Mit neuem Schwung ins neue Jahrtausend
Von Volker Giersch Kommentar
01.01.2000
Die Ziele sind bereits umrissen: Unser Land will aufsteigen in die Liga der erfolgreichen Bundesländer. 60 000 Arbeitsplätze sollen neu entstehen und das Land der Vollbeschäftigung nahe bringen. 6 000 neue Arbeitsplätze pro Jahr – das ist eine gewaltige Herausforderung. Auch, wenn noch offen ist, ob brutto oder netto. Netto würde heißen: 6 000 zusätzliche Arbeitsplätze per Saldo, also in der Summe aller Branchen. Brutto könnte heißen: 6 000 neue Arbeitsplätze außerhalb des Montanbereichs. Oder noch bescheidener: 6 000 neue Arbeitsplätze in den Wachstumsbranchen unserer Wirtschaft. Letzteres wäre freilich zu wenig.
Das Ziel zu formulieren ist das eine. Eine schlüssige Strategie zu entwickeln, die dorthin führt, das andere. Wie diese Strategie aussehen soll, ist bisher nicht hinreichend klar zu erkennen.
Best practice: An Gewinnern orientieren
Entscheidend ist, dass das Land in möglichst allen Bereichen, die die Standortqualität prägen, ähnlich gut wird wie seine Konkurrenten. Die Losung muss heißen: Orientierung an den jeweils Besten. Hier ist noch einiges zu tun, etwa bei den Standortkosten. Die Stichworte heißen: Zu hohe Gewerbesteuerhebesätze, zu hohe Entsorgungskosten und zu viele Feiertage. Schritte in die richtige Richtung sind erkennbar – etwa bei der Gewerbesteuer. Doch sie sind noch eher zögerlich als kraftvoll.
Handlungsbedarf gibt es auch auf anderen Gebieten: Die Investitionsquote bei Land und Kommunen ist zu niedrig, in wichtigen Förderprogrammen des Landes mangelt es an Geld, bei Schulen und Hochschulen liegt manches im argen. Auch hier brauchen wir entschlossenes Handeln.
Die Eckdaten des neuen Landeshaushaltes zeigen in die richtige Richtung: Die Investitionsquote steigt von 11,6 auf 12,3 Prozent, die Mittel für die Wirtschaftsförderung werden aufgestockt, der Anteil der Personalkosten an den Ausgaben sinkt, die Kreditfinanzierungsquote geht zurück.
Bleibt zu hoffen, dass es gelingt, diese positiven Tendenzen in der mittelfristigen Finanzplanung fortzuschreiben. Dies wird nicht ohne harte und auch unpopuläre Einschnitte bei den konsumtiven Ausgaben möglich sein – zumal ja auch noch Wahlversprechen wie die Erstattung der Kindergartenbeiträge zu finanzieren sind. Man darf gespannt sein.
Pionierland für wirtschaftsfreundliche Reformen
Ein Land, das aufsteigen will, muß freilich mehr tun als Schulden abbauen und Schwächen ausmerzen. Es muss zugleich eigene Stärken entwickeln und ausbauen, auf einigen Gebieten neue Wege gehen und dort besser sein als die anderen. Kurzum: Es muss sich profilieren als Pionierland für wirtschaftsfreundliche Reformen. Vorauseilen ist besser als hinterherlaufen.
Keine Frage: In einigen Bereichen liegt das Saarland bereits heute vorne. In anderen hat es Chancen, nach vorne zu kommen. Drei Beispiele dafür:
Erstens: Die Verbesserung der Arbeitsmarktchancen für Einfachqualifizierte. Hier schreitet das Saarland im Rahmen eines Modellversuchs, der von der Bundesregierung finanziell unterstützt wird, voran. Das Ziel heißt: Mehr Arbeitsplätze im unteren Lohnsegment. Und: Mehr Geld für jene, die Arbeit aufnehmen als für jene, die nicht arbeiten. Einfache Arbeit muss sich wieder lohnen. Der saarländische Modellversuch ist eines der wenigen konkreten Ergebnisse, die die Saar-Gemeinschaftsinitiative bisher zu Wege gebracht hat. Konsensfindung ist eben ein mühsames Geschäft. Doch ohne den dort erreichten Konsens hätte der Modellversuch im Bundes-Bündnis für Arbeit wohl kaum die erforderliche Zustimmung erhalten. Was im Saarland im Rahmen dieses Versuchs in den nächsten Jahren passiert, wird man bundesweit mit Interesse beobachten. Das Saarland ist Pionierland. Gehen wir mit Zuversicht und Tatkraft an die Durchführung.
Das zweite Stichwort heißt: Abitur nach 12 Schuljahren. Dieses Vorhaben der neuen Landesregierung hat viel Charme. Es verkürzt die Schulzeit und bringt uns damit beim Alter der Abiturienten und Hochschulabsolventen näher an den internationalen Durchschnitt. Zudem kostet es kein Geld, sondern spart welches. Es wäre äußerst wünschenswert, die erklärte politische Absicht möglichst rasch in die schulische Realität umzusetzen. Das Saarland als Pionierland für mehr Effizienz und Qualität in der Ausbildung – das würde nicht zuletzt auch von der Wirtschaft äußerst positiv aufgenommen.
Die dritte Chance heißt: Mehr Privatisierung, weniger Regulierung. Wenn es im Saarland gelingen würde, das Bundesland mit der geringsten Regulierungsdichte zu werden, dann wäre dies ohne Frage ein gewichtiger Standortvorteil. Ein Land, das seinen Unternehmen und Bürgern größere Freiräume läßt als die anderen, gewinnt im überregulierten Deutschland an Attraktivität. Für die Wirtschaft wäre es ein geldwerter Vorteil, der das Land kein Geld kosten würde.
Dazu passt dann auch der Wunsch des Wirtschaftsministers an die Tarifpartner, größere Spielräume für flexible Arbeitszeiten zu schaffen, als sie die anderen Länder bieten.
Die Landesregierung hat inzwischen Kommissionen für Deregulierung und Privatisierung eingesetzt. Bleibt zu hoffen, dass diese Kommissionen ähnlich weitreichende Vorschläge unterbreiten werden wie die Deregulierungskommission Anfang der neunziger Jahre auf Bundesebene. Und wünschen wir uns, dass diese Vorschläge im Lande dann auch energisch umgesetzt werden – energischer jedenfalls, als dies auf Bundesebene der Fall war.
Diese Beispiele ließen sich um weitere ergänzen. Viele sind nachzulesen in der IHK-Vision Saarland 2010.
Chancen konsequent nutzen
Es gilt jetzt, die vorhandenen Chancen rasch und konsequent zu nutzen. Denn eines ist klar: Regionen, die sich im scharfen Wettbewerb nicht schnell genug bewegen, stehen bald im standortpolitischen Abseits. Regionen, die schneller sind als andere, werden dagegen die wirtschaftlich erfolgreichen sein – vorausgesetzt natürlich die Richtung stimmt.
Das Saarland hat als kleines Bundesland gute Chancen, zu den erfolgreichen Ländern zu zählen. Wir müssen uns dazu auf jene Tugenden besinnen, die uns kleine Unternehmen vorleben: Flexibilität und Innovationskraft. Starten wir also mit neuem Schwung ins neue Jahrtausend. P> Unsere IHK ist mit Ideen, Tatkraft und Elan dabei.