In die Zukunft investieren !
Das Saarland braucht auf Dauer eine gute
Ingenieurausbildung
Von Walter Siebert, Vizepräsident IHK Saarland
Kolumne
01.08.2003
Der Mangel an qualifiziertem technischem Nachwuchs könnte sich schon bald als Wachstumsbremse und als Standortnachteil für die Bundesrepublik auswirken. Dies gilt erst recht für das Saarland, wo das Angebot an ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen ohnehin begrenzt ist. Mit großer Sorge beobachten wir daher die Entwicklung der Ingenieurwissenschaften an der Saar-Universität. Konkret: Viele saarländische Unternehmen befürchten, dass sich die beabsichtigte Umstrukturierung der Universität ganz überproportional zu Lasten der Elektrotechnik auswirken wird. Die Gründe dafür scheinen mehr in der Zufälligkeit gerade vakanter Stellen, als in der Stringenz einer langfristigen strategischen Entwicklungsplanung für die Hochschulen zu liegen.
Durch gute Ausbildung ....
Die Konsequenzen einer solchen Politik wären fatal. Wie die Ergebnisse unserer Ingenieurumfrage vom vergangenen Herbst zeigen, brauchen die saarländischen Unternehmen künftig nicht nur insgesamt mehr Ingenieure als die derzeitigen Studienanfängerzahlen erwarten lassen. Sie brauchen auch gleichermaßen gut ausgebildete Kräfte von HTW und Universität. Aus guten Gründen sind die Zugangsvoraussetzungen sowie Inhalt und Umfang der vermittelten Lehrinhalte an beiden Einrichtungen unterschiedlich. Entsprechend sind auch die Absolventen von Universität und Fachhochschule für die Unternehmen nur in engen Grenzen gegeneinander austauschbar: Während in Konstruktion, Produktion und Qualitätsmanagement FH-Absolventen die besseren Chancen haben, werden insbesondere für Aufgaben in Forschung und Entwicklung und für Führungsaufgaben, aber auch in Marketing und Vertrieb, tendenziell eher Universitätsabsolventen bevorzugt.
... Standortvorteile schaffen !
Mit großem Aufwand (und Erfolg) werben wir seit vielen Jahren dafür, dass die Unternehmen im Rahmen des dualen Systems ihren eigenen Nachwuchs ausbilden. Es gibt gute Gründe dafür, dass unser Land – auch im Hochschulbereich – seinen eigenen Nachwuchs ausbildet: Dies gilt in besonderem Maße für den Bereich der Ingenieure:
- Übereinstimmend sagen uns die Unternehmen, dass es immer schwerer wird, qualifizierte Ingenieure aus anderen Bundesländern ins Saarland abzuwerben. Die Gründe dafür mögen unterschiedlich sein – am Ergebnis besteht jedoch kein Zweifel.
- Gerade angesichts des bundesweit herrschenden Ingenieurmangels haben die Unternehmen in unserem Land gute Chancen, in größerem Umfang als bisher, zumindest wachsende Teile von Konstruktion und Produktentwicklung ins Saarland zu holen. Zwei großen Automobilzuliefern ist dies in der Vergangenheit gelungen – aber nur deshalb, weil guter Ingenieurnachwuchs derzeit im Saarland (noch) reichlicher vorhanden ist als etwa in Baden-Württemberg und Bayern.
- Saarländische Unternehmen profitieren aber nicht nur von der Lehre. Ihr Innovationspotenzial wird auch durch die Nähe zur Forschung gestärkt. Gerade die stark anwendungsorientierten Fächer wie Werkstoffwissenschaften, Produktions- und Fertigungstechnik und Elektrotechnik bieten hier traditionell hervorragende Ansatzpunkte für einen Technologietransfer.
- Schließlich sind Spin-offs und technologieorientierte Unternehmensgründungen erfahrungsgemäß vor allem im Umfeld entsprechender Lehr- und Forschungseinrichtungen zu finden. Wer sich – und sei es auch nur ein Stück weit – von der Ausbildung und Forschung in diesem Bereich verabschiedet, der verzichtet auch auf das zugehörige Gründerpotenzial.
Land muss Schwerpunkte vorgeben
Aus unserer Sicht ist das Land als „Shareholder“ von Universität und Fachhochschule in der Pflicht, die grundsätzlichen Linien künftiger Entwicklung vorzugeben. Mit der Ziel- und Leistungsvereinbarung zwischen Saar-Uni und Bildungsministerium sind inzwischen wichtige Weichenstellungen erfolgt. Insbesondere die Vorgaben zur Qualitätssicherung und Effizienzsteigerung gehen dabei in die richtige Richtung. Bei der Festlegung der Prioritäten – nach den Vorgaben der Innovationsstrategie – mag man noch mitgehen. Bei den Posterioritäten sind wir allerdings anderer Auffassung: Solange die Saar-Uni noch zu fast 40 Prozent „Philosophen“ ausbildet, kann es nicht richtig sein, den Rotstift gerade bei den Ingenieuren anzusetzen. Eigentlich müsste eine qualifizierte Ingenieurausbildung in unserem nach wie vor stark industriell geprägten Land in der Liste der Prioritäten weit oben stehen.
Unternehmen möchten mitgestalten !
Die saarländischen Unternehmen haben ihre Wünsche, Vorstellungen und Sorgen zur Ingenieurausbildung im Saarland sehr frühzeitig artikuliert. Sie haben die Ergebnisse ihrer Umfrage und ihre Empfehlungen gemeinsam mit dem Kultusminister vor über einem halben Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit verbunden war die Erwartung, in die Überlegungen zur künftigen Ausrichtung der Ingenieurausbildung im Saarland mit einbezogen zu werden. Schließlich wollten die saarländischen Unternehmen auch selbst für mehr naturwissenschaftlich-technischen Nachwuchs im Saarland werben – gemeinsam mit der Landesregierung.
Spät – hoffentlich nicht zu spät – hat jetzt der saarländische Bildungsminister die Einrichtung einer Arbeitsgruppe angekündigt, die Konzeption und Inhalte der künftigen Ingenieurausbildung beraten und dabei auch die Möglichkeiten einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen Uni und HTW prüfen soll. In diese Beratungen sollen auch interessierte und betroffene Unternehmen einbezogen werden. Keine Frage: Die Wirtschaft wird dieses Angebot annehmen. Wir brauchen einen offenen – und öffentlichen – Dialog über die Zukunft der Ingenieurausbildung im Saarland. Und wir brauchen eine konzertierte Aktion, um mehr junge Menschen für Technik zu begeistern. Beides ist dringend notwendig, um die Weichen für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung in unserem Land in die richtige Richtung zu stellen.