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Klimawandel: Herausforderung und Chance für Wirtschaft und Politik

Von IHK-Präsident Dr. Richard Weber
Kolumne

01.09.2008

Das Weltklima wandelt sich. In den letzten zehn Jahren wurden jeweils Temperaturen gemessen, die rund ein halbes Grad über dem Durchschnittswert der letzten 120 Jahre liegen. Prognosen zufolge müssen wir uns auf weiter deutlich steigende Durchschnittstemperaturen einstellen. Schon heute erleben wir extremere Wetterlagen, heftigere Gewitter, längere Trockenheitsphasen und stärkere Regenfälle als noch vor wenigen Jahrzehnten. Über die genauen Ursachen ist sich die Wissenschaft bislang noch uneins. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, ob und in welchem Ausmaß all diese Erscheinungen durch den Menschen verursacht sind, oder ob sich hierin nicht doch eine weitere zyklische Schwankung des Klimas zeigt, wie sie seit Jahrmillionen gegeben hat.

Keine Frage: Der Klimawandel ist eine ernste Angelegenheit. Schon um ein paar Grad höhere Durchschnittstemperaturen auf unserem Globus können verheerende Folgen haben. Aber ist es richtig, dass die Politik – vor allem in Deutschland – auf den absehbaren Klimawandel nahezu ausschließlich mit einer rigiden Strategie der CO2-Vermeidung reagiert? Können wir den Klimawandel überhaupt aufhalten, indem wir den Zuwachs an Klimagasen begrenzen? Nicht einmal das lässt sich mit letzter Sicherheit sagen. Wir wissen lediglich, dass wir seit Beginn der Industrialisierung wesentlich mehr fossile Energie verbrauchen und dass sich die Konzentration des Kohlendioxids und anderer „Klimagase“ in der Erdatmosphäre erhöht. Es ist deshalb wichtig, dass die Klimaforschung weiter vorangetrieben wird und dabei auch kritische Stimmen aus der Wissenschaft gehört werden. Auch in der Wissenschaft wird der Wettbewerb um die richtigen Erklärungen die besseren Ergebnisse bringen.

Dies gilt erst recht für die Technik. In der Energiepolitik geben wir in Deutschland sehr viel Geld dafür aus, den Einsatz bekannter Techniken zu fördern. Wäre es nicht besser, mit diesem Geld die Forschung weiter voranzutreiben, um neue Technologien zu entwickeln oder die bekannten soweit zu verbessern, bis sie am Markt bestehen können? Und was ist schließlich, wenn wir den Klimawandel – ob anthropogen oder nicht – mit unserer Politik der CO2-Vermeidung  gar nicht aufhalten können? Jedenfalls würde es dem oft beschworenen Vorsorgeprinzip entsprechen, einen Teil unserer Ressourcen auch darin zu investieren, Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln.

Klimaschutz und Energiepolitik hängen eng zusammen. Die Energiepreissteigerungen der letzten Monate haben erneut ins Bewusstsein gerufen: Nur ein effizienterer Umgang mit Energie ist zukunftsfähig. Deutsche Unternehmen haben dazu in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Beitrag geleistet. Energieeffizienz „Made in Germany“ ist mittlerweile eine Marke, die weltweit Beachtung findet. Energiesparende Techniken werden uns neue, schnell wachsende Märkte bescheren. Daher sollten möglichst viele Unternehmen ihre technischen Lösungen etwa über die Exportinitiative Energieeffizienz bekannt machen, die vom Bundeswirtschaftsministerium, von den IHKs und den Auslandshandelskammern gemeinsam gestartet wurde. Aber auch der verstärkte Einsatz energieeffizienter Lösungen im eigenen Unternehmen bringt Wettbewerbsvorteile. IHK und ZPT beraten über den schonenden Umgang mit Energie und helfen bei der Inanspruchnahme der neuen Förderprogramme.

Ich bin zuversichtlich, dass unsere Unternehmen diese neuen Möglichkeiten nutzen und sich rasch auf ein Szenario steigender Energiepreise einstellen. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn die Politik den Energiepreisanstieg nicht noch beschleunigen würde: In kaum einem anderen Land ist der Energieverbrauch mit so hohen Abgaben belastet wie in Deutschland. Kein anderes Land leistet sich einen derartigen Investitionsstau beim Kraftwerksbau wie Deutschland. Kaum ein Industrieland verzichtet auf die friedliche Nutzung der Kernenergie. Und schließlich dürfte es auch kein Land geben, dass so viel Geld in die unwirtschaftlichste Form der CO2-Vermeidung steckt – nämlich die Fotovoltaik.

Was wir dringend brauchen, ist die Rückkehr zu einer rationalen Klima- und Energiepolitik. Einer Politik, die die Möglichkeiten aller Energieträger nutzt – von den erneuerbaren bis zur Kernenergie. Die auf Markt- und Wettbewerb setzt – auch in Wissenschaft und Forschung. Die den Konsens internationaler Verpflichtungen sucht, weil ein Land allein das Weltklima nicht retten kann.