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In den Ofen geschossen?

Kommentar von Volker Giersch zum Thema Gewerbesteuer

27.08.2002

Die SPD im Lande hatte es von Anbeginn an auf dem Kieker: das Landesprogramm zur Senkung der Gewerbesteuerhebesätze. Dieses von der IHK angestoßene Programm verringert die überhöhte Steuerlast, die saarländische Städte und Gemeinden den Unternehmen aufbürden, um 12 Millionen Euro jährlich. Es begrenzt damit den regionalpolitischen Flurschaden, den die Saar-Kommunen mit ihrer Hebesatzpolitik anrichten. Allerdings nur zum Teil. Es bleibt immer noch ein saarländischer Steuermalus von rund 18 Millionen Euro pro Jahr.

Das ist zuviel. Eigentlich müsste sich unser Land, das ja wirtschaftlich aufsteigen will, vom Hochsteuer- zum Niedrigsteuerland wandeln. Doch das wird angesichts der angespannten Finanzlage bei Land und Kommunen auf absehbare Zeit wohl ein frommer Wunsch bleiben.

Ärgerlich ist, dass die parlamentarische Opposition fast täglich gegen die Senkung der überhöhten Steuerlast zu Felde zieht. In diesen Kreuzzug hat sich jetzt auch der neue Geschäftsführer des Saarländischen Städte- und Gemeindetages eingereiht. „Diese 12 Millionen Euro der Landesregierung für die Gewerbeteuer“, so Richard Nospers, “sind in den Ofen geschossen“. Die Mittel sollten stattdessen in kommunale Investitionen fließen. Doch „halt!“ möchte man da rufen. Müssten dann nicht auch jene Milliarden in den Ofen geschossen sein, die die Regierung Schröder auf Bundesebene zur Entlastung der Wirtschaft einsetzt? Auch sie will ja mit geringeren Steuern Wachstum und Beschäftigung stimulieren. Und was im Bund richtig ist, kann doch an der Saar nicht falsch sein.

Weniger Steuern, mehr Eigenkapital

Zurzeit zahlen im Saarland gut 7.000 Unternehmen mehr als 200 Millionen Euro Gewerbesteuer. Viele von ihnen leiden unter einem bedrohlichen Mangel an Eigenkapital. Das mindert ihre Fähigkeit, Flauten zu überstehen und begrenzt ihre Möglichkeiten, Wachstum zu finanzieren. Beides schmerzt umso mehr, als die Finanzierung über Kredite zunehmend schwieriger wird. Die Entlastung bei der Steuer hilft hier. Sie fördert die Eigenkapitalbildung des Mittelstandes, erweitert seine Finanzierungsspielräume und erhöht überdies die Krisenresistenz.

Die ökonomische Einsicht, dass eine zu hohe Steuerlast schadet, war in der Saar-SPD bis 1999 durchaus noch vorhanden. So heißt es in einem Konsenspapier der Saar-Gemeinschaftsinitiative (SGI), das die damalige Regierung Klimmt mit verfasst und unterschrieben hat: „Die Saar-Gemeinschaftsinitiative erwartet von einer Senkung der Gewerbesteuerhebesätze im Saarland über eine Verbesserung der Rentabilität von Investitionen die Sicherung bestehender und Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze an der Saar.“ Diese Einsicht ging beim Wechsel in die Oppositionsrolle leider verloren. Heute erinnert die SPD-Argumentation stark an die 70er Jahre, als es noch „in“ war, die Kuh Wirtschaft kräftig zu melken, um sich mehr Staat leisten zu können. Eine magere Bilanz bei Wachstum und Beschäftigung war die Folge.

Von ähnlichem Geiste zeugt, dass viele saarländische Kommunen ihre Finanznot seit Jahrzehnten einseitig zu Lasten der Wirtschaft lindern. Das Landesprogramm außer Acht gelassen muten sie den Unternehmen Hebesätze zu, die den Bundesdurchschnitt um mehr als 50 Punkte überschreiten. Die Eigentümer von Grund und Immobilien bitten sie hingegen eher schonend zur Kasse: Bei der Grundsteuer liegen die Hebesätze um gut 30 Punkte unter dem Schnitt der Republik und gar um 70 Punkte unter denen der Gewerbesteuer. Da obsiegt kommunalpolitische Opportunität wohl über regionalpolitische Vernunft. Bekanntlich verfügen die Hauseigentümer über mehr Stimmen als die Unternehmer – als Wähler und als Gemeinderäte.

Wirtschaft investiert mit hoher Effizienz

Doch zurück zum Vorschlag von Herrn Nospers und damit zur Frage: Was bringt unser Land stärker voran, zusätzliche Investitionen der Kommunen oder zusätzliche Investitionen der Unternehmen, die durch Steuerentlastung möglich werden?

Zunächst lehren uns Theorie und Praxis, dass die Unternehmen in unserer Marktwirtschaft gezwungen sind, offensiv und rentabel zu investieren. Jene, denen dies gelingt, werden Marktanteile gewinnen und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Jene, die zu zaghaft oder falsch investieren, werden schrumpfen und auf Dauer aus dem Markt ausscheiden. Im Ergebnis sorgt diese ständige Selektion für hohe Effizienz.

Ein Mechanismus, der Städte und Gemeinden zu ähnlicher Effizienz zwingt, existiert bislang nicht. Und auch die Praxis belegt keineswegs, dass Kommunen grundsätzlich die erfolgreicheren Investoren sind. Man denke nur an das kommunale Management im Schwimmbadbereich. Beispiel Sulzbachtal. Dort unterhalten vier Gemeinden für insgesamt 80.000 Einwohner acht Schwimmbäder, die zusammen jährliche Verluste von vielen Millionen Euro einfahren. Lokale Egoismen verhindern hier wie anderswo wirtschaftlichere Lösungen. Kaum rühmlicher ist das Wirken der Kommunen in der Entsorgung. Wie viel Misswirtschaft, Kostendynamik und Gebührenlast hat uns hier das kommunale Gemeinschaftsunternehmen EVS bisher beschert? Millionen wurden „ in den Ofen geschossen“. Gutachten decken Stück für Stück auf warum: Es mangelte an Transparenz, Markt und Wettbewerb. Ähnliches gilt für den Konzern Stadt Saarbrücken mit seinen knapp 80 Gesellschaften. Als Vorzeigeunternehmen eignen sich nur wenige von ihnen.

Wenden wir es positiv: Auf kommunaler Ebene lassen sich allem Anschein nach noch beträchtliche Wirtschaftlichkeitsreserven heben. In der Wirtschaft geschieht dies ständig. Der Wettbewerb zwingt dazu. Alles in allem spricht deshalb viel für die Maxime: So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig. Viel Staat mit entsprechend hoher Steuerlast haben wir bereits, genug Markt noch nicht.

Über die Verteilung der Finanzen innerhalb des Staates kann man trefflich streiten. Unverkennbar ist indes, dass viele Gemeinden zurzeit nicht über eine auskömmliche Finanzausstattung verfügen – auch und gerade wegen der zum Teil massiven Einbrüche bei der Gewerbesteuer. Der beste Weg zu solideren Kommunalfinanzen wäre es, die Gewerbesteuer im Rahmen einer umfassenden Gemeindefinanzreform durch eine stabilere und auf mehr Schultern verteilte Einnahmequelle zu ersetzen. Der mit Abstand schlechteste Weg zur finanziellen Konsolidierung ist und bleibt es, den Unternehmen überhöhte Steuern aufzubürden. Das geht nämlich unweigerlich zu Lasten von Wirtschaftsdynamik und Beschäftigung. Die SPD geführte Bundesregierung hat das – zumindest im Grundsatz – begriffen. Hoffen wir, dass diese Einsicht bald auch in der Saar-SPD Platz greift.