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Mehr in die Verkehrswege investieren!
Standpunkt
von Volker Giersch
01.04.2013
Deutschlands Verkehrswege verkommen. Tausende Kilometer Straßen sowie zahlreiche Bahnstrecken und Wasserwege sind sanierungsbedürftig. Viele Brücken sind alt und marode. Es gibt Lücken im Gleisnetz. Die Schleusen sind zu klein. Zahl, Länge und Dauer der Staus auf unseren Straßen wachsen von Jahr zu Jahr. All das sind Symptome, die sich ein reiches, hoch entwickeltes Industrieland eigentlich nicht leisten sollte.
Die Probleme waren absehbar. Und sie sind hausgemacht: Schon seit Jahren stellt der Bund für den Erhalt seiner Verkehrswege zu wenig Geld zur Verfügung; der Verkehrsetat ist – trotz Maut, Mineralölsteuer und anderen Verkehrsabgaben – chronisch unterfinanziert. Mit Ausnahme der Jahre 2009 und 2010 standen in den vergangenen Jahrzehnten weniger als zehn Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung. Dieser Betrag, so heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Wirtschaftsorganisationen, liegt drastisch unter dem tatsächlichen Bedarf. Zwischen 1980 und 2008 habe die deutsche Verkehrsinfrastruktur schon ein Achtel ihres Wertes verloren.
Eine Wende zum Besseren ist nicht in Sicht: Auch für die kommenden Jahre stagniert der Etat für Straßen, Schienenwege und Wasserstraßen bei völlig unzureichenden zehn Milliarden Euro. Der Bedarf liegt demgegenüber bei 14 Milliarden Euro, also fast dem anderthalbfachen. Die weitere Entwertung unserer Verkehrsinfrastruktur ist damit programmiert.
Schleichender Substanzverzehr
Zum gleichen Ergebnis kommt eine von den Länder-Verkehrsministern eingesetzte Kommission. Nach ihrer Schätzung fehlen Bund und Ländern für die Instandhaltung der Verkehrswege zusammengenommen jährlich 7,2 Milliarden Euro. Zwar verfüge Deutschland im internationalen Vergleich noch über eine relativ gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Allerdings zeichne sich „klar das Bild eines schleichenden und sich bereits beschleunigenden Substanzverzehrs ab.“ Eine solche Diagnose wiegt umso schwerer, als das Verkehrsaufkommen in unserer Gesellschaft weiter zunimmt – in den nächsten zwölf Jahren nach Prognosen der Bundesregierung beim Güterverkehr um über 70 Prozent und beim Personenverkehr um fast 20 Prozent.
Gehen wir sehenden Auges einem Verkehrsinfarkt entgegen? Unstrittig ist, dass sich die chronische Unterfinanzierung und damit der schleichende Verfall unserer Verkehrswege dämpfend auf Wachstum und Wohlstand auswirken. Unsere Verkehrswege sind die Lebensadern der Wirtschaft. Werden sie undurchlässig oder brüchig, dann geht das zwangsläufig zu Lasten der Produktivität, der Wachstumsdynamik und letztlich auch der Steuerkraft. Eine Aufstockung des Verkehrsbudgets ist deshalb dringend geboten und würde sich mittel- bis langfristig selbst finanzieren: Grund genug für die IHK-Organisation, das Thema Infrastruktur zu ihrem Jahresthema 2013 zu wählen.
Großer Handlungsbedarf
Folgende Fakten machen anschaulich, wie groß der Handlungsbedarf ist:
Sorge macht zudem, dass Deutschland im internationalen Vergleich mehr und mehr zurückfällt. Wir investieren nicht nur absolut, sondern auch relativ viel zu wenig in unsere Verkehrswege. Nach Berechnungen der Initiative „Pro Mobilität“ gilt das insbesondere für den Erhalt und Ausbau des Straßennetzes. Hier rangiert Deutschland mit jährlichen Investitionen von rund 130 Euro je Einwohner an vorletzter Stelle von elf betrachteten Staaten. Nur Großbritannien gibt noch weniger aus. Der durchschnittliche Investitionsbetrag in Westeuropa liegt bei über 200 Euro je Einwohner. Das sind gut 50 Prozent mehr als in Deutschland.
Leistungsfähige Verkehrswege sind gerade auch für unsere exportorientierte Saarwirtschaft von Bedeutung. Die Industrie, die Haupttreiber von Wachstum und Innovation ist, setzt ihre Produkte deutschlandweit oder international ab. Rund die Hälfte der Industrieprodukte geht an Kunden in anderen Regionen Deutschlands, die andere Hälfte ins Ausland. Letzteres zu einem guten Teil über Umschlagplätze in Deutschland. Qualität und Zuverlässigkeit der Verkehrsinfrastruktur spielen dabei in jedem Fall eine wichtige Rolle. Dies umso mehr, als unsere Saar-Industrie in beträchtlichem Umfang Zulieferteile, Systeme und Komponenten herstellt, die anderswo in Deutschland in Maschinen, Fahrzeuge oder Anlagen eingebaut werden. Die Zulieferung „just in time“ ist hier die Regel. Schnelle Verkehrswege und kalkulierbare Transportzeiten sind entsprechend wichtig.
Höhere Budgets, klare Prioritäten, kürzere Genehmigungsverfahren
Handlungsbedarf besteht auf vier Ebenen:
Die Probleme waren absehbar. Und sie sind hausgemacht: Schon seit Jahren stellt der Bund für den Erhalt seiner Verkehrswege zu wenig Geld zur Verfügung; der Verkehrsetat ist – trotz Maut, Mineralölsteuer und anderen Verkehrsabgaben – chronisch unterfinanziert. Mit Ausnahme der Jahre 2009 und 2010 standen in den vergangenen Jahrzehnten weniger als zehn Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung. Dieser Betrag, so heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Wirtschaftsorganisationen, liegt drastisch unter dem tatsächlichen Bedarf. Zwischen 1980 und 2008 habe die deutsche Verkehrsinfrastruktur schon ein Achtel ihres Wertes verloren.
Eine Wende zum Besseren ist nicht in Sicht: Auch für die kommenden Jahre stagniert der Etat für Straßen, Schienenwege und Wasserstraßen bei völlig unzureichenden zehn Milliarden Euro. Der Bedarf liegt demgegenüber bei 14 Milliarden Euro, also fast dem anderthalbfachen. Die weitere Entwertung unserer Verkehrsinfrastruktur ist damit programmiert.
Schleichender Substanzverzehr
Zum gleichen Ergebnis kommt eine von den Länder-Verkehrsministern eingesetzte Kommission. Nach ihrer Schätzung fehlen Bund und Ländern für die Instandhaltung der Verkehrswege zusammengenommen jährlich 7,2 Milliarden Euro. Zwar verfüge Deutschland im internationalen Vergleich noch über eine relativ gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Allerdings zeichne sich „klar das Bild eines schleichenden und sich bereits beschleunigenden Substanzverzehrs ab.“ Eine solche Diagnose wiegt umso schwerer, als das Verkehrsaufkommen in unserer Gesellschaft weiter zunimmt – in den nächsten zwölf Jahren nach Prognosen der Bundesregierung beim Güterverkehr um über 70 Prozent und beim Personenverkehr um fast 20 Prozent.
Gehen wir sehenden Auges einem Verkehrsinfarkt entgegen? Unstrittig ist, dass sich die chronische Unterfinanzierung und damit der schleichende Verfall unserer Verkehrswege dämpfend auf Wachstum und Wohlstand auswirken. Unsere Verkehrswege sind die Lebensadern der Wirtschaft. Werden sie undurchlässig oder brüchig, dann geht das zwangsläufig zu Lasten der Produktivität, der Wachstumsdynamik und letztlich auch der Steuerkraft. Eine Aufstockung des Verkehrsbudgets ist deshalb dringend geboten und würde sich mittel- bis langfristig selbst finanzieren: Grund genug für die IHK-Organisation, das Thema Infrastruktur zu ihrem Jahresthema 2013 zu wählen.
Großer Handlungsbedarf
Folgende Fakten machen anschaulich, wie groß der Handlungsbedarf ist:
- 2011 gab es auf Bundesautobahnen 180.000 Staus. 5.000 Kilometer Fahrstreifen auf Autobahnen und –fernstraßen gelten als sanierungsbedürftig. Allein für die Sanierung maroder Brücken müssten in den kommenden fünf Jahren rund sieben Milliarden Euro investiert werden. Zahlreiche Brücken sind schon heute für den Güterverkehr gesperrt.
- Im Schienenverkehr sorgen marode Brücken, altersschwache Weichen, bröckelnde Schwellen und fehlende Überholgleise für Engpässe. Bei einem Viertel der Eisenbahnbrücken sieht das Eisenbahnbundesamt bereits „unmittelbare Sicherheitsmängel“. Der Verband der Bahnindustrie schätzt, dass für Bestandspflege, Sanierung und Ausbau des Netzes jährlich rund 1,8 Milliarden Euro fehlen. Aus saarländischer Sicht ist insbesondere die weitere Ertüchtigung der Schienenschnellverkehrstrasse Paris-Saarbrücken-Mannheim dringlich, um diese Strecke gegenüber dem Südast via Straßburg konkurrenzfähig zu halten.
- Bei den Wasserstraßen befindet sich allein am Rhein die Infrastruktur in einem guten Zustand. Auf Donau, Neckar, Elbe und vielen Kanälen, so der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt, bereiten dagegen der Zustand von Schleusen und Brücken sowie die mangelnde Wassertiefe zunehmend Sorge. „Wir haben in unserem Kanalsystem nur 80 Meter lange Schleusen“, so Jens Schwanen, Geschäftsführer des Verbandes. “Da passen die heute gängigen 110-Meter-Schiffe nicht durch.“ Die Folge: Es müssen kürzere Schiffe eingesetzt werden, die weniger wirtschaftlich sind. Hinzu kommt: Die Hälfte der Schleusen ist älter als 80 Jahre und sanierungsbedürftig. Und: Die Brücken sind viel zu niedrig.
- Auf der Mosel, die für die saarländische Industrie von besonderer Bedeutung ist, kommt es schon heute immer wieder zu Engpässen. Denn dort werden inzwischen jährlich bis zu 16 Millionen Tonnen Güter transportiert; die Auslastung der Moselschleusen liegt bei 160 Prozent. Verschärft durch das Vorfahrtsrecht der Personenschifffahrt gibt es deshalb schon heute regelmäßig Staus an den Schleusen. Der Ausfall auch nur einer der fast 50 Jahre alten Schleusen würde den Durchgangsverkehr auf der Mosel vollständig zum Erliegen bringen und hätte unvorhersehbare Folgen insbesondere für die saarländischen Unternehmen der Stahlindustrie und der Energiewirtschaft.
Sorge macht zudem, dass Deutschland im internationalen Vergleich mehr und mehr zurückfällt. Wir investieren nicht nur absolut, sondern auch relativ viel zu wenig in unsere Verkehrswege. Nach Berechnungen der Initiative „Pro Mobilität“ gilt das insbesondere für den Erhalt und Ausbau des Straßennetzes. Hier rangiert Deutschland mit jährlichen Investitionen von rund 130 Euro je Einwohner an vorletzter Stelle von elf betrachteten Staaten. Nur Großbritannien gibt noch weniger aus. Der durchschnittliche Investitionsbetrag in Westeuropa liegt bei über 200 Euro je Einwohner. Das sind gut 50 Prozent mehr als in Deutschland.
Leistungsfähige Verkehrswege sind gerade auch für unsere exportorientierte Saarwirtschaft von Bedeutung. Die Industrie, die Haupttreiber von Wachstum und Innovation ist, setzt ihre Produkte deutschlandweit oder international ab. Rund die Hälfte der Industrieprodukte geht an Kunden in anderen Regionen Deutschlands, die andere Hälfte ins Ausland. Letzteres zu einem guten Teil über Umschlagplätze in Deutschland. Qualität und Zuverlässigkeit der Verkehrsinfrastruktur spielen dabei in jedem Fall eine wichtige Rolle. Dies umso mehr, als unsere Saar-Industrie in beträchtlichem Umfang Zulieferteile, Systeme und Komponenten herstellt, die anderswo in Deutschland in Maschinen, Fahrzeuge oder Anlagen eingebaut werden. Die Zulieferung „just in time“ ist hier die Regel. Schnelle Verkehrswege und kalkulierbare Transportzeiten sind entsprechend wichtig.
Höhere Budgets, klare Prioritäten, kürzere Genehmigungsverfahren
Handlungsbedarf besteht auf vier Ebenen:
- Bund, Länder und Kommunen müssen künftig deutlich mehr Mittel für Erhalt und Ausbau der Verkehrswege zur Verfügung stellen. Dazu sind Umschichtungen von den konsumtiven in die investiven Haushaltsbereiche nötig. Die Verkehrsteilnehmer haben Anspruch auf ein leistungsfähiges Angebot: Denn sie zahlen weitaus mehr in den Bundeshaushalt ein als von dort in die Verkehrsinfrastruktur zurück fließt. Allein die Einnahmen aus Mineralölsteuer, Kfz-Steuer und Lkw-Maut belaufen sich auf weit über 50 Milliarden Euro jährlich. Nur gut zehn Milliarden davon – das ist weniger als ein Viertel – gibt der Bund für den Bau und die Unterhaltung von Straßen, Schienenwegen und Wasserstraßen aus.
- Innerhalb des Verkehrsbudgets sind klare Prioritäten zu setzen. Als Prinzip muss dabei gelten: Vorfahrt für Sanierung, Modernisierung und Engpassbeseitigung, Nachrang für Prestigeprojekte wie Stuttgart 21. Und: Gesamtwirtschaftlicher Nutzen vor Länderproporz.
- Alle Spielräume, die Genehmigungen bei Verkehrsprojekten deutlich beschleunigen, sollten konsequent genutzt werden. Um etwa Dopplungen bei Umweltverträglichkeitsprüfungen zu vermeiden, könnten die raumordnerischen Feststellungen in das Planfeststellungsverfahren integriert werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass zeitraubende Redundanzen im Planungsrecht weder zu mehr Umweltschutz noch zu mehr Akzeptanz bei den Bürgern führen. Eine breite Akzeptanz ist freilich nötig. Um sie zu erreichen, sollten Staat und Wirtschaft künftig offensiver für dringend erforderliche Verkehrsinvestitionen werben.
- Angesichts der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte sind schließlich auch alternative Finanzierungsformen unter Beteiligung privater Unternehmen zu prüfen und bedarfsbezogen einzusetzen. Dadurch können dringend notwendige Verkehrsprojekte zumindest schneller umgesetzt werden.