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Manager ohne Moral ?

Von IHK-Präsident Dr. Richard Weber
Kolumne

01.03.2008

Sind unsere Eliten korrupt, kriminell, die „Neuen Asozialen“? Wer in den letzten Wochen die Schlagzeilen verfolgt und die Kommentare unserer Spitzenpolitiker vernommen hat, kann kaum noch zu einem anderen Schluss kommen. Entrüstung scheint in diesen Wochen erste Bürgerpflicht.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wer gegen geltende Gesetze verstößt, gehört bestraft. Wer unmoralisch handelt, wen das Schicksal anderer Menschen gleichgültig lässt, verdient nicht unsere Solidarität. Entschieden wehren sollten wir uns freilich, wenn Unternehmer und Manager pauschal an den Pranger gestellt werden. Unternehmer und Führungskräfte sind gewiss nicht per se die besseren Menschen. Aber auch nicht die schlechteren. Das gleiche gilt für Politiker, Gewerkschaftsführer oder Hartz IV-Empfänger. Die derzeitige Debatte ist also scheinheilig. Sie ist zudem schädlich. Und sie verschleiert die tieferen Ursachen.

Sie ist scheinheilig: Die Flucht vor dem Fiskus ist in Deutschland „Volkssport“ – und keineswegs auf Großverdiener begrenzt. Schwarzarbeit gilt weithin als Kavaliersdelikt. Wer keine Steuern bezahlt, versucht sich mit Betrügereien bei den Sozialtransfers schadlos zu halten.  Trotzdem empfinden sehr viele unser Steuer- und Umverteilungssystem als ungerecht – wegen seiner Undurchschaubarkeit. Vielleicht stimmt es sogar, dass „Reiche“ davon mehr profitieren als Durchschnittsbürger. Aber warum haben dann unsere Politiker die Vorschläge von Kirchhoff, Merz & Co so vehement bekämpft oder so schnell wieder in der Versenkung verschwinden lassen?

Sie ist schädlich: Spitzenkräfte – Forscher, Führungskräfte – sind weltweit knapp. Sie werden überall gebraucht oder gesucht, ihnen werden Spitzeneinkommen geboten. Schon heute wandern mehr Spitzenkräfte aus Deutschland ab, als von anderswo zu uns hereinkommen Was würden staatlich limitierte Höchsteinkommen und „Reichensteuern“ wohl bewirken? Wollen wir noch mehr unserer besten Köpfe verlieren? Unternehmer und unternehmerisch denkende Menschen sind die Grundlagen von Wohlstand und Wachstum. Und deutsche Unternehmer und Manager sind sogar besonders erfolgreich: Sie haben die richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung gefunden, ihre Unternehmen produktiver gemacht, Innovationen durchgesetzt und neue Arbeitsplätze geschaffen – auch im Inland.

Am gefährlichsten an der derzeit so populären Managerschelte ist vielleicht, dass sie ungute Gefühle und Emotionen schürt und gleichzeitig von den eigentlichen Ursachen ablenkt. Es gibt ein verbreitetes Unbehagen, es gehe nicht gerecht zu in dieser Republik. Und dahinter stehen durchaus reale Ursachen – unveränderbare,  aber auch solche, die wir verändern können. Dass die Einkommensunterschiede weltweit steigen, dass die Geringqualifizierten zu den Verlierern der Globalisierung gehören, werden wir nicht verhindern können. Was wir aber verändern können – und dringend sollten – ist die Undurchschaubarkeit unseres Umverteilungssystems, die mangelnde Durchlässigkeit unseres Bildungssystems und die Ungleichheit der Startchancen, die es noch immer produziert.

Wenn wir nicht als Nation absteigen wollen, müssen wir für Spitzenleistungen auch Spitzeneinkommen zulassen. Wenn wir dafür Akzeptanz finden wollen, müssen wir allen gleiche Chancen bieten, selbst zur Spitze aufzusteigen – durch beste Bildung für alle. Schließlich brauchen wir ein transparentes Umverteilungssystem, das wenig Schlupflöcher lässt. Wir brauchen eine Art „New Deal“ für unsere Gesellschaft – mutige Politik statt wohlfeiler Appelle.