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Pionierland für mehr wirtschaftliche Freiheit

Von Volker Giersch Kommentar

01.01.2004

Länder mit niedriger Staatsquote und geringer Regulierungsdichte weisen die größte wirtschaftliche Dynamik auf. Das belegen zahlreiche internationale Studien. Dass dieser Zusammenhang auch umgekehrt gilt, zeigt das Beispiel Deutschland. Die Steuer- und Abgabenlast ist hierzulande hoch. Die Genehmigungsverfahren sind komplex und langwierig. Der Arbeitsmarkt ist stärker reguliert als anderswo. Kurzum: Unternehmerisches Handeln wird durch ein engmaschiges Netz an staatlichen Vorschriften und durch bürokratische Lähmschichten über Gebühr eingeengt. Entsprechend gering ist die Wirtschaftsdynamik, entsprechend hoch die Arbeitslosigkeit.

Offensive auf Landesebene

Früher oder später wird Deutschland auf den Kurs Deregulierung und Bürokratieabbau einschwenken (müssen). Das Saarland sollte auf diesem Weg beherzt voranschreiten. Ansätze dazu sind bereits vorhanden. So handhabt unser Land Verfahren zur Durchführung von Sonderschichten an Sonn- und Feiertagen seit längerem schon besonders flexibel und wirtschaftlich. So wurde vieles getan, um Genehmigungsverfahren im Baurecht einfacher zu gestalten und die Fristen zu verkürzen. Darauf zielt nicht zuletzt auch die Novelle der Landesbauordnung. Zudem hat die Landesregierung gleich zu Beginn ihrer Amtszeit eine Fülle von Verwaltungsvorschriften außer Kraft gesetzt. Letzteres war allerdings kaum mehr als eine Bereinigung der Papierlage: Die außer Kraft gesetzten Vorschriften waren weitgehend ohne praktische Relevanz.

Wenn das Saarland wirklich bundesweit Vorreiter beim Abbau bürokratischer Vorschriften werden will, muss der Deregulierungszug noch erheblich an Fahrt gewinnen. Gefragt sind dabei Reformen, die unternehmerisches Handeln erleichtern, Handlungsspielräume erweitern und Genehmigungsfristen weiter verkürzen.

Gewiss: Die Spielräume auf Landesebene sind äußerst bescheiden. Zu engmaschig ist das Netz an Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften, das EU und Bund in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gestrickt haben. Dennoch sollte das Saarland unbeirrt danach streben, sich im überregulierten Deutschland zum Bundesland mit der geringsten Regulierungsdichte zu entwickeln. Der Charme liegt nicht zuletzt darin, dass entsprechende Reformen kein Geld kosten.

Für Experimentierklauseln in Bundesgesetzen

Bundesminister Clement hat zu Beginn des Jahres angekündigt, dass die Bundesregierung Modellregionen für Deregulierung und Bürokratieabbau einrichten will. Geschehen ist bisher praktisch nichts. Das Saarland sollte in dieser Frage am Ball bleiben. Es sollte im Verbund mit anderen Ländern versuchen, den Bund für einen Modellversuch zu gewinnen, der ausgewählten Regionen in standortpolitisch wichtigen Bereichen zusätzliche Freiheitsgrade einräumt. Notwendig dazu sind Öffnungs- oder Experimentierklauseln in den entsprechenden Bundesgesetzen. Denkbar ist ein weites Test- und Experimentierfeld, auf dem etwa folgende Fragen im Praxistest beantwortet werden könnten:

  • Was bringt es an zusätzlicher Gründungsdynamik, wenn wir Unternehmen in den ersten Lebensjahren von den Auflagen der Arbeitsstättenverordnung und des Arbeitszeitgesetzes befreien?

  • Welche Arbeitsplatzeffekte lassen sich erzielen, wenn der gesetzliche Kündigungsschutz erst bei Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern einsetzt?

  • Wie wirkt es sich aus, wenn wir Bündnisse für Arbeit auf Unternehmensebene über gesetzlich verankerte Öffnungsklauseln grundsätzlich zulassen? Wie oft und mit welchem Erfolg werden sich Unternehmensleitung und Betriebsrat auf Lösungen verständigen, die vom Flächentarif abweichen?

Mehr Wettbewerbsföderalismus wagen

Selbst bei näherem Hinsehen spricht wenig dagegen, diese und andere Schritte der Liberalisierung in definierten Teilräumen auf ihre Wirkung hin zu testen. Das Risiko wäre eng begrenzt – auf wenige Regionen. Die Chance dagegen groß. Denn wir könnten all jene Deregulierungsschritte, die sich im Test als erfolgreich erweisen, dann auch bundesweit übernehmen. Im Ergebnis wäre das ein beachtlicher Schritt hin zu mehr Wettbewerbsföderalismus in Deutschland.

Für das Saarland böte ein solcher Modellversuch die vortreffliche Chance, sich als Wirtschaftsraum mit dem höchsten Grad an wirtschaftlicher Freiheit zu profilieren. Der weitere Erfolgsweg des Landes wäre programmiert.