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Richter können nicht alles

IHK und Steuerberaterkammer: Eigenständige
Finanzgerichtsbarkeit im Saarland erhalten

21.12.2004

„Eine Zusammenlegung unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten bringt gravierende Nachteile. Die zugunsten einer Fusion angeführten Argumente - wie bedarfsgerechter Richtereinsatz und Kosteneinsparungen durch Synergieeffekte - tragen nicht.“ Mit diesen Worten kommentierten IHK-Vizepräsident Rolf Schneider und der Präsident der Steuerberaterkammer, Hans-Dieter Wirtz, die von einer Mehrheit der Bundesländer gewünschte Verschmelzung der drei öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten (Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit). Auch die saarländische Landesregierung hätte gern die Möglichkeit, Gerichte zusammen zu legen und Richterinnen und Richter austauschen zu können. Sie will von ihrem Optionsrecht, wenn es kommt, allerdings keinen Gebrauch machen.

Viel sparen lässt sich nicht

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Politik in der öffentlichen Verwaltung und Gerichtsbarkeit die Effizienz steigern und Kosten sparen will. Im Saarland sind die durch die Zusammenlegung der Gerichtsbarkeiten erzielbaren Kostenersparnisse jedoch äußerst gering. Ihnen stehen allerdings schwerwiegende Nachteile gegenüber. So führt jeder Richterwechsel in ein anderes Sachgebiet zwangsläufig zu Reibungsverlusten durch Einarbeitungszeiten. Vor allem in der Finanzgerichtsbarkeit drohen deshalb weitere Verfahrensverzögerungen. Mit einer durchschnittlichen Dauer von über 13 Monaten sind die Finanzgerichtsverfahren ohnehin schon eine schwere Belastung für die Steuerbürger und Unternehmen. Eine solche Verzögerung schadet insbesondere den Unternehmen, denen dadurch nicht selten Mittel entzogen bleiben, die sie dringend für Investitionen brauchen.

Eine Zusammenlegung dürfte auch nicht ohne Folgen für die Qualität der Rechtsprechung bleiben. Wer als Richter heute einen baurechtlichen Fall, morgen einen Rentenbescheid und übermorgen ein Körperschaftsteuerverfahren abzuwickeln hat, kann unmöglich die Expertise aufbringen wie die ihm gegenüberstehenden hochspezialisierten Finanzbeamten und Rechtsvertreter. Angesichts der Flut von Steuerrechtsänderungen und des immer komplexer und komplizierter werdenden Steuerrechts, das selbst von ausgewählten Steuerrechtlern als kaum noch beherrschbar bezeichnet wird, ist abzusehen, wie überfordert Sozial- und Verwaltungsrichter in Steuerrechtsangelegenheiten sein werden. 'Der flexible Einsatz der richterlichen Arbeitskraft einerseits und vertiefte richterliche Berufserfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts andererseits sind gegensätzliche Ziele, die nicht so leicht erreichbar sind. Wenn die Politik das Schwergewicht auf die Flexibilisierung der richterlichen Tätigkeit legen will, nimmt sie den Abbau richterlicher Sachkunde billigend in Kauf. Die saarländische Landesregierung will aus diesen Gründen von einer Zusammenlegung absehen. Trotzdem: Die Tür wäre geöffnet. Eine andere Landesregierung wird vielleicht eines Tages doch hindurchgehen wollen', so Hans-Dieter Wirtz.

Für IHK-Vizepräsident Rolf Schneider ist es nicht ohne Grund, dass an Kandidaten, die in die Finanzgerichtsbarkeit eintreten wollen, besondere Anforderungen gestellt werden. Sie müssen besondere Kenntnisse insbesondere auch in bilanzieller und betriebswirtschaftlicher Hinsicht haben und die praktische Umsetzung – zum Beispiel durch finanzbehördliche Tätigkeit – kennen gelernt haben, bevor sie als Richter eingesetzt werden. Schneider: „Diese Sachkompetenz der Richter muss zwingend gewährleistet bleiben. Dies kann nur durch eine eigenständige Finanzgerichtsbarkeit sichergestellt werden. Die Integration der Finanzgerichtsbarkeit in eine einheitliche öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit ist deshalb abzulehnen.'

Medienkontakt:
Dr. Mathias Hafner
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