtig, was ich machen kann. Ich wäre niemals jemand gewesen, der sich jetzt mit dem von Papa und Mama erwirtschafteten Geld zu Hause auf die Couch legt und sagt: “ ist doch genug da, läuft doch alles.”
Das würde mich zerfressen.
Aber genauso möchte ich auch nicht einfach noch zehn Jahre weiter nur auf dem Posten Geschäftsführer sitzen, um den Posten festkrallen und zu sagen, ich möchte aber meinen Geschäftsführergehalt bekommen und dass 250 Leute zu mir kommen, wenn ihnen was fehlt, wenn ich nicht der Meinung bin, dass ich noch die richtigen Impulse dafür geben kann.
Oder wenn ich der Meinung bin dass es besser ist, dass ich als Bruder und als Berater meines Bruders ihm die Sachen mitgebe, die ich für richtig halte.
Denn natürlich sind die Wege jetzt kürzer, das ist ja ganz klar.
Bei fünf Leuten habe ich mehr Abstimmungsbedarf, als wenn einer den Hut auf hat. Und ich fühle mich wohl in der Rolle. Ich habe gar kein Problem damit, da auch mal auf der Bühne in zweiter Reihe zu stehen. Wir lassen uns da gegenseitig die Freiheiten. Jeder macht seine Stärken.
Ich gehe auch ohne ihn zu Vertriebsveranstaltungen, kann dort genauso Halligalli machen wie vorher, die respektieren mich und sehen mich genauso, weil ich der Sascha bin und nicht, weil ich der Geschäftsführer von proWIN bin oder war oder jetzt der Aufsichtsrat kommt.
Das ist scheißegal, ich bin Sascha, das war ich vorher, das bin ich jetzt, vielleicht bin ich es jetzt wieder ein bisschen mehr als vorher.

Thomé:Große Entscheidung, vor der ich auch wirklich großen Respekt habe. Jetzt in deiner aktuellen Phase, was treibt dich da jetzt noch an? Welche Ziele hast du noch für dich persönlich gesetzt?

Winter: Ein ganz großes Ziel. Ich will und möchte unbedingt “Petrolheads” zu einer großen Marke machen. Das war immer mein Traum.
Und ja, da spielt natürlich auch ein bisschen mit, dass man auch gerne einmal etwas ganz Eigenes auf große Füße stellen möchte.
Das gebe ich ganz offen zu, ohne dass da irgendein Neid oder sonst was dabei ist. Aber natürlich möchte man auch gerne mal zeigen, dass man auch was Eigenes hinkriegt.
Und zweitens, weil ich da natürlich einfach auch an die Idee dahinter und an das System dahinter glaube und halt einfach auch Bock drauf habe.
Und mein berufliches Ziel ist natürlich in der Richtung.
Genauso haben wir aber natürlich durch die Zeit bedingt und durch verschiedene Prozesse bedingt noch ganz, ganz, ganz, ganz, ganz viel Arbeit bei proWIN.
Und auch da ist im Moment nicht die einfachste Zeit, muss man ganz klar sagen.
Und da ich meine Familie liebe, meinen Bruder liebe und das Unternehmen, das mir 20 Jahre oder eigentlich 28 Jahre alles gegeben hat und dem ich alles zu verdanken habe, weil ohne proWIN gäbe es auch kein Petrolheads.
Natürlich möchte ich immer bis zum letzten Atemzug für das Unternehmen dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Engagement für den guten Zweck, die Herzensprojekte

Thomé:Jetzt würde ich gerne den Blick noch auf eine Facette lenken, weil ich dich ja jetzt auch schon eine Weile kenne und auch wirklich mal sagen muss, ich finde es extrem beeindruckend, wie stark du dich und auch ihr euch einsetzt für den guten Zweck in vielerlei Hinsicht und es ist sehr bescheiden und sympathisch, dass du das auch nicht allzu sehr an die große Glocke hängst.
Was sind in dieser Hinsicht gerade deine Herzensprojekte, an denen du arbeitest?

Winter: Also ich unterteile das immer ganz gern. Wir haben ja einen Teil, den wir ganz bewusst nach außen stellen, indem wir sagen, “tue Gutes und rede darüber”.
Damit wollen wir natürlich auch Nachahmer provozieren, weil ich eben immer finde, wenn man beruflichen Erfolg hat, dann hat man auch eine soziale Verantwortung und dann sollte man die auch wahrnehmen.
So haben wir das immer gesehen. Deswegen haben wir auch schon lange vorher im kleinen Rahmen, ohne dass wir es an die große Glocke gehängt haben, gespendet und Dinge gemacht.
Dann haben wir 2010 die Kinderstiftung gegründet, die proWIN Kinderstiftung und 2016 die ProNature Stiftung.
Diese beiden Stiftungen sorgen natürlich dafür, dass man auch in der Außendarstellung über das, was wir Gutes tun, redet.
Manche Menschen sind der Meinung, man macht das nur im Stillen und redet nicht darüber. Ich sage, somit kriegt man ein bisschen mehr Awareness dafür. Und das ist was Gutes. Diese Stiftungen liegen uns in der kompletten Familie, in der
kompletten Gesellschafterthematik sehr stark am Herzen, weil wir einfach finden, dass das eine hervorragende Möglichkeit ist, da ganz, ganz viel Gutes zu tun und eben viele Nachahmer und Menschen zu bewirken.
Aber ich habe natürlich auch meine persönlichen Projekte, auf die ich natürlich auf der einen Seite sehr stolz bin und die ich natürlich auf der anderen Seite nach vorne bringen möchte.
Allen voran ist das natürlich unser “Dart-Marathon”, mit dem wir jetzt ja auch 24 Stunden, ganz genau, da quälen wir uns wirklich 24 Stunden, die Beine in den Bauch stehen. Die Leute fragen immer, ja und wie viele Pausen macht ihr dann so? Nein, keine. Wir stehen wirklich 24 Stunden am Stück uns die Beine in den Bauch und werfen Dart-Pfeile.
Und das ist auch, weißt du ja, so ein bisschen aus einer Schnapsidee entstanden und Gott sei Dank haben wir jetzt mittlerweile schon sechs Veranstaltungen machen dürfen und haben schon weit über 200.000 Euro an Spenden damit “eingeworfen”.
Das ist was, wo ich sage, auf der einen Seite kann ich da mein Netzwerk nutzen, was Gott sei Dank in den letzten 20 Jahren auch dank proWIN sehr groß geworden ist.
Leute, die dann auch da gerne helfen und was spenden und auf der anderen Seite kann man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und kann eben - ich meine 24 Stunden macht das keinen Spaß, brauchen wir gar nicht darüber reden, aber die ersten zwölf machen Spaß - und kann eben eine schöne Sache, nämlich Darts spielen und geselliges zusammensitzen oder stehen mit einer tollen Sachen verbinden und das habe ich immer schon ganz gerne gemacht, meine Hobbys mit Spenden zu verknüpfen.

Thomé: Zum Abschluss noch, Sascha, du bist, das kann man wirklich sagen, ein erfolgreicher Unternehmer und bist auch ein Typ, von dem sich viele was abschauen können, von dem viele auch lernen können.
Was würdest du jungen Unternehmerinnen, Unternehmern, Gründerinnen, Gründern raten, um erfolgreich zu werden oder erfolgreich zu bleiben? Hast du da so ein paar Tipps?

Winter:Ich sag mal, die klassischen Tipps sind immer die, die sich, glaube ich seit 50 oder 100 Jahren nicht verändert haben.
Man muss natürlich an die eigene Idee glauben, man muss die Begeisterung nach vorne bringen, man muss versuchen, Menschen für seine Idee zu begeistern, egal in welchem Format das ist und allen voran.
Und ich glaube, dass ich das auch in den meisten Situationen in meinem Leben geschafft habe. Man muss eben authentisch sein. Weil letztlich, wenn ich das nicht bin, kauft mir keiner ab, was ich versuche zu verkaufen.
Auch, ich meine, ohne Fleiß oder wie wir vorhin auch mal gesagt haben, die extra Meile manchmal zu gehen, glaube ich, wird es trotzdem den meisten Leuten nicht gelingen.
Also man muss eben schon wissen, dass von nichts nichts kommt und es muss nicht immer mit ganz vielen Opfern bringen, einhergehen, aber wer erwartet, dass man mit einem durchschnittlichen Einsatz und mit einer durchschnittlichen Arbeit überdurchschnittlich erfolgreich wird, der wird leider in den meisten Fällen dann doch enttäuscht werden.

Thomé: Jetzt greife ich ein Stichwort gerne auf, um für meine Abschlussfrage. Authentisch sein, hattest du gerade gesagt. Also da jetzt auch noch mal eine authentische Antwort von dir.
Wann werden wir Sascha Winter mal mit dem E-Auto durchs Saarland fahren sehen?

Winter:Das ist eine ganz fiese Frage, aber ich beantworte sie ganz ehrlich und authentisch, wie ich bin.
Das wird erst passieren, wenn es keinen einzigen Liter Sprit mehr irgendwo zu kaufen gibt.

Thomé: Sascha, ganz herzlichen Dank dafür, dass du heute mein Gast warst.
Alles Gute für dich.

Winter: Ganz, ganz herzlichen Dank.