Positionen

Kennzahl: 17.9766

Mit in der Verantwortung! Unsere Kommunen müssen investitionsfähig bleiben

Standpunkt
von Volker Giersch

01.10.2013

Ein Bundesland, das wirtschaftlich erfolgreich sein will, braucht attraktive und vitale Kommunen. Das gilt generell. Und es gilt gerade auch für unser Saarland. Denn die riesigen Herausforderungen, vor denen das Land steht, sind nur dann zu meistern, wenn sich auch die Kommunen mit voller Kraft in die Zukunftsgestaltung einbringen. Ihre Investitionen und ihre Daseinsvorsorge entscheiden maßgeblich darüber, wie wettbewerbsfähig unser Land künftig als Wirtschafts- und Lebensstandort bleibt.

Sorge macht deshalb, dass sich zahlreiche Saar-Kommunen aktuell in einer schwierigen finanziellen Lage befinden. Dies, obwohl die Steuerquellen kräftig sprudeln und die deutschen Kommunen insgesamt schwarze Zahlen schreiben – in diesem Jahr und wohl auch bis Mitte des Jahrzehnts. Das zumindest prognostizieren die kommunalen Spitzenverbände für die Gesamtheit der deutschen Städte und Kommunen. Sie rechnen bis 2016 mit einem Haushaltsüberschuss von jährlich vier bis viereinhalb Milliarden Euro. Allerdings verbergen sich hinter diesem positiven Gesamtbild zwei gegenläufige Trends: Finanzstarke Kommunen stehen zunehmend besser da, finanzschwache zunehmend schlechter. Und vieles deutet darauf hin, dass sich die Schere künftig weiter öffnen wird.

Hohe Defizite, hohe Kassenkredite

Die finanzschwächeren Kommunen – und dazu zählen viele Saar-Kommunen - sind bereits in arger Not. Sie finanzieren einen wachsenden Teil ihrer laufenden Ausgaben über Kassenkredite – über Kredite also, denen keine Investitionen gegenüberstehen. Im vergangenen Jahr stieg das Volumen dieser Kredite bundesweit auf 48 Milliarden Euro an – ein neuer Negativrekord.

Im Saarland ist die Lage besonders ernst. Hier liegen die Kassenkredite – pro Kopf gerechnet – um den Faktor drei über dem Bundesschnitt. Bedenklich stimmt insbesondere, dass die Finanznot zunehmend zu Lasten der Investitionen geht. Das wiegt deshalb besonders schwer, weil die Kommunen traditionell die größten Investoren im Land sind. Ihr Investitionsvolumen beläuft sich im Saarland auf immerhin rund 200 Millionen. Die Tendenz ist leider deutlich rückläufig. Beim Investitionsvolumen je Einwohner liegen die Saar-Kommunen bereits am Ende der Länderskala. Zu einem weiteren Rückgang darf es nicht kommen. Andernfalls droht die Gefahr, dass die Infrastrukturen verrotten und die Ortskerne und Citys veröden. Deshalb muss es uns im Land ein wichtiges Anliegen sein, die Investitions- und Handlungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig zu sichern.

Ein wesentlicher Grund für die Finanznot der Saar-Kommunen ist deren unterdurchschnittliche Steuerkraft. Diese wird zwar über den Länderfinanzausgleich und über den kommunalen Finanzausgleich des Landes zum größeren Teil ausgeglichen. Doch eben nicht ganz. Dass zusätzliches Geld vom Land kommt, ist mit Blick auf Haushaltsnotlage und Schuldenbremse höchst unwahrscheinlich. Der jüngst aufgelegte kommunale Entschuldungsfonds geht bereits hart an die Grenze des Möglichen, wenn nicht gar darüber hinaus.

Wahrscheinlicher ist zusätzliche Hilfe durch den Bund, die an der Ausgabenseite ansetzt. Hier machen den Kommunen besonders die Sozialausgaben zu schaffen, die trotz anziehender Konjunktur weiter steigen. Ein erster Entlastungsschritt war hier die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter durch den Bund. Weitere Entlastungen sind bereits in der Diskussion – etwa die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.

So wünschenswert weitere Entlastungsschritte auch sein mögen: Es wäre gut und an der Zeit, das Thema grundsätzlicher anzugehen und die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen in ihrer Gesamtheit auf den Prüfstand zu stellen. Die Weiterentwicklung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs steht ja ohnedies auf der Agenda. Aus Sicht der IHK-Organisation sollte die stark schwankende Gewerbesteuer durch eine gewinnabhängige Kommunalsteuer mit eigenem Hebesatzrecht ersetzt werden, die alle in der Gemeinde wirtschaftlich Tätigen einbezieht. Das würde stabile Einnahmen für die Gemeinden schaffen und zudem das traditionell starke Band zwischen Wirtschaft und Kommunen stärken. Für Aufgaben, die Bund und Länder den Kommunen zuweisen, muss künftig zudem eine angemessene Finanzierung sichergestellt werden – so wie es nach dem oft zitierten „Konnexitätsprinzip“ eigentlich auch sein sollte.

Konsolidierung vor allem über die Ausgabenseite

Klar sein sollte bei alledem: Auch eine gemeindefreundliche Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen kann die Finanzprobleme der Saar-Kommunen nur teilweise lösen. Hinzu kommen müssen erhebliche Eigenanstrengungen – vor allem auf der Ausgabenseite. Denn auf der Einnahmenseite sind die Spielräume bereits weitgehend ausgeschöpft. Was die Belastung der Wirtschaft betrifft, ist die Schraube bereits überdreht. So bitten die Saar-Kommunen die Unternehmen seit Jahrzehnten bereits stärker zur Kasse als das anderswo der Fall ist: Die Gewerbesteuerhebesätze liegen hierzulande deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Dadurch hat die Saarwirtschaft eine Sonderlast von 30 bis 40 Millionen Euro jährlich zu tragen. Das bremst die Wachstumsdynamik in unserem Land. Bei der Grundsteuer, die ja weitaus mehr Wähler trifft, sind die Kommunen dagegen eher zurückhaltend. Hier liegen die Hebesätze deutlich – um rund zehn Prozent – unter dem Länderschnitt. In manch einer Saar-Kommune ist die politische Opportunität also nach wie vor größer als die Bereitschaft, Verantwortung für den Standort zu übernehmen.

Weil auf der Einnahmenseite – abgesehen von den Spielräumen bei der Grundsteuer – kaum mehr möglich ist, ist forciertes Sparen angesagt. Hier gibt es vor allem zwei Ansatzpunkte: die Personalkosten zum einen und die hohen Defizite im Bereich von Schwimmbädern, Mehrzweckhallen und Sportstätten zum anderen.

Nicht nur das Land, auch die Kommunen beschäftigen hierzulande zu viel Personal – mehr Personal jedenfalls, als sie es sich mit Blick auf ihre Finanzlage leisten können. Wie groß die Sparpotenziale hier sind, lässt sich durch länderübergreifende Vergleiche kaum verlässlich quantifizieren. Denn die Aufgabenverteilung zwischen den staatlichen Ebenen ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Bedenklich stimmt aber die Personalentwicklung im Zeitablauf. So ist der Personalbesatz (öffentlich Bedienstete je 1.000 Einwohner) bei Kernhaushalten, Eigenbetrieben, öffentlich-rechtlichen Einrichtungen und Zweckverbänden in der Zeitspanne von Juni 2007 bis Juni 2012 um sage und schreibe 17 Prozent gestiegen. Die Saar-Kommunen liegen mit dieser Zuwachsrate im Ländervergleich ganz oben.

Nicht hinreichend geklärt ist bislang noch, welche Kommunen, Kreise, Zweckverbände, kommunale Unternehmen in welchem Umfang zu diesem Stellenaufbau beigetragen haben. Doch gleich wie der Befund ausfällt – unsere Kommunen werden bis Ende des Jahrzehnts kräftig Stellen abbauen müssen. Deshalb schon, weil die Bevölkerung im Land weiter sinkt. Aber auch darüber hinaus – so wie es auf Landesebene bereits vereinbart ist. Die natürliche Fluktuation bildet auch auf kommunaler Ebene ausreichenden Spielraum. Die Kommunen sollten ihn nutzen. Denn nur so lassen sich die kommunalen Haushalte wieder ins Lot bringen.

Kommunale Infrastrukturen: Mehr Qualität, weniger Quantität

Handlungsbedarf besteht auch im Bereich der kommunalen Infrastrukturen – etwa bei Schwimmbädern, Sportstätten, Mehrzweckhallen oder Feuerwehren. Hier ist das Angebot seit vielen Jahren quantitativ weit überdimensioniert. Bei den Schwimmbädern etwa liegt die bewirtschaftete Wasserfläche je Einwohner nach wie vor um gut 60 Prozent über dem westdeutschen Schnitt. Es gibt zu viele Bäder. Die meisten sind zu klein. Und viele von ihnen sind sanierungsbedürftig. Die Folge sind hohe Betriebsverluste, die sich in der Summe auf über 30 Millionen Euro belaufen dürften – viel Geld, das an anderer Stelle dringend benötigt wird.

Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt. Es geht zurück auf die Gebiets- und Verwaltungsreform zu Beginn der 70er Jahre: Vor deren Inkrafttreten spendierten viele der ehemals 365 Saargemeinden sich und ihren Bürgern schnell noch neue Bäder, Sportanlagen und Hallen. Die Zinslasten und Folgekosten hatten ja die neuen größeren Gemeinden zu tragen.

Trotz wachsender kommunaler Finanznot hat sich seither nur wenig getan – zumindest nicht zum Guten hin. Auch wenn in den letzten Jahren eine Handvoll defizitärer Bäder geschlossen wurde – dafür sind neue, größere Bäder in Betrieb gegangen: „Das Blau“ in St. Ingbert etwa, das „Wendelinus-Bad“ in St. Wendel, „Das Bad“ in Merzig oder  „Die Lakai“ in Neunkirchen. 

Landesweite Trägergesellschaften bilden!

Zugegeben: Bürgermeister, die in ihrer Gemeinde ein Bad schließen wollen, haben bei den nächsten Wahlen einen schweren Stand. Deshalb hofft ein jeder darauf, dass die Nachbargemeinde ihr Bad zuerst schließt, damit das eigene dann besser ausgelastet wird. Weil alle auf diese Weise „Mikado“ spielen, passiert nichts. Abhilfe schaffen können nur Lösungen auf übergemeindlicher Ebene: die Übertragung des Bäderbetriebes, des Managements von Veranstaltungshallen oder auch der Zuständigkeit für Feuerwehren auf landesweite Trägergesellschaften. In der Startphase könnten die Kommunen zunächst Betriebshilfen in Höhe der aktuellen Defizite gewähren, die dann aber Jahr für Jahr abgeschmolzen würden. Nach einer begrenzten Übergangszeit müsste es dann in der Zuständigkeit dieser Gesellschaften liegen, Bäder zu sanieren oder zu schließen. Die jährliche Abschmelzung der Betriebshilfen würde insgesamt dazu zwingen, lokales Besitzstandsdenken zu Gunsten betriebswirtschaftlich vernünftiger Lösungen zu überwinden.

Verstärkt ins Auge gefasst werden sollten zudem freiwillige, gemeindeübergreifende Kooperationen, die gerade für die kleineren Kommunen zunehmend überlebenswichtig werden. Die Landesregierung sollte prüfen, wie sie beim kommunalen Finanzausgleich stärkere Anreize für solche Kooperationen setzen kann.

Insgesamt gibt es auf kommunaler Ebene also viele Ansatzpunkte, Ausgaben zu sparen und sich auf den absehbaren Einwohnerschwund vorzubereiten. Die Zeit drängt. Denn die Zukunftschancen unseres Landes sind umso besser, je rascher und konsequenter die Kommunen ihre Haushalte ins Lot bringen und ausreichende Spielräume für Investitionen schaffen. In diesem Sinne sind die Kommunen mit in der Verantwortung, wenn es um die Zukunft unseres Landes geht.