Hohe Strompreise schaden dem Standort
Von Volker Giersch
Kommentar
01.01.2006
Das Saarland ist als Industrieland besonders betroffen. Der Energieverbrauch liegt hier – bezogen auf die Wirtschaftsleistung – um mehr als die Hälfte über dem Bundesdurchschnitt. Der Standortfaktor Strompreis spielt für die Saarwirtschaft eine entsprechend große Rolle. Zudem liegt unser Land unmittelbar an der Grenze zu Ländern, in denen der Strom weniger kostet. Viele kleine und mittlere Unternehmen, die mit Betrieben in Lothringen und Luxemburg konkurrieren, spüren ihre Stromrechnung als unmittelbaren Wettbewerbsnachteil.
Dass die Strompreise in Deutschland höher liegen als anderswo, hat ganz überwiegend hausgemachte Gründe: Hohe und steigende energiepolitische Sonderlasten treiben sie nach oben. Die weltweit steigenden Öl-, Gas- und Kohlepreise spielen für unsere Wettbewerbsfähigkeit dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Denn sie treffen andere Volkswirtschaften in gleicher Weise.
Staatliche Sonderlasten machen Liberalisierungsvorteile zunichte
Mit Wehmut blicken viele Unternehmen ein Jahrzehnt zurück. Damals, Ende der 90er Jahre konnten wir uns über deutlich sinkende und im internationalen Vergleich niedrige Stormpreise freuen. Die Liberalisierung des Strommarktes brachte eine Senkung der Strompreise mit einem Volumen von deutschlandweit rund 7,5 Milliarden Euro. Das hat die deutschen Unternehmen im internationalen Wettbewerb gestärkt und die privaten Haushalte spürbar entlastet. Inzwischen jedoch wurden diese Liberalisierungsgewinne durch die Energiepolitik der rot-grünen Bundesregierung fast vollständig aufgezehrt. Ehrgeizige Umweltschutzprojekte und die massive Förderung erneuerbarer Energien haben der Energiewirtschaft Sonderlasten aufgebürdet, die sich zusammen auf rund 10 Milliarden Euro jährlich summieren. Davon entfallen auf die Stromsteuer 6,6 Milliarden Euro, auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2,7 Milliarden Euro und auf das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz nochmals rund 0,8 Milliarden Euro. Ohne diese Zusatzbelastung hätte die deutsche Industrie heute im internationalen Vergleich sogar einen Wettbewerbsvorteil.
Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin hat zwar immer wieder darauf hingewiesen, dass durch die Förderung der erneuerbaren Energien eine große Zahl neuer Arbeitsplätze – etwa bei Herstellern von Wind- und Solaranlagen – geschaffen wurde. Und das trifft auch zu. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, dass durch die höheren Strompreise eine große Zahl an Arbeitsplätzen in anderen Wirtschaftsbereichen verloren ging: Zum einen, weil viele Unternehmen durch die hohen deutschen Energiekosten an Wettbewerbsfähigkeit verloren und Arbeitsplätze im Inland abgebaut haben. Zum anderen, weil den Verbrauchern angesichts der höheren Stromrechnungen weniger Geld für den Kauf anderer Produkte und Dienstleistungen bleibt. Unter Berücksichtigung dieser Effekte dürfte die Arbeitsplatzbilanz der rot-grünen Energiepolitik per Saldo negativ ausfallen.
Bedauerlich ist zweifellos auch, dass der Wettbewerb auf dem Strommarkt heute längst nicht mehr so intensiv ist wie man sich das ursprünglich gewünscht hat. Das gilt zumindest für einige Kundenbereiche und für eine beträchtliche Zahl von Regionen. Zwei Gründe spielen dabei eine Rolle:
- Zum einen gab es bei den Stromerzeugern einen starken Konzentrationsprozess – eine Entwicklung, an der die alte Bundesregierung ebenfalls nicht ganz unschuldig ist. Derzeit liegen mehr als 80 Prozent der Stromerzeugung in der Hand von nur vier Großunternehmen.
- Zum anderen hat die Verbände-Vereinbarung, die die Durchleitung von Strom durch verschiedene Netze regeln sollte, nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die Entgelte für die Netznutzung sind vielfach zu hoch, um einen lebendigen Wettbewerb zu ermöglichen. Der Chef des Bundeskartellamtes Ulf Böge sieht hier ein beträchtliches Potenzial für Preissenkungen.
Doch besteht auch darüber hinaus Handlungsbedarf. Auf die energie politische Agenda gehört aus IHK-Sicht ein Bündel von Maßnahmen, das einerseits darauf zielt, den Energiemix zu optimieren und andererseits den Strompreis von staatlichen Sonderlasten befreit.
Energiemix muss Ergebnis von Markt und Wettbewerb sein
Zu welchem Mix an Energieträgern es kommt, muss grundsätzlich das Ergebnis von Markt und Wettbewerb sein. Der Staat sollte sich darauf beschränken, die Marktergebnisse über befristete Anreize zu beeinflussen. Staatlicher Zwang und dauerhafte Subventionen sind letztlich untaugliche Mittel, die zu Lasten der energiewirtschaftlichen Effizienz gehen.
Im Einzelnen ist viererlei vordringlich:
Erstens ist es ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft,
den Ausstieg aus der Kernenergienutzung zurückzunehmen. Die
Laufzeit der Anlagen sollte sich ganz vorrangig an den
international führenden deutschen Sicherheitsstandards
orientieren.
Zweitens muss die Politik möglichst rasch Rahmenbedingungen schaffen, die den Kernkraftwerksbetreibern die nachhaltige Entsorgung der radioaktiven Abfälle ermöglichen. Das sicherheitstechnisch und wirtschaftlich überlegene Zwei-Endlager-Konzept sollte fortgeführt werden.
Drittens sollte die Bundesregierung rasch einen verlässlichen Finanzierungspfad für die deutsche Steinkohle festlegen, der einen schrittweisen Abbau der Finanzhilfen vorsieht. Auf lange Sicht sollte sich die Förderung vor allem auf die Erforschung neuer Bergbautechnologien konzentrieren („ Forschungszeche“).
Viertens brauchen wir optimierte Rahmenbedingungen zur Beschleunigung des Leitungsbaus ( Plangenehmigung statt Planfeststellungsverfahren), damit ein sicherer Stromnetzbetrieb gewährleistet werden kann.
Staatsanteil am Strompreis muss sinken
Entscheidend ist es zudem, die staatliche Belastung der Strompreise schrittweise abzubauen. Dazu sollte die Förderung der erneuerbaren Energien über Einspeisevergütungen bis 2015 befristet und bis dahin baldmöglichst effizienter gestaltet werden. Ab 2015 müssen sich Neuanlagen dann dem Wettbewerb stellen.
Die Kraft-Wärme-Kopplung sollte nach dem Auslaufen der derzeitigen Regelung ab 2010 nur noch durch Gutschriften im Rahmen der Emissionszertifikatsvergabe gefördert werden. Des weiteren ist sicherzustellen, dass deutschen Unternehmen durch die nationale Ausgestaltung des Emissionshandels keine Nachteile entstehen.
All dies – auf einen Nenner gebracht – bedeutet: Die deutsche Energiepolitik muss standortpolitische Gesichtspunkte künftig wieder stärker ins Kalkül ziehen. Denn es nützt dem Weltklima wenig, wenn wir energieintensive Unternehmen durch überhöhte Strompreise ins Ausland treiben. Unserem Arbeitsmarkt schadet es indes sehr.