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Saarwirtschaft braucht Ingenieure

IHK und VSU stellen Ergebnisse einer gemeinsamen
Unternehmensbefragung vor

04.12.2002

Eine quantitativ ausreichende und qualitativ hochwertige Ingenieurausbildung zählt zu den wichtigsten Elementen regionalpolitischer Wachstumsvorsorge. Dies gilt im besonderen Maße für das Saarland, das nach wie vor stark industrie- und produktionsorientiert ist. Trotz der anhaltenden Konjunkturflaute sind qualifizierte Ingenieure heute in fast allen Industrieländern Mangelware. Auch das Saarland ist davon stark betroffen. Vor diesem Hintergrund hat die Industrie- und Handelskammer des Saarlandes (IHK) und die Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU) eine Umfrage zum Ingenieurbedarf in der saarländischen Wirtschaft durchgeführt. Beteiligt haben sich knapp 50 Unternehmen mit zusammen rund 65.000 Beschäftigten. Die Ergebnisse haben IHK und VSU jetzt gemeinsam mit dem saarländischen Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft, Jürgen Schreier, der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Lücke wird größer

Die Ergebnisse zeigen, dass Ingenieure schon derzeit zu den gefragtesten und knappsten Berufsgruppen am saarländischen Arbeitsmarkt gehören. „Nach den Ergebnissen unserer Umfrage“, so IHK-Vizepräsident Walter Siebert, „steigt der Bedarf an Ingenieuren weiter kräftig an: In drei bis fünf Jahren wird er schon fast um die Hälfte höher liegen als derzeit.“ Insgesamt liege der Bedarf bei rund 400 Ingenieurabsolventen jährlich. Davon entfielen ca. 300 auf die Industrie; weitere 100 fänden in freien Konstruktionsbüros und im öffentlichen Dienst ihren Arbeitsplatz oder machten sich selbstständig. „Von Fachhochschule und Universität kommen derzeit im Saarland aber nur rund 300 ausgebildete Ingenieure pro Jahr“, beschreibt VSU-Präsident Walter Koch die Situation. Zwar hat die Zahl der Studienanfänger in den letzten Jahren wieder etwas zugenommen. Dieser Anstieg reicht aber nicht aus, um den absehbaren Bedarf zu decken. Konkret: Der schon jetzt offenbare Mangel an qualifiziertem technischem Nachwuchs wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen.“ Dieser Befund gebe insbesondere deshalb Anlass zur Besorgnis, weil es für die saarländischen Unternehmen in der Vergangenheit schon schwierig gewesen sei, qualifizierte Ingenieure von außen ins Land zu holen.

IHK, VSU und MBKW: Gemeinsame Initiative an Schulen

Mit einer gemeinsamen Initiative wollen daher IHK, VSU und Kultusministerium versuchen, mehr junge Menschen im Saarland für ein Ingenieurstudium zu gewinnen und Jugendliche von außen mit attraktiven Studiengängen ins Land zu locken. „Mit der Einrichtung eines technischen Zweiges an der Berufsakademie haben Politik und Wirtschaft einen ersten wichtigen Schritt unternommen, um den drohenden Ingenieurmangel zu begegnen“, sagte Minister Schreier. „Und unsere beiden Hochschulen werden den jungen Menschen die passenden Angebote machen.“ Beispielhaft seien die kooperativen Studiengänge, der duale Studiengang Maschinenbau an der HTW und die Einführung eines Industriepraktikums in das Ingenieurstudium an der Universität des Saarlandes. Sein Ministerium werde sich gerne daran beteiligen, gemeinsam mit der Wirtschaft an den weiterführenden Schulen des Saarlandes für den Ingenieurberuf zu werben. „Wer sich heute für den Beruf des Ingenieurs entscheidet, hat nach erfolgreichem Abschluss in unserem Land beste Berufsaussichten“, so der Minister.

Uni- und FH-Absolventen gleichermaßen begehrt

Zu den interessanten Ergebnissen der Studie gehört auch, dass für die Mehrzahl der Unternehmen bei der Deckung ihres Ingenieurbedarfs nicht die entscheidende Rolle spielt, ob die Bewerber an einer Fachhochschule oder an einer Universität ausgebildet wurden. Gebraucht werden beide Qualifikationen. Entscheidend ist, dass Fachrichtung, das Persönlichkeitsprofil und überfachliche Qualifikationen stimmen. Von den verschiedenen ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtungen sind im Saarland Maschinenbau- und Produktionstechniker mit 34 bzw. 26 Prozent mit Abstand am stärksten gefragt, gefolgt von Absolventen der Elektrotechnik und den Wirtschaftsingenieuren.

Vielfältige Einsatzgebiete

Die Einsatzgebiete der Ingenieurabsolventen sehen die Unternehmen überwiegend in den „klassischen“ Bereichen wie Entwicklung, Konstruktion und Produktion, auf die zusammengenommen über die Hälfte aller Nennungen entfallen. Die künftigen Ingenieure werden ihre Arbeitszeit aber nicht nur am Zeichenbrett oder in der Konstruktionshalle verbringen; fast ein Drittel werden auch mit der Akquisition und Betreuung von Kunden befasst sein. Immerhin jeder siebte künftige Ingenieur ist für Führungsaufgaben im Unternehmen vorgesehen.

Technische Kompetenz reicht immer weniger aus

Eine solide fachliche Ausbildung ist für den künftigen Ingenieurnachwuchs in den Augen der Unternehmen nur die Grundbedingung. Für die volle Einsatzfähigkeit im Unternehmen – und erst recht für den späteren Aufstieg im Beruf – sind darüber hinausgehende Qualifikationen erforderlich. Zu den geforderten „ überfachlichen Kompetenzen“ gehören neben Fremdsprachenkenntnissen insbesondere betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse. Ausreichende Englischkenntnisse erwarten die Unternehmen von praktisch allen Absolventen; immerhin noch fast die Hälfte aller Unternehmen wünschen sich von den neu einzustellenden Ingenieuren darüber hinaus auch solide Kenntnisse der französischen Sprache. Neben Sprachen und Betriebswirtschaft (vorwiegend Projektmanagement, Controlling, Marketing, und Betriebsorganisation) gehören zu einer erfolgreichen Ingenieurkarriere die richtige Einstellung zum Beruf (Kundenorientierung, Teamfähigkeit) und eine gute Kommunikationsfähigkeit (Präsentationstechnik, interkulturelle Kompetenz).

Höherqualifizierung, überregionale Akquisition … oder Abwanderung?

Da der Mangel an Ingenieuren noch einige Jahre fortbesteht und sich weiter verschärfen wird, sind die Unternehmer auf Ausweichstrategien angewiesen. Fast alle der befragten Unternehmen werden versuchen, durch Höherqualifizierung eigener Mitarbeiter die Engpässe zu verringern und ihre Akquisitionsbemühungen zu verstärken – sei es durch die offensive Nutzung von Stellenbörsen oder eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit in Schulen, Hochschulen und den Einsatz von Personalberatern. Vor allem größere Unternehmen denken darüber hinaus an eine eigene Ingenieurausbildung. Dass viele dies auch konkret tun, zeigt die Resonanz auf die Einrichtung der technischen Berufsakademie Saarland: Hier wurden von den Unternehmen gleich zum Start 40 Studienplätze gemeldet, die auch fast vollständig besetzt werden konnten.

Als „Ultima Ratio“ bleibt den Unternehmen der Verzicht auf Aufträge und Produktion oder die Verlagerung ins Ausland. Dies würde den Standort Saarland allerdings in erheblichem Maße schwächen: Immerhin ist es nicht ganz unrealistisch anzunehmen, dass pro fehlendem Ingenieur etwa vier bis fünf andere Arbeitsplätze nicht geschaffen werden können.

Schaubilder

Weitere Informationen:
Hermann Götzinger
(06 81) 95 20-4 00