Industriestrom muss bezahlbar bleiben
Von Volker Giersch
Standpunkt
01.07.2010
Das Saarland ist traditionell ein Industrieland. Und es profitiert davon: Dank der vielen erfolgreichen Industriebetriebe ist die Saarwirtschaft im vergangenen Jahrzehnt überdurchschnittlich gewachsen. Und die Chancen stehen gut, dass sie ihre Wettbewerbsposition in den kommenden Jahren weiter ausbauen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass es gelingt, den Standort Saarland für produzierende Unternehmen weiterhin attraktiv zu halten.
Zu den wichtigsten Standortfaktoren für die Industrie zählt gerade hier im Land eine sichere und kostengünstige Versorgung mit Strom. Denn unsere saarländische Industrie ist in besonderem Maße stromintensiv. Struktur prägende Branchen wie die Stahlindustrie, die Gießereien, die Schmieden, der Fahrzeugbau und die Metallverarbeitung benötigen für ihre Produktionsstätten relativ viel Strom. Allein auf die Stahlindustrie entfällt ein Sechstel des gesamten saarländischen Stromverbrauchs. Ein Preisanstieg um einen Cent je Kilowattstunde führt hier zu jährlichen Mehrkosten von elf Millionen Euro. Das macht deutlich: Der Strompreis entscheidet maßgeblich mit über die Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Branchen unserer Industrie.
Strompreise höher als in konkurrierenden Ländern
Angesichts der gewaltigen Strompreisunterschiede zu anderen (Industrie-) Standorten in Europa und der übrigen Welt stellt sich da rasch die Frage: Um wie viel darf Energie an der Saar künftig teurer sein als in Frankreich, Italien oder China? Derzeit zahlen unsere Saarhütten bereits gut dreimal so viel für ihren Strom wie ihre Konkurrenten in China. Auch innerhalb Europas zählt Deutschland zu den teuersten Standorten. In unserem Nachbarland Frankreich etwa, das stark auf Atomstrom setzt, kostet Industriestrom rund ein Drittel weniger. Unter Berücksichtigung aller zu zahlenden Steuern, Abgaben und Umlagen liegen die Preise sogar nur bei etwa 50 Prozent des deutschen Niveaus.
Das offenbart dann auch den Kern des Problems: Der Hauptgrund für die relativ hohen Strompreise in Deutschland liegt in den überdurchschnittlich hohen und dynamisch steigenden staatlichen Abgaben. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich der Anteil dieser Abgaben am Strompreis fast versiebenfacht. Tendenz weiter steigend (siehe Seite 73). Zum Vergleich: In England liegt der Anteil staatlicher Abgaben bei nur rund drei Prozent.
Wenn die Abgaben, die auf den Strompreisen lasten, in den kommenden Jahren weiter so steigen wie bisher, dann droht uns ein Exodus stromintensiver Industrien. Dies ginge dann nicht zu Gunsten, sondern zu Lasten der Umwelt. Denn anderswo in der Welt liegen die Umweltstandards zumeist deutlich unter denen in Deutschland und die Emissionen entsprechend darüber. Deshalb macht es auch aus ökologischer Sicht Sinn, die energieintensiven Branchen möglichst lange noch hier im Land zu halten. Dazu bedarf es einer entsprechend ausgerichteten Energiepolitik.
Versorgungssicherheit gewährleisten
Auf Bundesebene muss es primär darum gehen, ein ausreichendes Maß an Versorgungssicherheit zu gewährleisten und den Anstieg der Strompreise in Grenzen zu halten. Aktuellen Prognosen zufolge – jenen etwa der Deutschen Energie-Agentur (dena) – ist das Risiko groß, dass sich in den nächsten Jahren eine wachsende Kluft zwischen Angebot und Nachfrage auf dem deutschen Strommarkt auftut. Unter der realistischen Annahme, dass die Gesamtnachfrage nach Strom in Deutschland bis zum Jahre 2030 konstant bleibt, werden dann Stromerzeugungskapazitäten in der Größenordnung von 15 bis 20 Prozent fehlen. Die in Planung befindlichen Kraftwerke und der geplante Ausbau der regenerativen Energien sind in der Prognose bereits berücksichtigt.
Bleibt die Möglichkeit, den fehlenden Strom zu importieren. Doch ist der Spielraum dafür eng begrenzt. Denn die grenzüberschreitenden Stromnetze sind lediglich darauf ausgelegt, vorübergehende Nachfragespitzen auszugleichen. Für den dauerhaften Import größerer Mengen an Strom müssten die Netze stark ausgebaut werden. Und das würde einerseits viel Geld und – wegen der langen planungsrechtlichen Vorlaufzeiten – andererseits auch viel Zeit kosten. Nicht zuletzt würde ein wachsender Stromimport neue Abhängigkeiten schaffen.
Preisanstieg dämpfen
Beträchtliche Risiken gibt es aber auch auf der Preisseite. Hier machen vor allem die weiter steigenden Belastungen für die Einspeisevergütung regenerativ erzeugten Stroms Sorge. Zwar ist vorgesehen, die Vergütung leicht abzusenken. Dies wirkt sich jedoch nur auf künftige Neuanlagen aus. Und deren Zahl und Leistung nimmt weiter rapide zu. Aus heutiger Sicht ist wahrscheinlich, dass sich das Volumen der Einspeisevergütungen bis 2015 nahezu verdoppeln wird. Um dem entgegenzuwirken, sollten die Vergütungen schneller als bislang geplant an die Marktpreise für Strom angepasst werden.
Preis treibend wirken auch die CO2-Zertifikate. Schon ab 2013 müssen alle Energieerzeuger die Zertifikate für den vollen Umfang ihrer CO2-Emissionen erwerben. Freimengen entfallen. Für die übrigen betroffenen Industrieanlagen werden die Freimengen bis 2020 schrittweise auf Null reduziert. Der notwendige Zukauf an Zertifikaten dürfte die Zertifikatepreise weiter nach oben treiben und die Energieerzeugung nochmals verteuern. Da ist es ein schwacher Trost, dass davon auch andere europäische Standorte betroffen sein werden.
Für die stromintensiven Unternehmen kommt als Sonderproblem hinzu, dass bisherige Ausnahmeregelungen bei der Ökosteuer schrittweise abgebaut werden sollen. In ihrem Sparpaket plant die Bundesregierung Mehreinnahmen von rund einer Milliarde Euro ein. Die Saarwirtschaft wird davon aufgrund des hohen Gewichtes stromintensiver Branchen überdurchschnittlich betroffen sein. Ein Standortnachteil von 20 bis 30 Millionen Euro jährlich könnte die Folge sein.
Gesamtkonzept nötig
In der Energiepolitik besteht also erheblicher Handlungsbedarf. Wir brauchen auf Bundesebene schnellstmöglich ein energiepolitisches Gesamtkonzept, das die drei wichtigsten Ziele Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit wieder ins Gleichgewicht bringt. Es muss zudem realistische Planungen für den Energiemix der Zukunft enthalten und schließlich das Genehmigungsrecht so anpassen, dass Vorhaben von überregionaler Bedeutung – bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen – nicht an lokalen Einsprüchen scheitern können. Rasch zu entscheiden ist insbesondere, ob und in welchem Ausmaß die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert werden. Die ökonomischen Vorteile einer Laufzeitverlängerung wären immens. Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung im Auftrag des BDI würde eine Verlängerung auf 60 Jahre die gesamte Volkswirtschaft bis 2030 um rund 260 Milliarden Euro entlasten.
Erst wenn durch diese und weitere Entscheidungen ein hinreichendes Maß an Planungs- und Investitionssicherheit hergestellt ist, werden die Energieversorger wieder bereit sein, in dem nötigen Umfang in neue große Kraftwerksprojekte zu investieren.
Weichen für die Erneuerung des Kraftwerkparks stellen
Auf Landesebene geht es primär darum, die Voraussetzungen für die Erneuerung des saarländischen Kraftwerkparks zu schaffen. Fakt ist, dass die Kohlekraftwerke in die Jahre gekommen sind. Die beiden Blöcke in Ensdorf sind inzwischen 47 und 39 Jahre am Netz, der Block Weiher III 34 Jahre. Modernisierungs- und Ersatzinvestitionen sind also gerade im Saarland dringend nötig. In welchem Umfang sie sich rechnen, hängt dabei entscheidend von den energiepolitischen Weichenstellungen auf Bundsebene ab.
Klar sein sollte in diesem Kontext, dass wir in der Stromerzeugung weiterhin ein ausreichendes grundlastfähiges Angebot hier im Land brauchen. Grundsätzlich ließe sich Strom zwar auch aus anderen Bundesländern importieren. Doch lehren uns die bisherigen Erfahrungen, dass es auch beim Strom deutliche Vorteile der Nähe gibt. Es gilt: Je näher die Stromerzeuger, desto größer die Stabilität der Spannung. Und darauf kommt es in vielen stromintensiven Industrien entscheidend an.
Die Wirtschaft erwartet deshalb, dass die Landesregierung nicht einseitig auf den vorrangigen Ausbau der erneuerbaren Energien setzt, sondern sich zugleich zu einer wettbewerbsfähigen Kohleverstromung hier im Land bekennt. Im Koalitionsvertrag von Jamaika heißt es dazu: „Wir wollen möglichst kurzfristig ein Konzept zur Gestaltung des zukunftsfähigen Kraftwerkparks unter Beteiligung aller Akteure erarbeiten.“ Und: „Dazu kann auch der Neubau moderner Kraftwerke auf fossiler Basis (max. 500 MW) mit optimalen, dem neuesten Stand der Technik entsprechenden Wirkungsgraden und größtmöglicher Wärmeauskopplung zählen.“
Die Größenbegrenzung und die „kann“-Formulierung sind nicht gerade geeignet, die Versorgungsunternehmen zu größeren Investitionen im Saarland zu ermutigen. Dies umso mehr, als die Ablehnung des Projekts in Ensdorf den Ruf des Landes als Energieland bereits nachhaltig beschädigt hat. Gefragt sind jetzt klare Signale, dass die Landespolitik bei künftigen Großprojekten alles in ihrer Kraft stehende tun wird, die nötige Akzeptanz im Land zu schaffen.
Keine Frage: Es ist nicht nur hier im Land, sondern auch bundesweit schwierig geworden, den Bau neuer Kraftwerke durchzusetzen. Die grundsätzliche Einsicht, dass neue Kohle- und Gaskraftwerke aber auch zusätzliche Solar- und Windkraftanlagen nötig sind, ist zwar vorhanden. Doch gleich welcher Standort ins Auge gefasst wird: Er wird von der betroffenen Bevölkerung als störend empfunden und zumeist über Bürgerinitiativen bekämpft. Allein in den letzten 15 Monaten wurde deutschlandweit der Bau von sieben Kohlekraftwerken verhindert. Von einstmals weit über 30 Projekten sind inzwischen nur noch 24 im Bau oder in der Planung.
Wenn unser Land Industrieland bleiben soll – und dazu gibt es keine vernünftige Alternative –, dann müssen wir möglichst rasch einen parteiübergreifenden Konsens in der Energiepolitik herbeiführen – im Bund ebenso wie auf Landesebene. Dazu gehört auch, mit vereinter Kraft für geeignete Kraftwerkstandorte und –projekte zu werben. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Ideologien, Egoismen und Technikfeindlichkeit unsere industrielle Basis gefährden.
Zu den wichtigsten Standortfaktoren für die Industrie zählt gerade hier im Land eine sichere und kostengünstige Versorgung mit Strom. Denn unsere saarländische Industrie ist in besonderem Maße stromintensiv. Struktur prägende Branchen wie die Stahlindustrie, die Gießereien, die Schmieden, der Fahrzeugbau und die Metallverarbeitung benötigen für ihre Produktionsstätten relativ viel Strom. Allein auf die Stahlindustrie entfällt ein Sechstel des gesamten saarländischen Stromverbrauchs. Ein Preisanstieg um einen Cent je Kilowattstunde führt hier zu jährlichen Mehrkosten von elf Millionen Euro. Das macht deutlich: Der Strompreis entscheidet maßgeblich mit über die Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Branchen unserer Industrie.
Strompreise höher als in konkurrierenden Ländern
Angesichts der gewaltigen Strompreisunterschiede zu anderen (Industrie-) Standorten in Europa und der übrigen Welt stellt sich da rasch die Frage: Um wie viel darf Energie an der Saar künftig teurer sein als in Frankreich, Italien oder China? Derzeit zahlen unsere Saarhütten bereits gut dreimal so viel für ihren Strom wie ihre Konkurrenten in China. Auch innerhalb Europas zählt Deutschland zu den teuersten Standorten. In unserem Nachbarland Frankreich etwa, das stark auf Atomstrom setzt, kostet Industriestrom rund ein Drittel weniger. Unter Berücksichtigung aller zu zahlenden Steuern, Abgaben und Umlagen liegen die Preise sogar nur bei etwa 50 Prozent des deutschen Niveaus.
Das offenbart dann auch den Kern des Problems: Der Hauptgrund für die relativ hohen Strompreise in Deutschland liegt in den überdurchschnittlich hohen und dynamisch steigenden staatlichen Abgaben. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich der Anteil dieser Abgaben am Strompreis fast versiebenfacht. Tendenz weiter steigend (siehe Seite 73). Zum Vergleich: In England liegt der Anteil staatlicher Abgaben bei nur rund drei Prozent.
Wenn die Abgaben, die auf den Strompreisen lasten, in den kommenden Jahren weiter so steigen wie bisher, dann droht uns ein Exodus stromintensiver Industrien. Dies ginge dann nicht zu Gunsten, sondern zu Lasten der Umwelt. Denn anderswo in der Welt liegen die Umweltstandards zumeist deutlich unter denen in Deutschland und die Emissionen entsprechend darüber. Deshalb macht es auch aus ökologischer Sicht Sinn, die energieintensiven Branchen möglichst lange noch hier im Land zu halten. Dazu bedarf es einer entsprechend ausgerichteten Energiepolitik.
Versorgungssicherheit gewährleisten
Auf Bundesebene muss es primär darum gehen, ein ausreichendes Maß an Versorgungssicherheit zu gewährleisten und den Anstieg der Strompreise in Grenzen zu halten. Aktuellen Prognosen zufolge – jenen etwa der Deutschen Energie-Agentur (dena) – ist das Risiko groß, dass sich in den nächsten Jahren eine wachsende Kluft zwischen Angebot und Nachfrage auf dem deutschen Strommarkt auftut. Unter der realistischen Annahme, dass die Gesamtnachfrage nach Strom in Deutschland bis zum Jahre 2030 konstant bleibt, werden dann Stromerzeugungskapazitäten in der Größenordnung von 15 bis 20 Prozent fehlen. Die in Planung befindlichen Kraftwerke und der geplante Ausbau der regenerativen Energien sind in der Prognose bereits berücksichtigt.
Bleibt die Möglichkeit, den fehlenden Strom zu importieren. Doch ist der Spielraum dafür eng begrenzt. Denn die grenzüberschreitenden Stromnetze sind lediglich darauf ausgelegt, vorübergehende Nachfragespitzen auszugleichen. Für den dauerhaften Import größerer Mengen an Strom müssten die Netze stark ausgebaut werden. Und das würde einerseits viel Geld und – wegen der langen planungsrechtlichen Vorlaufzeiten – andererseits auch viel Zeit kosten. Nicht zuletzt würde ein wachsender Stromimport neue Abhängigkeiten schaffen.
Preisanstieg dämpfen
Beträchtliche Risiken gibt es aber auch auf der Preisseite. Hier machen vor allem die weiter steigenden Belastungen für die Einspeisevergütung regenerativ erzeugten Stroms Sorge. Zwar ist vorgesehen, die Vergütung leicht abzusenken. Dies wirkt sich jedoch nur auf künftige Neuanlagen aus. Und deren Zahl und Leistung nimmt weiter rapide zu. Aus heutiger Sicht ist wahrscheinlich, dass sich das Volumen der Einspeisevergütungen bis 2015 nahezu verdoppeln wird. Um dem entgegenzuwirken, sollten die Vergütungen schneller als bislang geplant an die Marktpreise für Strom angepasst werden.
Preis treibend wirken auch die CO2-Zertifikate. Schon ab 2013 müssen alle Energieerzeuger die Zertifikate für den vollen Umfang ihrer CO2-Emissionen erwerben. Freimengen entfallen. Für die übrigen betroffenen Industrieanlagen werden die Freimengen bis 2020 schrittweise auf Null reduziert. Der notwendige Zukauf an Zertifikaten dürfte die Zertifikatepreise weiter nach oben treiben und die Energieerzeugung nochmals verteuern. Da ist es ein schwacher Trost, dass davon auch andere europäische Standorte betroffen sein werden.
Für die stromintensiven Unternehmen kommt als Sonderproblem hinzu, dass bisherige Ausnahmeregelungen bei der Ökosteuer schrittweise abgebaut werden sollen. In ihrem Sparpaket plant die Bundesregierung Mehreinnahmen von rund einer Milliarde Euro ein. Die Saarwirtschaft wird davon aufgrund des hohen Gewichtes stromintensiver Branchen überdurchschnittlich betroffen sein. Ein Standortnachteil von 20 bis 30 Millionen Euro jährlich könnte die Folge sein.
Gesamtkonzept nötig
In der Energiepolitik besteht also erheblicher Handlungsbedarf. Wir brauchen auf Bundesebene schnellstmöglich ein energiepolitisches Gesamtkonzept, das die drei wichtigsten Ziele Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit wieder ins Gleichgewicht bringt. Es muss zudem realistische Planungen für den Energiemix der Zukunft enthalten und schließlich das Genehmigungsrecht so anpassen, dass Vorhaben von überregionaler Bedeutung – bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen – nicht an lokalen Einsprüchen scheitern können. Rasch zu entscheiden ist insbesondere, ob und in welchem Ausmaß die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert werden. Die ökonomischen Vorteile einer Laufzeitverlängerung wären immens. Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung im Auftrag des BDI würde eine Verlängerung auf 60 Jahre die gesamte Volkswirtschaft bis 2030 um rund 260 Milliarden Euro entlasten.
Erst wenn durch diese und weitere Entscheidungen ein hinreichendes Maß an Planungs- und Investitionssicherheit hergestellt ist, werden die Energieversorger wieder bereit sein, in dem nötigen Umfang in neue große Kraftwerksprojekte zu investieren.
Weichen für die Erneuerung des Kraftwerkparks stellen
Auf Landesebene geht es primär darum, die Voraussetzungen für die Erneuerung des saarländischen Kraftwerkparks zu schaffen. Fakt ist, dass die Kohlekraftwerke in die Jahre gekommen sind. Die beiden Blöcke in Ensdorf sind inzwischen 47 und 39 Jahre am Netz, der Block Weiher III 34 Jahre. Modernisierungs- und Ersatzinvestitionen sind also gerade im Saarland dringend nötig. In welchem Umfang sie sich rechnen, hängt dabei entscheidend von den energiepolitischen Weichenstellungen auf Bundsebene ab.
Klar sein sollte in diesem Kontext, dass wir in der Stromerzeugung weiterhin ein ausreichendes grundlastfähiges Angebot hier im Land brauchen. Grundsätzlich ließe sich Strom zwar auch aus anderen Bundesländern importieren. Doch lehren uns die bisherigen Erfahrungen, dass es auch beim Strom deutliche Vorteile der Nähe gibt. Es gilt: Je näher die Stromerzeuger, desto größer die Stabilität der Spannung. Und darauf kommt es in vielen stromintensiven Industrien entscheidend an.
Die Wirtschaft erwartet deshalb, dass die Landesregierung nicht einseitig auf den vorrangigen Ausbau der erneuerbaren Energien setzt, sondern sich zugleich zu einer wettbewerbsfähigen Kohleverstromung hier im Land bekennt. Im Koalitionsvertrag von Jamaika heißt es dazu: „Wir wollen möglichst kurzfristig ein Konzept zur Gestaltung des zukunftsfähigen Kraftwerkparks unter Beteiligung aller Akteure erarbeiten.“ Und: „Dazu kann auch der Neubau moderner Kraftwerke auf fossiler Basis (max. 500 MW) mit optimalen, dem neuesten Stand der Technik entsprechenden Wirkungsgraden und größtmöglicher Wärmeauskopplung zählen.“
Die Größenbegrenzung und die „kann“-Formulierung sind nicht gerade geeignet, die Versorgungsunternehmen zu größeren Investitionen im Saarland zu ermutigen. Dies umso mehr, als die Ablehnung des Projekts in Ensdorf den Ruf des Landes als Energieland bereits nachhaltig beschädigt hat. Gefragt sind jetzt klare Signale, dass die Landespolitik bei künftigen Großprojekten alles in ihrer Kraft stehende tun wird, die nötige Akzeptanz im Land zu schaffen.
Keine Frage: Es ist nicht nur hier im Land, sondern auch bundesweit schwierig geworden, den Bau neuer Kraftwerke durchzusetzen. Die grundsätzliche Einsicht, dass neue Kohle- und Gaskraftwerke aber auch zusätzliche Solar- und Windkraftanlagen nötig sind, ist zwar vorhanden. Doch gleich welcher Standort ins Auge gefasst wird: Er wird von der betroffenen Bevölkerung als störend empfunden und zumeist über Bürgerinitiativen bekämpft. Allein in den letzten 15 Monaten wurde deutschlandweit der Bau von sieben Kohlekraftwerken verhindert. Von einstmals weit über 30 Projekten sind inzwischen nur noch 24 im Bau oder in der Planung.
Wenn unser Land Industrieland bleiben soll – und dazu gibt es keine vernünftige Alternative –, dann müssen wir möglichst rasch einen parteiübergreifenden Konsens in der Energiepolitik herbeiführen – im Bund ebenso wie auf Landesebene. Dazu gehört auch, mit vereinter Kraft für geeignete Kraftwerkstandorte und –projekte zu werben. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Ideologien, Egoismen und Technikfeindlichkeit unsere industrielle Basis gefährden.