Mehr Ingenieure für unser Land
Von Volker Giersch
Kommentar
01.10.2001
Die Wirtschaft hat sich diese Entwicklung zum Teil selbst zuzuschreiben. Massive Umstrukturierungen in den Unternehmen – auch infolge der Kostenprobleme am Standort Deutschland – führten dazu, dass Forschung und Entwicklung ausgedünnt und Ingenieuraufgaben von vielen Schultern auf wenige konzentriert wurden. Ältere Ingenieure wurden frühzeitig in den Ruhestand geschickt. Frisch ausgebildete Ingenieure marschierten nicht selten vom Hörsaal aus direkt zum Arbeitsamt. Die Folge: Im Verlauf der 90er Jahre haben immer weniger junge Menschen ein Ingenieurstudium begonnen. Die Zahl der Absolventen in Maschinenbau und Elektrotechnik hat sich seit 1997 fast halbiert.
Inzwischen haben sich die Berufsaussichten für Ingenieure deutlich und nachhaltig verbessert. Das hat sich herumgesprochen. Die Zahl der Studienanfänger stieg zuletzt wieder spürbar an. Gemessen am Bedarf ist sie aber nach wie vor zu niedrig. Deshalb gilt es, den beginnenden Aufwärtstrend durch gezielte Initiativen weiter zu verstärken.
Notwendig dazu ist mindestens zweierlei: Zum einen müssen wir jungen Menschen die Chancen und Vorzüge, die eine Ingenieurausbildung mit sich bringt, anschaulich vor Augen führen. Überzeugende Argumente gibt es genug: Das Studium ist interessant, der Beruf vielseitig. Die Anfangsgehälter sind hoch, die Aufstiegschancen gut. Was jetzt Not tut ist eine gemeinsame Kampagne von Wirtschaft, Politik, Hochschulen und Medien, die diese Botschaften glaubwürdig vermittelt. Eine solche Kampagne muss und wird kommen.
Zum anderen gilt es, die Ausbildungsgänge effizienter zu gestalten und die Palette der Studiengänge zu erweitern. Woran es derzeit noch mangelt sind insbesondere Angebote mit kurzer Studiendauer und starkem Praxisbezug, Angebote, die Wissen und Können effizienter vermitteln. Umso erfreulicher ist, dass es im Saarland demnächst neue Studiengänge geben wird, die genau diesen Anforderungen entsprechen.
Neuer ASW-Studiengang Maschinenbau
Der neue Studiengang Maschinenbau an der Akademie der Saarwirtschaft (ASW) setzt auf Praxisbezug und straffe Lernorganisation. Neben Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik/E-Business wird die ASW damit ab Oktober nächsten Jahres auch einen technisch orientierten Diplom-Studiengang anbieten können. Vorbild der ASW, die im Jahre 1991 mit tatkräftiger Unterstützung der IHK ins Leben gerufen wurde, waren die Berufsakademien in Baden-Württemberg. Entscheidender Vorzug ist die Ausbildung im dualen System. Der ASW-Student lernt drei Jahre lang jeweils zur Hälfte in „seinem“ Ausbildungsbetrieb und in den Hörsälen der ASW. Die Unternehmen wählen die Studenten aus und schließen mit ihnen Ausbildungsverträge ab. Sie finanzieren nicht nur die Ausbildung im eigenen Betrieb, sondern auch die Kosten der Akademie und sie zahlen ihren Studenten überdies eine Ausbildungsvergütung. Was sich die Wirtschaft so viel kosten lässt, hat auch einen entsprechenden Wert. In der Tat sind ASW-Absolventen in der Wirtschaft stark gefragt. Mit dem Diplom haben die meisten auch ihren Arbeitsvertrag „in der Tasche“.
Die Einrichtung des neuen Studiengangs Maschinenbau war keine leichte Geburt. Am Beginn standen gleich mehrere konkurrierende Konzepte und durchaus unterschiedliche Vorstellungen – auch innerhalb der Wirtschaft. Sie zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammenzuführen und eine Anschubfinanzierung von 1,2 Millionen DM (davon insgesamt 800.000 DM vom Land) sicherzustellen erforderte viel Engagement und Geschick. Dass es gelang, ist in erster Linie dem Präsidenten des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes, Dr. Walter Koch, - zugleich Präsident der VSU und Vizepräsident der IHK – zu verdanken.
Interesse an dem neuen Studiengang besteht vor allem bei Firmen des Fahrzeugbaus. Sie wollen zusammen in jedem Jahr gut 30 Studienplätze belegen. Dementsprechend dürfte die Zahl der Studenten an der ASW von 280 heute auf rund 370 in 2005 ansteigen.
Bachelor-Studiengänge an der HTW
Neue attraktive Angebote gibt es auch an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Ab dem diesjährigen Wintersemester können junge Menschen dort ein Studium der Kommunikationsinformatik aufnehmen. Das Neue: Es wird der erste HTW-Studiengang sein, der mit dem akademischen Grad Bachelor abschließt und zudem in kooperativer Form mit Unternehmen durchgeführt werden kann. Letzteres heißt, dass sich interessierte Betriebe – ebenso wie bei der ASW – Studenten aussuchen und diese per Ausbildungsvertrag an sich binden können. Das Curriculum lässt breiten Spielraum für qualifiziertes Lernen im betrieblichen Umfeld. Im Durchschnitt der drei Studiengänge soll dafür etwa die Hälfte der Zeit zur Verfügung stehen.
Ab dem kommenden Jahr sollen weitere Studiengänge dieser Art folgen – unter anderem in Produktionsmanagement und Mechatronik. So viel Beweglichkeit und Mut zu Neuem verdient das Lob der Wirtschaft. Dies umso mehr, als die HTW für ihre neuen Angebote wohl nicht mit zusätzlichen Landesmitteln rechnen kann .
Die neuen Studiengänge von ASW und HTW haben gute Chancen, sich auch in Zeiten rückläufiger Schulentlasszahlen erfolgreich am Markt zu behaupten. Zwar wird bisweilen die Sorge laut, dass sich die Ingenieurstudiengänge gegenseitig Konkurrenz machen. Doch wird dies umso weniger der Fall sein, je besser es im Zuge der avisierten Marketingkampagne gelingt, zusätzliche Jugendliche für den Beruf Ingenieur zu begeistern. Dafür müssen sich alle Verantwortlichen in nächster Zeit mit voller Kraft engagieren. Unsere IHK wird als Initiator und Gestalter mit dabei sein.