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Lange Krankheit und Urlaub - Konsequenzen der neuen EuGH und BAG-Rechtsprechung

06.08.2009

Welche Konsequenzen ergeben sich für den Arbeitgeber aus dem neuen Urlaubsrecht?

Das Bundesarbeitsgericht ist den Vorgaben des EuGH gefolgt und hat seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Es gilt jetzt Folgendes: Ansprüche auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung verfallen nun nicht mehr, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt daran gehindert war, Urlaub in Anspruch zu nehmen. Eine zeitliche Grenze, bis zu der der rückständige Urlaub genommen werden muss bzw. nach der der Anspruch verfällt, gibt es in solchen Fällen nicht mehr. Der Arbeitnehmer hat im Rahmen des gesetzlich garantierten Mindesturlaubs von 4 Wochen einen unverfallbaren Anspruch auf Urlaub bzw. dessen Abgeltung.

Die spannende Frage, die sich nunmehr stellt, ist: Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf das deutsche Urlaubsrecht, und welche Maßnahmen kann der Arbeitgeber ergreifen?

1. Vertragsgestaltung
Bei der Gestaltung der zukünftigen Arbeitsverträge sollte die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes beachtet werden. Die Rechtsprechung zur unbegrenzten Übertragung bezieht sich allein auf den gesetzlich garantierten Mindesturlaub. Vertraglicher Mehrurlaub ist davon nicht betroffen und kann demzufolge abweichend behandelt und den bisherigen Regeln zum Anspruchsverfall unterzogen werden. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes setzt dies aber voraus, dass in dem Arbeitsvertrag eindeutige Anhaltspunkte für eine gewollte Trennung beider Urlaubsarten zu entnehmen ist.

Es sollte daher im Arbeitsvertrag klargestellt werden, dass vereinbarter Mehrurlaub in jedem Fall verfällt, auch wenn der Arbeitnehmer diesen krankheitsbedingt nicht in Anspruch nehmen konnte.

Die Formulierung im Arbeitsvertrag könnte wie folgt lauten:

"1) Ausgehend von einer 5-Tage-Woche hat der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von 20 Tagen. Über diesen Anspruch hinaus hat der Arbeitnehmer einen über gesetzlichen Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von weiteren 10 Tagen.

2) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden; andernfalls verfällt der Urlaub mit Ablauf des 31.03. des folgenden Kalenderjahres, soweit nicht durch zwingende gesetzliche Vorgaben etwas anderes bestimmt wird.

3) Kann der gesetzliche Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden, so ist er abzugelten. In Bezug auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch besteht ein Abgeltungsanspruch auch dann, wenn die Inanspruchnahme wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht zum Ende des Kalenderjahres bzw. – für den Fall der Übertragung – bis zum 31.03. des folgenden Kalenderjahres erfolgt ist. Eine Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs ist ausgeschlossen."

2. Rückstellung
Arbeitgeber können für die Fälle, in denen lang erkrankte Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheiden und Resturlaub abzugelten ist, finanzielle Rücklagen bilden.

3. Krankheitsbedingte Kündigung
Bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern sollte der Arbeitgeber unter Hinzuziehung eines im Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwaltes genauestens prüfen, ob eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen ist. Hierbei sind die Risiken einer personenbedingten Kündigung (Kündigungsschutzverfahren, Abfindung etc.) gegenüber der finanziellen Spät-folge in Form von kumulierten Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen abzuwägen.

Ob die geänderte Rechtsprechung zum Urlaubsrecht tatsächlich arbeitnehmerfreundlich ist, bleibt abzuwarten. Aufgrund der finanziellen Mehrbelastungen für den Arbeitgeber ist durchaus zu erwarten, dass Arbeitgeber zur Vermeidung finanzieller Belastungen durch Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche die Arbeitsverhältnisse mit Langzeiterkrankten schnellstmöglich kündigen.

Wir danken dem Autor, Herrn Christian Bernhard, IHK Lahn-Dill