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Landkreise beim Strukturwandel unterschiedlich erfolgreich

IHK-Analyse zur Wirtschaftsentwicklung im Saarland

11.09.2003

Das Saarland hat in den letzten Jahrzehnten einen tiefgreifenden Strukturwandel erlebt, der auch die Wirtschaftsentwicklung in den Kreisen stark geprägt hat. Klarer Gewinner ist der Landkreis St. Wendel, der die höchsten Wachstumsraten und Beschäftigtenzuwächse verbuchen konnte. Hervor-ragend behaupten konnte sich Saarlouis und der Saar-Pfalz-Kreis – beide weisen heute die höchste Dichte an industriellen Arbeitsplätzen auf. Auch Merzig-Wadern weist dank hoher Zuwächse im Dienstleistungsbereich eine positive Arbeitsplatzbilanz auf. Verlierer des Strukturwandels sind die ehe-maligen „Montankreise“: der Stadtverband Saarbrücken und der Landkreis Neunkirchen. Wie die IHK Saarland mitteilt, gingen saarlandweit allein seit 1980 mehr als 65.000 Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe (Bergbau, Industrie, Baugewerbe) verloren. Im gleichen Zeitraum seien jedoch fast ebenso viele Arbeitsplätze in den Dienstleistungsbereichen neu hinzugekommen. Heute, so die IHK, gebe es an der Saar insgesamt wieder annähernd die gleiche Zahl an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen wie vor gut 20 Jahren.

Von diesen Umbrüchen waren die einzelnen Landkreise des Saarlandes recht unterschiedlich betroffen. Arbeitsplatzgewinne konnten per Saldo vor allem die Kreise St. Wendel, Saarpfalz und Saarlouis verbuchen. Dagegen ging die Beschäftigung im Kreis Neunkirchen und im Stadtverband Saarbrücken spürbar zurück – nicht zuletzt als Folge der einschneidenden Krisen der Montanindustrie, die in diesen Kreisen besonders stark vertreten war. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch beim Wachstum. Während sich die Wirtschaftsleistung im Kreis Neunkirchen in den letzten zehn Jahren kaum noch erhöhte, konnten vor allem St. Wendel, aber auch der Saar-Pfalz-Kreis kräftig zulegen.

Schaubild: Veränderungen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2002 zu 1980 in Prozent

Dienstleistungen auf dem Vormarsch, Industrie bleibt wichtig

Die Zahl der industriellen Arbeitsplätze ging zwischen 1980 und 2002 in allen saarländischen Landkreisen mehr oder minder stark zurück. Die größten Verluste gab es dabei in den ehemaligen “Montankreisen” Neunkirchen und Saarbrücken. Allein im Stadtverband gingen in den gut zwei Jahrzehn-ten rund 37.000 Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe verloren – ein Rückgang um 46 Prozent. Zwar entstanden im gleichen Zeitraum rund 24.000 zusätzliche Stellen in Dienstleistungsunternehmen; diese konnten die gewaltige Lücke jedoch nur zu knapp zwei Dritteln schließen. Nicht ganz so dramatisch verlief die Arbeitsplatzentwicklung im Kreis Neunkirchen. Aber auch hier gibt es heute per Saldo weniger Arbeitsplätze als 1980.

Schaubild: Beschäftigtengewinne bzw. -verluste im Jahr 2002 zu 1980 in v.H.

Klarer Gewinner des Strukturwandels ist der Kreis St. Wendel; er profitierte von der Ansiedlung und Entwicklung von Unternehmen wie der Globus-Gruppe, Fresenius, Kuhn und Wagner-Tiefkühlprodukte sowie anderen dynamisch wachsenden Industrieunternehmen. Das relativ gute Abschneiden des Kreises Saarlouis und des Saarpfalz-Kreises beruht neben der Expansion der Dienstleistungsbereiche auch darauf, dass sie den Verlust an Industriearbeitsplätzen in Grenzen halten konnten. Vor allem die positive Entwicklung des Fahrzeugbaus und seiner Zulieferer gab dabei den Ausschlag. Viele der in den späten 60er und frühen 70er Jahren angesiedelten Unternehmen konnten noch einmal kräftig expandieren. Dafür stehen Namen wie Ford in Saarlouis und Bosch, Michelin, Schaeffler/INA oder Festo (Saarpfalz). Die beiden Kreise Saarlouis und Saarpfalz haben heute den höchsten Industriebesatz (Industriebeschäftigte je 1.000 Einwohner) aller saarländischen Landkreise. Merzig-Wadern konnte die höchsten relativen Zuwächse bei den Dienstleistungsarbeitsplätzen verbuchen – nicht zuletzt dank der Erfolge im Bereich des (Gesundheits-)Tourismus. Bei der Zahl der Übernachtungen je Einwohner führt der „Grüne Kreis“ mit großem Abstand die Liste der saarländischen Landkreise an.

Schaubild: Übernachtungen je Einwohner 2002

„Aufsteigerkreis“ St. Wendel

Je, dynamischer die Wirtschaft wächst, desto mehr neue Arbeitsplätze entstehen. Dies zeigt auch die Entwicklung in den saarländischen Landkreisen. Spitzenreiter in beiden Disziplinen ist der Kreis St. Wendel. Im zurück-liegenden Jahrzehnt wuchs das Bruttoinlandsprodukt hier um bemerkenswerte 50 Prozent. Dagegen gab es im Saarland insgesamt in diesem Zeitraum nur ein Wachstum von 17,5 Prozent.

Weit abgeschlagen auf dem letzten Platz beim Wirtschaftswachstum rangiert der Kreis Neunkirchen. Die Rangfolge der Wachstumsraten deckt sich – in umgekehrter Reihenfolge – fast exakt mit jener der Arbeitslosenquoten. Hauptunterschied: In puncto Arbeitslosigkeit hält der Stadtverband die „Rote Laterne“ .

Fazit der IHK: Die vor einigen Jahrzehnten noch weitgehend ländlich geprägten Kreise konnten mächtig aufholen. Ihr großes Reservoir an Arbeitskräften und Gewerbeflächen, verbunden mit einer wirtschaftsfreundlichen Politik und günstigen Förderbedingungen, machte es ihnen offenbar leichter, wachstumsträchtige Industriezweige und innovative Dienstleistungsbetriebe anzusiedeln. Die altindustriellen Verdichtungsräume hatten da fast zwangsläufig das Nachsehen.

Niedrige Steuern, hohes Wachstum

Ein Weiteres macht der Vergleich deutlich: Je günstiger die Standortbedingungen für die Wirtschaft sind, um so dynamischer ist das Wirtschaftswachstum und desto niedriger ist die Arbeitslosigkeit. Dieser Zusammenhang zeigt sich nicht nur in internationalen Vergleichen, sondern auch auf nationaler und regionaler Ebene. Es ist sicherlich kein Zufall, dass im Saarland gerade jene Kreise, die relativ niedrige Gewerbesteuerhebesätze haben, bei Wachstum und Beschäftigung besser abschneiden als die anderen. Eine Sonderrolle spielt allerdings der Stadtverband, der – wie andere Verdichtungsräume auch – weit überdurchschnittliche Soziallasten zu schultern hat und insofern auf entsprechend hohe Einnahmen angewiesen ist. „Diese Entwicklung unterstreicht die Notwendigkeit, einerseits die Kommunen durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu entlasten und andererseits die Gewerbesteuer durch eine Kommunalsteuer mit breiter Bemessungsgrundlage zu ersetzen“, so die IHK.

Schaubild: Gewogene Gewerbesteuerhebesätze in den Kreisen 2002

Weitere Informationen:
Dr. Uwe Rentmeister
Telefon (06 81) 95 20-4 30