Halbzeitbilanz: Das Saarland holt auf
Von Dr. Richard Weber, Präsident IHK Saarland
Kolumne
01.05.2002
Noch Defizite...
Anders als im Sport sind die Ergebnisse der Politik selten messbar. Einen Maßstab zur Regierungshalbzeit im Saarland bietet just eine repräsentative Unternehmensbefragung, die der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bundesweit zur Attraktivität von Standorten in Deutschland durchgeführt hat. Insgesamt haben sich daran mehr als 20 000 Unternehmen beteiligt, davon auch rund 300 aus dem Saarland. Das Ergebnis fällt für den Wirtschaftsstandort Saarland zwiespältig aus. So bewerten die Unternehmen die Standortbedingungen an der Saar mit der Note “ befriedigend”; damit nimmt das Saarland nur einen Platz im unteren Mittelfeld ein. Angesichts der zahlreichen und immer noch bestehenden Standortnachteile – man denke nur an die hohen Entsorgungskosten an der Saar – ist dieses Ergebnis nicht weiter überraschend.
... aber die Richtung stimmt
Aussagekräftiger ist die Einschätzung der Veränderungen der Standortbedingungen in der jüngsten Vergangenheit. Die Saarwirtschaft meint mehrheitlich, dass die Standortbedingungen hier zu Lande in den zurückliegenden drei Jahren günstiger geworden sind. In puncto Standortverbesserung belegt das Saarland einen beachtlichen siebten Platz unter den beteiligten 69 IHK-Bezirken. Insofern zeigt das DIHK-Ranking, dass unser Land auf dem richtigen Weg ist. Die Kursrichtung der Regierung scheint zu stimmen: Offenbar begrüßen die Unternehmen, dass die Landesregierung unter dem selbst gesetzten Leitbild vom “ Aufsteigerland” beherzt und schnell längst überfällige Initiativen für den Abbau der saarspezifischen Standortnachteile ergriffen hat. Dazu gehört etwa das Landesprogramm zur Absenkung der Gewerbesteuerhebesätze auf den Bundesdurchschnitt oder die Kampagne zur Entbürokratisierung und Deregulierung der öffentlichen Verwaltung. Den größten Pluspunkt aber hat sich die Müller-Regierung in der Bildungspolitik verdient. Mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums (Turbo-Abi) als Kernelement einer breit angelegten Bildungsoffensive hat sie – schon vor “PISA” - nicht nur die dringend notwendige Bildungswende eingeleitet. Sie hat damit auch gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Imageförderung unseres Landes geleistet. Dies hat - zusammen mit der Rückführung der Arbeitslosigkeit, dem positiven Verlauf bei der Zahl der Existenzgründungen und der konstruktiven Rolle des Saarlandes bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs - sicherlich dazu beigetragen, dass das Saarland heute bundesweit anders wahrgenommen wird als früher.
Kurs halten!
Das sollte die Landesregierung beflügeln und ihr auch die nötige Zuversicht geben, in der zweiten Halbzeit genauso tatkräftig zu Werke zu gehen wie bisher. Denn die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind noch längst nicht so, wie sie sein müssten, um unser Land zum Marktführer in puncto Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit zu machen. Hierzu bedarf es weiterer Anstrengungen insbesondere in der Bildungs-, Verkehrs-, Entsorgungs- und Abgabenpolitik: Die geplanten Verkehrsinfrastrukturprojekte sollten zügig umgesetzt, die zweite Stufe des Landesprogramms zur Absenkung der Gewerbesteuerhebesätze wie vorgesehen verwirklicht, Schulen und Hochschulen “entfesselt” und die saarländische Entsorgungslandschaft in Richtung mehr Wettbewerb und Effizienz getrimmt werden. Mit diesen Schritten schlägt die Regierung den Weg zu einem leistungsorientierten und wirtschaftsfreundlichen Saarland ein. Nur so kann sie ihr ehrgeizigstes Ziel erreichen, innerhalb von zehn Jahren 60 000 neue Jobs zu schaffen.
Wer aufsteigen will, muss besser sein als andere. Dazu gehört aber auch ein hinreichend langer Atem. Der Landesregierung ist deshalb im Interesse unserer Wirtschaft zu wünschen, dass sich bei ihr in der zweiten Halbzeit keine Konditionsmängel einstellen. Wie sagte schon Sepp Herberger: “Ein Spiel dauert neunzig Minuten”.