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Mehr für die Menschen machen!

Von IHK-Präsident Dr. Richard Weber
Kolumne

01.07.2010

Der effiziente Umgang mit knappen und teuren Ressourcen hat gerade wieder Hochkonjunktur: Seminare, Lehrgänge und Förderprogramme zu Themen wie Material- und Energieeffizienz stehen derzeit besonders hoch im Kurs. Gut so! Denn schließlich lässt sich bei genauem Hinsehen immer noch Verbesserungspotenzial entdecken. Und Effizienz lohnt sich. Denn kaum jemand zweifelt daran, dass die Rohstoff- und Energiepreise weiter kräftig steigen werden.

Gewiss lohnt es sich auch, in diesem Zusammenhang einmal eine ganz andere Frage zu stellen: Wie gehen wir eigentlich mit unserem wertvollsten Rohstoff um? Mit einem „Rohstoff“, der zunehmend knapper wird – in Deutschland, Westeuropa und ganz besonders im Saarland. Handeln wir immer klug, sorgsam und verantwortungsvoll beim Umgang mit der „Ressource“ Mensch? Viele Unternehmen leisten sich längst eigene Abteilungen mit der Bezeichnung „Human Resources“. Das mag nicht in jedermanns Ohren besonders human klingen, ist es aber gleichwohl. Denn dort widmet man sich nicht nur der Anwerbung, Auswahl, Einstellung und Verwaltung von Mitarbeitern. Auch Ausbildung, Weiterbildung, der richtige Einsatz im Unternehmen, die Planung von Aufstiegschancen und die leistungsgerechte und gesundheitsfördernde Ausgestaltung von Arbeitsplätzen gehören zu den Aufgaben. Das Potenzial der Mitarbeiter voll auszuschöpfen – das nutzt nicht nur dem Unternehmen, es bringt auch die Menschen voran.

Vorausschauende Unternehmen haben längst auch Lösungen entwickelt zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder zur besseren (und daher auch produktiveren) Integration von älteren Arbeitnehmern. Die IHK unterstützt diesen Bewusstseinswandel durch Information, Beratung und die Verbreitung von vorbildlichen Beispielen – etwa durch den Wettbewerb „Unternehmen Familie“ und ihre Beteiligung an der Servicestelle „Arbeiten und Leben“, die Unternehmen dabei unterstützt, familienfreundlicher zu werden. Oder durch Aktionen wie „55plus“. Auch beim neuesten Gemeinschaftsprojekt „AnschlussDirekt“ ist die IHK dabei. Ziel dieses Projekts ist es, ausbildungsreife Hauptschüler möglichst unmittelbar in die passenden Ausbildungsberufe zu vermitteln und unproduktive Warteschleifen oder eine falsche Berufswahl zu vermeiden.

Mehr aus den und für die Menschen machen – diese Devise muss aber nicht nur für unser Beschäftigungssystem gelten. Sondern mehr noch für unser Bildungs- und Ausbildungssystem. Wir müssen junge Menschen mehr und früher als bisher „mitnehmen“, um ihnen einen erfolgreichen Start ins Berufsleben zu ermöglichen. Dazu gehört nicht nur eine effizientere und nachhaltigere Wissensvermittlung. Dazu gehört es auch, diese Menschen als Personen ernst zu nehmen, sie zu begeistern, zu fördern und zu fordern. Noch immer verlässt fast jeder zwölfte Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Wir sind zwar deutlich besser geworden in den letzten Jahren – aber noch lange nicht gut genug. Und bei den regelmäßigen „PISA-Tests“ belegt das Saarland eher selten Spitzenplätze. Wir wissen, dass ein früherer Lernbeginn und mehr individuelle Förderung Defizite von Herkunft und sozialem Umfeld verringern können. Wir wissen, dass Ganztagsschulen das Lernergebnis verbessern können. Fragt man Bildungsexperten nach Ansatzpunkten für eine bessere Ausgestaltung unseres Bildungssystems, dann hört man meist die gleichen Antworten und Empfehlungen. Zu diesen Empfehlungen gehört auch eine bessere Ausbildung für die Betreuer und Erzieher in Vorschulen und Kindergärten und für unsere Grundschullehrer. Experimente mit Schulformen stehen dagegen selten auf der Empfehlungsliste. Auch kleinere Klassen führen nicht automatisch zu größerem Lernerfolg – obwohl sie zu den teuersten Maßnahmen gehören.

Im Saarland wird die Zahl der jungen Menschen in den nächsten Jahren kontinuierlich zurückgehen – jedes Jahr scheiden mehr Menschen aus dem Erwerbsleben aus als neue hinzukommen. Wenn wir unseren Wohlstand halten wollten, müssen wir aus unserem Nachwuchs das Beste machen. Wir müssen die Aktiven möglichst lange fit halten, die Erwerbsbeteiligung weiter erhöhen und die Abwanderung stoppen. Ich wünsche mir daher einen Pakt für Qualifizierung und Fachkräftesicherung, bei dem Unternehmen, Arbeitnehmer und Landesregierung gemeinsam an einem Ziel arbeiten: Möglichst viele Menschen zu ermuntern und zu befähigen, das Beste aus sich zu machen.