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„Geiz ist geil“ - Quo Vadis Einzelhandel?

IHK legt Branchenbericht zum Einzelhandel vor

18.06.2003

Der saarländische Einzelhandel musste in der letzten Zeit erhebliche Umsatz- und Ertragseinbrüche hinnehmen. Wie aus dem neuesten Branchenbericht der IHK hervorgeht, verlor die Branche innerhalb eines Jahres im Saarland real 4,3 Prozent ihrer Umsätze. Bundesweit waren es im gleichen Zeitraum nur 2,3 Prozent. Betroffen ist dabei nach IHK- Angaben insbesondere der Facheinzelhandel mit Lebensmitteln. Die negative Umsatzentwicklung ging mit einem Rückgang der Beschäftigung von rund 3 Prozent einher. Trotz der aktuell rückläufigen Entwicklung ist der Einzelhandel weiterhin ein wirtschaftliches Schwergewicht: Nach IHK-Angaben erwirtschaftete er im Jahr 2002 knapp 4,5 Milliarden Euro (ohne Kfz-Einzelhandel und Tankstellen) und beschäftigte rund 36.000 Mitarbeiter.

Discounter boomen

Die zahlreichen Rabattaktionen, mit denen der Handel versuchte, die Verbraucher zum Konsum zu animieren und verlorene Marktanteile zurückzugewinnen, waren laut Branchenbericht weitgehend wirkungslos. Slogans wie „Wer zu früh kauft, den bestraft das Sonderangebot“ oder „Geiz ist geil“ seien Reaktionen auf die gedämpfte Konsumneigung und das gestiegene Preisbewusstsein der Verbraucher. Hierzu passe, dass die Discounter mit zum Teil zweistelligen Zuwachsraten einen regelrechten Boom erlebt haben. Die Vertriebsform „Discount“ werde auch künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Die IHK geht davon aus, dass sich der Anteil der Discounter am Umsatz bis 2005 auf über 20 Prozent erhöhen wird - eine Verdoppelung innerhalb von zehn Jahren.

Konzentrationsprozess schreitet voran

Angesichts der schwierigen Situation im Einzelhandel beobachtet die IHK einen verschärften Wettbewerb zwischen den Unternehmen, der über Betriebstypen, Vertriebsformen und Standorte ausgetragen werde. Gleichzeitig gehe der Konzentrationsprozess im deutschen Einzelhandel unvermindert weiter: Mittlerweile vereinen die Top 10 der Unternehmen im Lebensmittelbereich etwa 90 Prozent des Branchenumsatzes auf sich, so die IHK. Ähnliche Entwicklungen seien im Bereich Bekleidung und Möbel zu beobachten. Trotz negativer Umsatzentwicklung sei die Verkaufsfläche deutlich angestiegen. Dieser Trend zu mehr Verkaufsfläche sei Ausdruck einer Entwicklung zu einer großzügigen Präsentation und „Inszenierung“ der Waren.

Trend zur vertikalen Integration

Neben der Vertriebsform Discounter sind sogenannte „vertikale Handelskonzepte“ auf dem Vormarsch: diese integrieren mehrere Stufen der Wertschöpfungskette. Nach Angaben der IHK verschafft insbesondere der Faktor Zeit den vertikalen Systemen erhebliche Wettbewerbsvorteile. Das Aufgreifen von Trends und deren schnelle Umsetzung, etwa in verkaufsfertigen Kollektionen, sei ein entscheidender Vorteil dieser Organisationsform. Er ermögliche eine effektive Steuerung des Warenflusses von der Produktion über die Lagerung bis hin zum Verkauf. Schwierig werde es für die nicht vertikal organisierten Unternehmen: Sie würden zunehmend von preisaggressiven Vertriebsformen aus dem Discountbereich, vertikal integrierten Ketten und den Großvertriebsformen des Handels unter Druck gesetzt.

Shopping-Center auf dem Vormarsch

Ein weiterer Trend im Einzelhandel: Shopping Center sind auf dem Vormarsch. In den letzten zehn Jahren ist in der Bundesrepublik ein starker Zuwachs auf jetzt 338 zu beobachten. Zwar bekamen auch die Center die allgemeine Kaufzurückhaltung zu spüren, allerdings waren die Einbrüche laut IHK bei weitem nicht so stark wie im übrigen Einzelhandel. Die IHK führt den Erfolg auf die gelungene Gesamtkonzeption der Center zurück: Kriterien wie Standort, Erreichbarkeit, Größe, Parkplätze, „alles unter einem Dach“ sowie ein gelungener Branchen-Mix mit Unterhaltung für die Besucher seien die Erfolgsgaranten. Allerdings seien die großflächigen Shoppingcenter in den Innenstädten nicht unumstritten, da sie durch ihre Konzentration zu Verwerfungen im innerstädtischen Einzelhandel führten. Die zunehmenden Leerstände in den Geschäftszentren seien Symptom für die strukturellen Probleme des Einzelhandels und der Kommunen, so der Branchenbericht. Das Wegbrechen angestammter Geschäftsfelder zwinge künftig insbesondere den mittelständischen Einzelhandel zu einem Umdenken. Für viele Betriebe biete es sich an, neue Geschäftsfelder in Kooperation mit anderen Unternehmen zu erschließen. Die Herausforderung für den Einzelhandel: Er muss eine zukunftsorientierte Mischung aus System und Individualität finden.

Der ausführliche Branchenbericht zum Download

Weitere Informationen:
Leander Wappler
(06 81) 95 20-2 10