Politik in Zeiten knapper Kassen – Was die Wirtschaft von der neuen Landesregierung erwartet
Einführung von IHK-Präsident Dr. Richard Weber anlässlich
des IHK-Forums am 23. November 2004
23.11.2004
meine Damen und Herren,
zunächst möchte ich Sie alle ganz herzlich begrüßen. Willkommen zu unserem diesjährigen IHK-Forum! Willkommen im Haus der Saarwirtschaft!
Ich freue mich, dass Sie in so großer Zahl zu uns gekommen sind. Das dürfte nicht zuletzt an unserem heutigen Gastredner liegen. Ich begrüße ganz herzlich Ministerpräsident Peter Müller.
Herr Ministerpräsident, die saarländischen Wähler haben Sie im September erneut mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet. Dahinter steckt gewiss die Anerkennung für eine mutige Politik und eine erfolgreiche Regierungsarbeit in den vergangenen fünf Jahren. Vor allem aber war dieses Wahlergebnis ein Vertrauensbeweis und ein Votum für die Person Peter Müller. Dazu möchte ich Ihnen heute noch einmal sehr herzlich gratulieren.
Besonders begrüßen möchte ich auch den Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, die Herren Abgeordneten des Landtages, die Vertreter der Hochschulen und Forschungsinstitute und der uns nahestehenden Verbände, die Vertreter der Medien, die Kollegen aus Präsidium und Vollversammlung, die Mitglieder unserer Ausschüsse – und natürlich unsere Mitgliedsunternehmen.
Meine Damen und Herren,
vor drei Wochen hat Ministerpräsident Peter Müller seine
Regierungserklärung abgegeben. Was liegt da näher als gleich zum
Start mit dem Regierungschef über seine Pläne und unsere
Erwartungen zu sprechen.
Aus Sicht der IHK hat die Regierung in der Vergangenheit den richtigen Kurs eingeschlagen. Ich nenne als Stichworte:
- die Senkung der Gewerbesteuersätze,
- die Fortschritte bei Deregulierung und Bürokratieabbau und
- die Qualitätsoffensive in der Bildung.
Das ist ein Erfolg, auf den wir stolz sein können. Das ist eine gute Startbasis für die kommenden fünf Jahre. Es ist aber auch eine Herausforderung - Herausforderung deshalb, weil auch in anderen Regionen viel geschieht. Auch sie machen sich fit für die Zukunft. Da ist es gut und wichtig, dass die Regierungserklärung weitere Schritte nach vorne ankündigt.
Die erste und größte Herausforderung, die wir zu meistern haben, heißt: Konsolidierung der Landesfinanzen. Sie haben dazu, Herr Ministerpräsident, nicht nur starke Einschnitte bei den freiwilligen Leistungen angekündigt, sondern auch schmerzliche Opfer für die öffentlich Bediensteten. Beides ist nicht populär. Aber beides ist notwendig. Es ist deshalb notwendig, weil die Konsolidierung ohne drastische Einsparungen nicht gelingen kann. Aber auch, weil wir weiterhin auf die solidarische Hilfe des Bundes angewiesen sind. Und die kann und wird es nur geben, wenn wir zuvor alle Möglichkeiten der Selbsthilfe ausgeschöpft haben.
In diesem Zusammenhang, Herr Ministerpräsident, begrüßen wir ausdrücklich auch Ihre Absicht, ein neues Saar-Memorandum zu erstellen. Die Saar-Gemeinschaftsinitiative wird sich ja schon in wenigen Tagen mit diesem Thema befassen. Und die Eile tut not. Denn wir brauchen möglichst rasch eine klare und verlässliche Perspektive für die Sanierung unserer Landesfinanzen. Das ist wichtig für die Politik. Das ist wichtig für die Bürger unseres Landes. Das ist wichtig aber auch für die Wirtschaft. Denn ein Land, dem der Makel dauerhafter Finanznot anhaftet, ist als Wirtschaftsstandort nicht sonderlich attraktiv. Und die Perspektive, eines Tages zur Provinz eines Südweststaates zu werden, erst recht nicht. Deshalb verspreche ich Ihnen: Die IHK wird nicht nur den Sparkurs des Landes solidarisch unterstützen. Sie wird auch das Vorhaben „Saar-Memorandum“ sehr konstruktiv begleiten.
Wenn es an Geld mangelt, meine Damen und Herren, dann sind vor allem solche Reformen gefragt, die wenig kosten und viel bringen oder – besser noch Reformen, die Geld einsparen. Deshalb begrüßen wir das Ziel der Landesregierung, bei Deregulierung, Privatisierung und Bürokratieabbau weiter Vorreiter zu bleiben.
Das Hesse-Gutachten liefert hierfür eine ausgezeichnete Diskussionsgrundlage. Viel Sympathie haben wir insbesondere für das Ziel, das Saarland zum Modellland eines zweistufigen Verwaltungsaufbaus zu machen. Es ist fürwahr ein ambitioniertes Ziel. Doch es verspricht hohe Effizienzgewinne und zudem eine positive Signalwirkung nach innen und nach außen.
Machen wir das Saarland, meine Damen und Herren, zum Bundesland mit der effizientesten Verwaltung, mit den kürzesten Genehmigungsdauern und mit der geringsten Regulierungsdichte. Machen wir es zum Bundesland mit dem höchsten Grad an wirtschaftlicher Freiheit.
Dass dieser Weg Erfolg verspricht, belegen internationale Vergleiche sehr eindrucksvoll. Sie zeigen: Je höher der Grad an wirtschaftlicher Freiheit, desto größer auch die Dynamik bei Wachstum und Beschäftigung.
Gehen Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, das Ziel „ Modellland Saarland“ in diesem Sinne mit Mut und Tatkraft an. Ich sage Ihnen auch dazu die volle Unterstützung unserer IHK zu.
In diesem Zusammenhang darf dann ein Stichwort nicht fehlen: Es heißt: Föderalismusreform. Wir brauchen diese Reform. Wir brauchen sie bald. Wir brauchen sie
- als Reform für mehr Reformen in Deutschland
- als Reform, die Kompetenzen des Bundes und der Länder klar voneinander trennt, und
- als Reform, die endlich einen lebendigen und schöpferischen Wettbewerb zwischen den Ländern in Gang setzt.
Wachstum braucht den richtigen Nährboden. Die Erfahrungen der letzten Jahren zeigen, dass unser Land seinen wirtschaftlichen Aufstieg ganz wesentlich der günstigen Entwicklung seines industriellen Kerns zu verdanken hat. Damit das so bleibt, müssen wir alles daransetzen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Saarland weiter zu verbessern.
Auf keinen Fall dürfen wir im Wettbewerb der Standorte zurückfallen. Denn die Struktur unserer Wirtschaft wird geprägt durch einen hohen Anteil von Zweigwerken und Tochtergesellschaften – von Betrieben also, die in weltweit operierende Unternehmen eingebunden sind. Jede größere Investitionsentscheidung in diesen Unternehmen ist auch eine Standortentscheidung – eine Entscheidung, die in einem harten Benchmarking zwischen den Betriebsstätten des Unternehmens getroffen wird. In dieses Benchmarking gehen die Stärken und Schwächen eines Standortes voll ein. Sie entscheiden mit darüber, ob ein neues Produkt oder Modell im Saarland oder anderswo hergestellt wird. Und auch darüber, ob ein Werk erhalten bleibt oder geschlossen wird. Deshalb ist und bleibt die Landespolitik gefordert, die Standortbedingungen in unserem Land weiter zu verbessern. Auch für die mittelständischen Unternehmen ist das auf Dauer eine Überlebensfrage.
Wir alle wissen: Für eine erfolgreiche Standortpolitik gibt es kein Patentrezept. Wir müssen an vielen, oftmals auch kleinen Stellschrauben drehen –
- an den Gewerbesteuersätzen,
- an den Entsorgungsgebühren,
- an den Konditionen der Wirtschaftsförderung und
- an der Dauer und Flexibilität der Arbeitszeiten. (Übrigens: die IHK ist bereits zur 40-Stunden-Woche zurückgekehrt, und zwar ohne Lohnausgleich.)
Wachsende Sorge macht uns auch ein anderes Problem: die Finanzierungsklemme, in die mehr und mehr kleine und mittlere Unternehmen geraten. Die Stichworte sind bekannt. Sie heißen: Basel II und fortschreitende Globalisierung der Finanzmärkte. Die Folge: Für die Unternehmen wird es zunehmend schwieriger, ihre Investitionen über Kredite zu finanzieren. Mittelständische Unternehmen trifft das mit besonderer Härte, zumal ihre Eigenkapitaldecke oftmals bedrohlich dünn ist. Das mindert die Chancen der Finanzierung aus eigener Kraft. Das ist aber auch schlecht für die Beurteilung der Bonität.
In dieser Hinsicht besteht in Deutschland massiver Handlungsbedarf. Wir müssen die Möglichkeiten der Eigenkapitalbildung verbessern – u. a. durch eine deutliche Senkung der viel zu hohen Unternehmenssteuern. Wir müssen die Unternehmensbesteuerung international wettbewerbsfähig machen. Und wir müssen dafür sorgen, dass der Mittelstand einen besseren Zugang zu privatem Beteiligungskapital erhält. In diesen Punkten ist die Bundesregierung gefordert. Wir unterstützen deshalb voll und ganz die Initiativen der Landesregierung und insbesondere des Wirtschaftsministers, hier rasch zu Verbesserungen zu kommen.
Gefordert ist aber auch das Land selbst. So wichtig die Haushaltskonsolidierung ist: Der Rotstift darf auf keinen Fall bei der Investitions- und Wirtschaftsförderung ansetzen. Denn gerade die kleinen und mittleren Unternehmen brauchen die Zuschüsse, die zinsgünstigen Kredite, die Beteiligungen und Bürgschaften der öffentlichen Hand dringender denn je. Sie brauchen sie, um Investitionen, Innovationen und die Erschließung neuer Märkte finanzieren zu können. Das Bekenntnis „Vorrang für den Mittelstand“ impliziert notwendigerweise auch die Maxime „ Keine Kürzungen bei der Wirtschaftsförderung“. In diesem Punkt, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sind wir uns sicherlich einig.
Deshalb möchte ich auch das Thema Gewerbesteuer ansprechen. Es macht uns ernsthaft Sorge, dass die Landesregierung das Gewerbesteuersenkungsprogramm kurzfristig stoppen will. Lassen Sie mich dazu ganz deutlich sagen: Es wäre fatal, wenn sich das Saarland bei der Gewerbesteuer bald wieder an die Spitze der deutschen Bundesländer setzen würde. Das würde die Unternehmen in einer schwierigen Zeit zusätzlich belasten und dem Wirtschaftsstandort Saarland erheblich schaden.
Deshalb appellieren wir an Sie, Herr Ministerpräsident: Stellen Sie im Dialog mit den Kommunen sicher, dass die Hebesätze nicht wieder steigen. Das Saarland darf in keinem Fall ein Hochsteuer land im Hochsteuer staat Deutschland werden.
Im Übrigen bleibt es natürlich bei unserer Forderung in Richtung Berlin, die Gewerbesteuer ganz abzuschaffen.
Meine Damen und Herren,
wer etwas von anderen erwartet, sollte sich auch selbst in
die Pflicht nehmen. Unsere IHK jedenfalls sieht sich bei der
Förderung des Mittelstandes voll in der Verantwortung. Wir haben
unser Angebot an Information, Beratung, Qualifizierung und
Kooperationsvermittlung in den zurückliegenden Jahren Schritt für
Schritt ausgeweitet. Wir haben Branchenforen eingerichtet. Wir
unterstützen die Gemeinden bei der Revitalisierung der Ortskerne
und Innenstädte. Wir helfen dem Mittelstand bei Innovation,
Markterschließung und Qualifizierung. Und: Wir unterstützen
tatkräftige und mutige Menschen bei der Gründung und beim Aufbau
eigener Unternehmen. Wir sehen es, Herr Ministerpräsident, als
unser gemeinsames Ziel, die Unternehmerlücke in unserem Land
weiter zu schließen und den Mittelstand zu stärken. Die IHK wird
ihr Leistungsangebot für die Wirtschaft deshalb nochmals
ausweiten.
Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt eingehen, der in der Regierungserklärung zu Recht breiten Raum einnimmt. Sie haben ihn überschrieben: „ Die besten Schulen für unsere Kinder“. Wir werben dafür mit der Formel: „Das Saarland muss Nummer Eins werden bei PISA“. Dazu müssen wir mit der Bildung und Ausbildung unserer Kinder früher beginnen und die Chancen des frühen Lernens nutzen.
Ganz auf unserer Linie liegt dabei das Ziel, die Schulautonomie zu erweitern, den Schulen größere Handlungsspielräume zu übertragen und sie in einen schöpferischen leistungsorientierten Wettbewerb miteinander zu bringen. Wir sind davon überzeugt, dass dies der beste und schnellste Weg ist, mehr Qualität in den Schulen zu erreichen. Ganz nebenbei passt eine solche Strategie auch exakt zu unserer Maxime „Vorfahrt für Reformen, die viel bringen und wenig kosten“.
Wie sehr sich unsere Unternehmen bei Bildung und Ausbildung engagieren, sehen Sie daran, dass wir in diesem Jahr nicht nur unser Versprechen aus dem Ausbildungspakt einlösen konnten. Das Saarland ist auch erneut Nummer Eins bei der Ausbildungsplatzdichte. Unsere Unternehmen haben – trotz schwieriger Konjunkturlage – gut sechs Prozent mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen als im vergangenen Jahr.
Dafür möchte ich mich heute ganz herzlich bedanken. Bei unseren Partnern – den Medien, der Landesregierung, den Arbeitsagenturen, aber auch bei unseren eigenen Mitarbeitern, die mit großem Engagement für mehr Ausbildung geworben haben. Vor allem aber bei Ihnen, den Unternehmern, die ja letztlich die Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg im Umgang mit den jungen Menschen, für die Sie Verantwortung übernommen haben. Und ich hoffe, dass Sie auch im nächsten Jahr wieder mit „ dabei“ sind.
Denn wir wollen auch künftig mit aller Kraft darauf hinwirken, dass jeder junge Mensch, der will und kann, eine angemessene Chance auf Ausbildung erhält. Und wir wollen, dass unser Land bei der Ausbildungsplatzdichte auch künftig den Spitzenplatz belegt.
Wir brauchen aber auch leistungsfähige Hochschulen. Auch da gibt es Spielraum für weitere Verbesserungen. Wir begrüßen deshalb den von der Landesregierung eingeschlagenen Weg, den Hochschulen ein höheres Maß an Autonomie zu gewähren und Entwicklungsziele mit ihnen zu vereinbaren. Wir begrüßen ganz konkret auch die Absicht, die Ingenieurausbildung im Saarland in Abstimmung mit Kaiserslautern zu stärken und die Zuständigkeit für die anwendungsorientierten Forschungsinstitute dem Wirtschaftsministerium zu übertragen. Diese Punkte liegen uns seit langem am Herzen.
Wir knüpfen daran die Hoffnung, dass es gelingt, neben IT und NanoBio auch einen Schwerpunkt „Innovative Produktion“ zu entwickeln. In Ansatzpunkten gibt es ihn ja bereits – Stichwort: „ Zentrum für Innovative Produktion“. Die dort schlummernden Ressourcen gilt es zu bündeln und gezielt zu ergänzen. Eine hochwertige Ingenieurausbildung und eine produktionsorientierte Forschung – dies wären wichtige Schritte, den industriellen Kern in unserem Land zu stabilisieren und zu stärken. Dafür werden wir uns engagieren und dazu werden wir auch ganz konkret beitragen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
Sie sehen: die saarländischen Unternehmen und die
saarländische IHK sind verlässliche Partner der Politik, wenn es
um das Projekt „Aufsteigerland“ geht. Wir engagieren uns. Wir
tun etwas. Wir beteiligen uns an vielen gemeinsamen
Initiativen. Unsere Ziele sind dabei weitestgehend deckungsgleich
mit jenen der Landesregierung. Und deshalb sind wir sehr
gespannt, wie die Landesregierung die in der Regierungserklärung
formulierten Ziele und Vorhaben umsetzen will. Wir freuen uns,
Herr Ministerpräsident, auf Ihre Ausführungen.