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Gewerbesteuer abschaffen – Kommunalfinanzierung auf mehr Schultern verteilen

Von Rolf Schneider, Vizepräsident der IHK Saarland
Kolumne

01.10.2001

Durch die Vorschläge des Bundesverbands der Industrie (BDI) zu einer grundlegenden Reform der Gemeindefinanzierung ist die steuerpolitische Diskussion in Deutschland erneut in Bewegung gekommen. Das ist gut so, denn standortorientierte Steuerpolitik ist Daueraufgabe, die keinen Stillstand duldet. Und gerade bei der Gewerbesteuer besteht dringender Handlungsbedarf. Hierüber wurde in den letzten drei Jahrzehnten zwar viel geredet, geändert hat sich indessen wenig.

Mit dem BDI-Vorschlag liegt erstmals ein ernst zu nehmendes Konzept für eine Neuorientierung der Kommunalfinanzierung auf dem Tisch. In Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist das Reformkonzept unisono als konstruktiver Vorstoß gewürdigt worden. Auf dieser Grundlage lässt sich weiterarbeiten. Wünschenswert ist deshalb, dass die Bundesregierung der von BDI, Deutschem Landkreistag und Deutschem Städte- und Gemeindebund geforderten raschen Einberufung einer Expertenkommission nachkommt. Auf diese Weise könnte noch in dieser Wahlperiode mit den notwendigen Vorarbeiten zu einer umfassenden Gemeindefinanzreform begonnen werden. Nur so gibt es eine Chance, die Reform dann in der nächsten Legislaturperiode zu verabschieden.

Angesichts der breiten Zustimmung zu den BDI-Vorschlägen ist es unverständlich, dass der saarländische Wirtschaftsminister für ähnliche Überlegungen als Totengräber der Kommunen und kleineren Unternehmen desavouiert wird. 'Geradezu selbstzerstörerisch für die Kommunen” sei sein Vorstoß für die Abschaffung der Gewerbesteuer, so der Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages. Und auch für die Wirtschaft habe der Vorschlag 'desaströse' Folgen, sekundierte sein Geschäftsführer. Ins gleiche Horn blies der DGB Saar, dessen Vorsitzender gar glaubte, Selbständige und Kleinbetriebe vor dem Wirtschaftsminister in Schutz nehmen zu müssen. Harsche Worte. Dabei ist die Kritik nicht nur in der Wortwahl überzogen, sie geht auch inhaltlich am Kern der Sache vorbei.

Dringender Reformbedarf

Die Gewerbesteuer ist nach einhelliger Meinung der meisten Politiker und Finanzwissenschaftler eine schlechte Steuer. Aus Sicht der Unternehmen ist sie gleich aus mehreren Gründen ein Ärgernis. Zunächst wirkt sie wie eine Sondersteuer auf Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Der Grund: Exportprodukte sind mit der Gewerbesteuer belastet, während ausländische Produkte beim Import davon verschont bleiben. Die meisten Länder haben deshalb die Gewerbesteuer bereits abgeschafft. Mit Ausnahme Deutschlands wird sie in der EU nur noch in Luxemburg erhoben, wo sie allerdings ebenfalls bald eingestampft werden soll. Ärgerlich ist zudem, dass sie ausschließlich gewerbliche Einkommen trifft. Im Gegensatz zu gewerblichen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sind nämlich Land- und Forstwirtschaft, Freiberufler und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von der Gewerbesteuer befreit. Insofern stellt die Gewerbesteuer eine Sonderbelastung gerade jener wirtschaftlichen Betätigung dar, die besonders risikobehaftet ist.

Aber auch aus Sicht der Kommunen ist die Gewerbesteuer nicht unproblematisch. Vor allem ihre Abhängigkeit vom Auf und Ab der Konjunktur und die damit gegebenen starken Schwankungen der Einnahmen sorgen bei den Kämmerern für Verdruss. Besonders brenzlig wird es für sie immer dann, wenn in schlechten Jahren größere Unternehmen als Steuerzahler ausfallen. Es ist deshalb nicht nur ungerecht, dass lediglich einige wenige Großbetriebe – in der Regel sind es nur zehn bis 20 Prozent - ihre Kommunen fast im Alleingang finanzieren. Diese schmale Basis bedroht auch die Lebensfähigkeit der Städte. Kein Wunder, dass die Kommunen an einer breiteren Bemessungsgrundlage und einer stabileren Finanzierungsquelle für ihre Ausgaben interessiert sind.

Ausgewogenes Reformkonzept

Es gilt also einen Weg zu finden, der einerseits den Gemeinden sichere Einnahmen beschafft und andererseits mit der Sonderbelastung der gewerblichen Unternehmen Schluss macht. Der BDI-Vorschlag zur Reform der Gemeindefinanzierung zeigt, wie ein solcher Weg aussehen könnte.

Im Kern sieht der Vorschlag vor,

  • zusammen mit der Gewerbesteuer die Gewerbesteuerumlage und den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer abzuschaffen,
  • die Steuersätze in der Einkommensteuer über den gesamten Tarifverlauf zu senken und den Körperschaftsteuersatz leicht zu erhöhen,
  • den so geschaffenen Spielraum für eine neue hebesatzbewehrte „kommunale Einkommen- und Gewinnsteuer“ zu nutzen.
Dieses Modell hat eine Reihe von Vorzügen. Es ist vor allem aufkommensneutral: Weder bei den Einkommen- noch Körperschaftsteuerpflichtigen tritt eine Mehrbelastung ein. Zudem halten sich in den Kassen aller Gebietskörperschaften Steuerausfälle und Steuermehreinnahmen die Waage. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Kommunen ausbluten. Und ebenso grundlos sind Befürchtungen, damit würden den Arbeitnehmern und der mittelständischen Wirtschaft neue Lasten aufgebürdet.

Doch der Vorschlag besticht noch darüber hinaus: Indem er die Kommunalfinanzierung auf mehr Schultern verteilt, beseitigt er das grundsätzliche Gerechtigkeitsproblem der Gewerbesteuer. Ganz abgesehen davon, dass dadurch die Anreize der Kommunalpolitiker verstärkt werden, auch kleinere Unternehmen anzusiedeln, dürfte die „neue“ Steuer eine ungemein disziplinierende Wirkung entfalten. Die Kosten ausgabenträchtiger Kommunalprojekte können dann nicht mehr einer kleinen Minderheit angelastet werden. Da jeder Stadtverordnete sein Scherflein beizutragen hat, wird er sein Abstimmungsverhalten wohl gründlicher abwägen. Das ist ein Stück mehr Demokratie in den Kommunen, die im übrigen auch noch in einer anderen Hinsicht dem Bürger zugute kommt. Durch die höhere Transparenz der Kommunalfinanzierung sind Wahlentscheidungen auch immer Entscheidungen über bestimmte Kostenbelastungen. Die Parteien werden sich daher mit ihren Programmen wohl oder übel den Wünschen und Bedürfnissen der Bürger anpassen müssen.