Marktversagen durch Staatsversagen
Von Volker Giersch
Standpunkt
01.01.2009
Die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Koordinaten der ordnungspolitischen Diskussion grundlegend verschoben. Was wir derzeit erleben, markiert ein erstaunliches Comeback des Staates und staatswirtschaftlicher Doktrinen. Marktwirtschaftliche Positionen geraten zunehmend in die Defensive. Die Akzeptanz unserer Wirtschaftsordnung – der sozialen Marktwirtschaft – hat im Zuge der Finanzkrise einen neuen traurigen Tiefpunkt erreicht.
Dieser nachhaltige Vertrauensverlust birgt erhebliche Gefahren. Nicht zuletzt die, dass die Politik diesem Meinungswandel folgt und die Weichen nachhaltig in Richtung mehr Regulierung und Staat stellt. Die Neigung dazu wächst, obwohl alle Erfahrung lehrt, dass ein wachsender Staatsanteil und mehr Staatsinterventionismus unweigerlich Einbußen bei Wachstumsdynamik, Wohlstand und Beschäftigung mit sich bringen.
Keine Frage: Die Finanzkrise hat nochmals in aller Klarheit offen gelegt, dass die Marktteilnehmer alle Spielräume nutzen, die der vorgegebene Ordnungsrahmen ihnen lässt – im Guten wie im Schlechten. Märkte haben keine Moral und kein Gewissen – weder ein soziales, noch ein ökologisches. Sie streben nach Effizienz, Wachstum und Rendite. Und sie leben davon, dass der unternehmende Mensch so ist wie er ist: neugierig, wagemutig, experimentierfreudig und nicht zuletzt auch eigennützig. Das Bestechende an einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist ja gerade, dass sie das Erfolgsstreben der Einzelnen in Wohlstand für die gesamte Gesellschaft transformiert.
Auf die Spielregeln kommt es an
Dieser Mechanismus funktioniert freilich nur, wenn ein starker Staat klare Spielregeln definiert und auch deren Einhaltung strikt überwacht. Je funktionsgerechter die Spielregeln, desto besser das Marktergebnis. Und natürlich auch umgekehrt. Ein Markt für „private“ Güter versagt in aller Regel nur, wenn zuvor der Staat als Regelgeber versagt hat.
Genau dies war auf dem amerikanischen Immobilien- und Finanzmarkt der Fall:
Hier in Deutschland gab es weder eine Immobilienblase, noch einen Kreditboom. Aber auch deutsche Banken haben in amerikanische Subprimeprodukte investiert und die Finanzkrise so importiert. Man mag ihnen vorwerfen, dass sie sich am weltweiten Wettlauf um höhere Renditen beteiligt und in Produkte investiert haben, deren Risikogehalt sie nicht einschätzen konnten. Bemerkenswert ist aber, dass die staatsnahen Landesbanken dieser Versuchung offensichtlich stärker erlegen sind als die privaten Geschäftsbanken. Gerade diese öffentlichen Institute waren es auch, die mit riesigen Hebeln über ausländische Tochtergesellschaften zum Teil exzessiv spekuliert haben. Das zeigt einmal mehr: Der Staat ist weder der bessere noch der umsichtigere (Finanz-)Unternehmer.
Ordnungspolitisch Kurs halten!
Vor diesem Hintergrund gibt es keinerlei Anlass, den bisher so erfolgreichen marktwirtschaftlichen Kurs zugunsten staatlicher Intervention und Regulierung zu verlassen. Im Gegenteil: Alle ökonomische Vernunft legt es nahe, auch in Zukunft auf die Vorteile von Markt und Wettbewerb zu setzen.
Schließlich – und dies wird immer wieder vergessen – haben wir unserer marktwirtschaftlichen Ordnung ein hohes Maß an Wohlstand und an weltweiter Reputation zu verdanken. Deutschland ist nach wie vor Exportweltmeister, weil scharfer Wettbewerb und offene Märkte zu hoher Innovationsdynamik treiben. Unser Land profitiert bis heute davon, dass wir ehemals staatlich regulierte Bereiche wie die Telekommunikation marktwirtschaftlich organisiert haben. Und auf dem Arbeitsmarkt haben wir gerade erst erlebt, wie viel zusätzliche Beschäftigung sich durch ein Stück Deregulierung erreichen lässt.
Vom aktuellen Nachfrageeinbruch abgesehen, liegen unsere größten Sorgen nicht in den marktwirtschaftlich organisierten Bereichen unserer Wirtschaft, sondern dort, wo der Staat Regie führt – im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich oder auch in der Verkehrsinfrastruktur. Hüten wir uns also davor, einem Unheil, das im Kern (US-)staatlich verursacht ist, ein zweites hinzuzufügen – dadurch, dass wir die Wachstumskräfte durch mehr staatliche Regulierung jetzt nachhaltig schwächen.
Keine Frage: Im Bereich der Finanzwirtschaft bestand und besteht Handlungsbedarf. Zunächst galt es, die Funktionsfähigkeit der Geld- und Kreditmärkte möglichst rasch wieder herzustellen. Hier haben die nationalen Regierungen und die Notenbanken bisher das Richtige getan: Die staatlichen Rettungsschirme bieten weltweit wirksamen Schutz für angeschlagene Banken. Die Notenbanken sorgen für niedrige Zinsen und hohe Liquidität, wobei insbesondere in Europa noch weitere Zinssenkungen folgen müssen.
Zugleich ist über eine Neujustierung des Ordnungsrahmens sicherzustellen, dass sich eine Finanzkrise dieser oder ähnlicher Art nicht wiederholen kann. Nötig dazu sind Regeln, die mehr Transparenz schaffen, Aufsichtsbehörden, die die Finanzmärkte wirksam kontrollieren und Rating-Agenturen, die Risiken mit der nötigen Kompetenz und mit der gebotenen Unabhängigkeit bewerten.
In der aktuellen Krise ist es ferner geboten, konjunkturpolitisch gegenzusteuern. Dies aber nicht mit kurzatmigen Maßnahmen, die nur ein Strohfeuer entfachen, sondern mit Programmen, die die Wachstumskräfte nachhaltig stärken. Kernelemente sollten die Senkung der direkten Steuern und vorgezogene Investitionen sein, die die Produktivität unserer Volkswirtschaft nachhaltig verbessern.
Darüber hinaus aber brauchen wir vor allem eines: einen Staat, der kraftvoll das tut, was seine eigentliche Aufgabe ist: Grund-, Freiheits-, Eigentums- und Verhaltensrechte zu gewährleisten, für einen funktionsfähigen Wettbewerb zu sorgen und Güter dort anzubieten, wo der Markt dies nicht kann.
Die vergangenen Jahrzehnte haben uns eindrucksvoll gelehrt, dass jene Länder im globalen Wettbewerb die Nase vorne haben, die auf einen starken aber schlanken Staat setzen und ansonsten viel Freiraum für Markt und Wettbewerb gewähren. Der nächste Aufschwung kommt bestimmt. Vielleicht schneller als wir denken. Spätestens dann wird sich ein klarer ordnungspolitischer Kurs auszahlen – über eine hohe Wachstumsdynamik und viele neue Arbeitsplätze.
Dieser nachhaltige Vertrauensverlust birgt erhebliche Gefahren. Nicht zuletzt die, dass die Politik diesem Meinungswandel folgt und die Weichen nachhaltig in Richtung mehr Regulierung und Staat stellt. Die Neigung dazu wächst, obwohl alle Erfahrung lehrt, dass ein wachsender Staatsanteil und mehr Staatsinterventionismus unweigerlich Einbußen bei Wachstumsdynamik, Wohlstand und Beschäftigung mit sich bringen.
Keine Frage: Die Finanzkrise hat nochmals in aller Klarheit offen gelegt, dass die Marktteilnehmer alle Spielräume nutzen, die der vorgegebene Ordnungsrahmen ihnen lässt – im Guten wie im Schlechten. Märkte haben keine Moral und kein Gewissen – weder ein soziales, noch ein ökologisches. Sie streben nach Effizienz, Wachstum und Rendite. Und sie leben davon, dass der unternehmende Mensch so ist wie er ist: neugierig, wagemutig, experimentierfreudig und nicht zuletzt auch eigennützig. Das Bestechende an einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist ja gerade, dass sie das Erfolgsstreben der Einzelnen in Wohlstand für die gesamte Gesellschaft transformiert.
Auf die Spielregeln kommt es an
Dieser Mechanismus funktioniert freilich nur, wenn ein starker Staat klare Spielregeln definiert und auch deren Einhaltung strikt überwacht. Je funktionsgerechter die Spielregeln, desto besser das Marktergebnis. Und natürlich auch umgekehrt. Ein Markt für „private“ Güter versagt in aller Regel nur, wenn zuvor der Staat als Regelgeber versagt hat.
Genau dies war auf dem amerikanischen Immobilien- und Finanzmarkt der Fall:
- Die US-Regierung hat ihren Bürgern – aus guter sozialer Absicht – suggeriert, der Traum vom Eigenheim lasse sich ohne Eigenkapital und ohne ausreichendes Einkommen realisieren. Und sie hat dazu auch die Voraussetzungen geschaffen. Zum einen, indem sie die öffentlich abgesicherten Hypothekenbanken Freddie Mac und Fannie Mae ermuntert hat, immer mehr spärlich besicherte Hypotheken für die Ärmeren zu garantieren. Zum anderen, indem sie gesetzlich geregelt hat, dass die Häuslebauer für ihre Immobilienkredite nicht mit ihrem Gesamtvermögen haften, sondern nur mit ihrem Häuschen. Das hat nicht Umsicht, sondern Leichtsinn gefördert. Die Wohnungseigentumsquote stieg rasant an, zuletzt auf einen Rekordstand von 70 Prozent.
- Die amerikanische Notenbank hat mit ihrer ausgeprägten Niedrigzinspolitik für eine Liquiditätsschwemme gesorgt, die Erwartung langfristig niedriger Zinsen genährt und damit die Luft für die stetig wachsende Immobilienblase geliefert.
- Die Rating-Agenturen, die nicht selten im Interessenkonflikt standen, haben risikoreiche, intransparente Finanzprodukte über allzu positive Ratings marktgängig gemacht. Viele Investoren wurden so in die Irre geführt.
- Staat und Finanzaufsicht haben jahrelang zugesehen, wie die künstlich geschürte Nachfrage die Häuserpreise in Schwindel erregende Höhen steigen ließ, obwohl sie hätten ahnen können, dass der Preisanstieg eines Tages ein abruptes Ende finden und das fragile Kartenhaus der Immobilienfinanzierung dann zusammenstürzen würde.
- Auf internationaler Ebene traten viele Länder in einen „Laschheitswettbewerb an staatlicher Finanzmarktregulierung“ ein, weil sie am Boom des Investmentbanking partizipieren wollten. Das förderte die Ausbreitung der Krise in alle Welt hinein.
Hier in Deutschland gab es weder eine Immobilienblase, noch einen Kreditboom. Aber auch deutsche Banken haben in amerikanische Subprimeprodukte investiert und die Finanzkrise so importiert. Man mag ihnen vorwerfen, dass sie sich am weltweiten Wettlauf um höhere Renditen beteiligt und in Produkte investiert haben, deren Risikogehalt sie nicht einschätzen konnten. Bemerkenswert ist aber, dass die staatsnahen Landesbanken dieser Versuchung offensichtlich stärker erlegen sind als die privaten Geschäftsbanken. Gerade diese öffentlichen Institute waren es auch, die mit riesigen Hebeln über ausländische Tochtergesellschaften zum Teil exzessiv spekuliert haben. Das zeigt einmal mehr: Der Staat ist weder der bessere noch der umsichtigere (Finanz-)Unternehmer.
Ordnungspolitisch Kurs halten!
Vor diesem Hintergrund gibt es keinerlei Anlass, den bisher so erfolgreichen marktwirtschaftlichen Kurs zugunsten staatlicher Intervention und Regulierung zu verlassen. Im Gegenteil: Alle ökonomische Vernunft legt es nahe, auch in Zukunft auf die Vorteile von Markt und Wettbewerb zu setzen.
Schließlich – und dies wird immer wieder vergessen – haben wir unserer marktwirtschaftlichen Ordnung ein hohes Maß an Wohlstand und an weltweiter Reputation zu verdanken. Deutschland ist nach wie vor Exportweltmeister, weil scharfer Wettbewerb und offene Märkte zu hoher Innovationsdynamik treiben. Unser Land profitiert bis heute davon, dass wir ehemals staatlich regulierte Bereiche wie die Telekommunikation marktwirtschaftlich organisiert haben. Und auf dem Arbeitsmarkt haben wir gerade erst erlebt, wie viel zusätzliche Beschäftigung sich durch ein Stück Deregulierung erreichen lässt.
Vom aktuellen Nachfrageeinbruch abgesehen, liegen unsere größten Sorgen nicht in den marktwirtschaftlich organisierten Bereichen unserer Wirtschaft, sondern dort, wo der Staat Regie führt – im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich oder auch in der Verkehrsinfrastruktur. Hüten wir uns also davor, einem Unheil, das im Kern (US-)staatlich verursacht ist, ein zweites hinzuzufügen – dadurch, dass wir die Wachstumskräfte durch mehr staatliche Regulierung jetzt nachhaltig schwächen.
Keine Frage: Im Bereich der Finanzwirtschaft bestand und besteht Handlungsbedarf. Zunächst galt es, die Funktionsfähigkeit der Geld- und Kreditmärkte möglichst rasch wieder herzustellen. Hier haben die nationalen Regierungen und die Notenbanken bisher das Richtige getan: Die staatlichen Rettungsschirme bieten weltweit wirksamen Schutz für angeschlagene Banken. Die Notenbanken sorgen für niedrige Zinsen und hohe Liquidität, wobei insbesondere in Europa noch weitere Zinssenkungen folgen müssen.
Zugleich ist über eine Neujustierung des Ordnungsrahmens sicherzustellen, dass sich eine Finanzkrise dieser oder ähnlicher Art nicht wiederholen kann. Nötig dazu sind Regeln, die mehr Transparenz schaffen, Aufsichtsbehörden, die die Finanzmärkte wirksam kontrollieren und Rating-Agenturen, die Risiken mit der nötigen Kompetenz und mit der gebotenen Unabhängigkeit bewerten.
In der aktuellen Krise ist es ferner geboten, konjunkturpolitisch gegenzusteuern. Dies aber nicht mit kurzatmigen Maßnahmen, die nur ein Strohfeuer entfachen, sondern mit Programmen, die die Wachstumskräfte nachhaltig stärken. Kernelemente sollten die Senkung der direkten Steuern und vorgezogene Investitionen sein, die die Produktivität unserer Volkswirtschaft nachhaltig verbessern.
Darüber hinaus aber brauchen wir vor allem eines: einen Staat, der kraftvoll das tut, was seine eigentliche Aufgabe ist: Grund-, Freiheits-, Eigentums- und Verhaltensrechte zu gewährleisten, für einen funktionsfähigen Wettbewerb zu sorgen und Güter dort anzubieten, wo der Markt dies nicht kann.
Die vergangenen Jahrzehnte haben uns eindrucksvoll gelehrt, dass jene Länder im globalen Wettbewerb die Nase vorne haben, die auf einen starken aber schlanken Staat setzen und ansonsten viel Freiraum für Markt und Wettbewerb gewähren. Der nächste Aufschwung kommt bestimmt. Vielleicht schneller als wir denken. Spätestens dann wird sich ein klarer ordnungspolitischer Kurs auszahlen – über eine hohe Wachstumsdynamik und viele neue Arbeitsplätze.