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Standortaufwertung fortsetzen

Saarwirtschaft im Sog der Flaute

06.05.2003

Das Wirtschaftswachstum an der Saar wird in diesem Jahr voraussichtlich deutlich hinter den Vorjahreswerten zurückbleiben. Nachdem das Saarland in den vergangenen Jahren noch eine relative Stärke in der Flaute zeigte, wird es im laufenden Jahr auch hierzulande wohl nur ein Miniwachstum geben. Das Plus könnte mit etwas Glück ein weiteres Mal zwar etwas höher ausfallen als auf Bundesebene, aber sicherlich nur um wenige Zehntel Prozent. Um beim Strukturwandel weiter erfolgreich zu sein, müsse das Land seine Politik der Standortaufwertung konsequent fortsetzen. Zu dieser Einschätzung kam die IHK Saarland in ihrer Frühjahrspressekonferenz. Die Positionen der IHK erläuterten IHK-Präsident Dr. Richard Weber, Vizepräsident Rolf Schneider und Hauptgeschäftsführer Volker Giersch.

Wenig erfreulich seien vor dem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Hintergrund auch die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. Während in den letzten drei Jahren zahlreiche neue Arbeitsplätze entstanden sind und die Arbeitslosigkeit spürbar abgebaut werden konnte, werde es in diesem Jahr wohl zu einem deutlichen Verlust an Arbeitsplätzen kommen, eine Größenordnung zwischen 3.500 und 4.500 Arbeitsplätzen sei dabei nicht unrealistisch. Sorge bereite auch die Entwicklung bei den Investitionen. Hier zeige die Tendenz - ähnlich wie auf Bundesebene - auch an der Saar weiter nach unten.

Die IHK Saarland begründet ihre Einschätzungen mit dem Auslaufen günstiger Branchenentwicklungen in den Kernbereichen der Saar-Industrie, die die Saarkonjunktur bisher maßgeblich gestützt haben. Vor allem der Fahrzeugbau, die Stahlindustrie, der Maschinenbau und das Ernährungsgewerbe hätten in den vergangenen drei Jahren mit einem Umsatzplus von 14,7 Prozent (Bund 11,1 Prozent) wesentlich zur relativen Stärke der Saarwirtschaft beigetragen. Inzwischen habe sich das Geschäftsklima an der Saar, das lange Zeit deutlich positiver war als im Bund, aber dem niedrigeren Bundesniveau weitgehend angenähert.

„Agenda 2010“ rasch und ohne Abstiche umsetzen

Die Chancen des Saarlandes, weitere Fortschritte bei Strukturwandel und Beschäftigung zu erreichen, seien umso besser, je schneller die Weichen in der Bundesrepublik in die richtige Richtung gestellt werden. Dazu gelte es, die Wachstums- und Beschäftigungsbarrieren insbesondere auf dem Arbeitsmarkt und in den sozialen Sicherungssystemen rasch und nachhaltig abzubauen. Die „Agenda 2010“ der Bundesregierung sei ein erster Schritt dazu. Sie sollte deshalb bald und ohne Abstriche umgesetzt werden. Zudem plädiert die IHK dafür, den für 2005 vorgesehenen dritten Reformschritt bei der Steuerreform vorzuziehen und zusammen mit der zweiten Stufe ab Januar 2004 in Kraft zu setzen. „Weniger Staat, mehr Eigenverantwortung und maßvolle Tarifabschlüsse – das ist der einzige Weg, auf dem Deutschland dauerhaft auf einen höheren Wachstumspfad gelangen kann. Dem Saarland würde es dann deutlich leichter fallen, beim Strukturwandel noch schneller voranzukommen und bei Wachstum und Beschäftigung auch absolut befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Das Potenzial dazu hat unser Land allemal,“ so Dr. Weber.

Standortaufwertung fortsetzen

Dieses Potenzial werde sich aber nur ausschöpfen lassen, wenn die Standortbedingungen auch an der Saar weiter verbessert werden. Die Landesregierung müsse deshalb bis zum Ende der Legislaturperiode konsequent auf Reformkurs bleiben. „Die wirtschaftlichen Erfolge der jüngsten Vergangenheit und die positive Beachtung saarländischer Initiativen im Bund, etwa in der Bildungspolitik oder beim Länderfinanzausgleich, sollten sie ermutigen, weiterhin mit vollem Schwung zu Werke zu gehen,“ meinte der IHK-Präsident.

Handlungsbedarf gibt es noch genug:

  • Gerade in der Bildungspolitik sind vor dem Hintergrund der absehbaren demographischen Entwicklung noch erhebliche weitere Anstrengungen notwendig, um unser Bildungssystem wirklich zukunftsfest zu machen. „Die bisher von der Landesregierung ergriffenen Maßnahmen waren wichtig und richtig“, so Dr. Weber. „Detailverbesserungen reichen aber nicht aus – wir brauchen für unsere Schulen eine grundsätzlich andere Organisation: Wir müssen unseren Schulen die Freiheit geben – und die Verpflichtung auferlegen – sich wie mittelständische Dienstleistungsunternehmen zu verhalten. Der Wettbewerb und die Abstimmung mit den Füßen wird dann ganz von selbst für die richtigen Anreize und für mehr Qualität sorgen.' Im Kern gehe es vor allem um mehr Finanz- und Personalautonomie und um mehr Freiräume für eine Profilbildung. Gleichzeitig brauchten die Schulen einen verbindlichen Kanon für die Kernfächer. Der von der IHK mitinitiierte Modellversuch 'BBZ plus' an sieben saarländischen Berufsschulen sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung. „Aber“, so Dr. Weber, „die große Freiheit für die Schulen bringt das nicht. Gerade bei einem Modellversuch hätten wir uns etwas mehr Mut gewünscht.'

    Was für die Schulen richtig sei, gelte auch für die Universitäten. Auch sie brauchten mehr Freiheiten, etwa bei der Studentenauswahl und der Erhebung von Studiengebühren. Gleichzeitig müssten sie die Möglichkeit erhalten, effiziente Managementstrukturen aufzubauen. Aufgabe des Landes bleibe es, ein tragfähiges Zukunftskonzept mit klar strukturierten Schwerpunkten in Lehre und Forschung zu entwickeln und die saarländischen Hochschulen über Zielvereinbarungen auf seine Einhaltung zu verpflichten. Das Fehlen eines solchen Konzeptes zeige sich schmerzhaft an der derzeitigen Diskussion um die Ingenieurausbildung im Saarland. „Die Wirtschaft braucht dringend mehr Ingenieure“, so der IHK-Präsident. „Deshalb brauchen wir auch an der Saar weiterhin ein hochwertiges Studienangebot – und ein Gesamtkonzept, das die Ressourcen von Universität und Fachhochschule in eine sinnvolle Arbeitsteilung einbindet.“

  • Bei der Gewerbesteuer warten die Unternehmen auf die Umsetzung der für dieses Jahr versprochenen zusätzlichen Entlastung. IHK-Vizepräsident Rolf Schneider: „Wir wissen um die schwierige Haushaltslage des Landes. Diese war aber auch 2001, als das Landesprogramm zur Absenkung der Gewerbesteuerhebesätze in Kraft trat, nicht grundsätzlich besser. Dass diese Entscheidung dennoch richtig war, zeigen die überdurchschnittlichen Wachstumsraten des Saarlandes in den Jahren 2001 und 2002. Wir appellieren deshalb an die Landesregierung, die versprochene zweite Stufe der Hebesatzsenkung möglichst rasch zu realisieren.“

  • Mit Sorge betrachtet die IHK, dass einige Kommunen dazu übergegangen sind, mit Eigenbetrieben oder scheinprivatisierten Unternehmen auf Märkte zu gehen, die eigentlich nur privaten Unternehmen offen stehen sollten. Allein die Stadt Saarbrücken habe rund 80 solcher Betriebe, die gegenüber privaten Anbietern zahlreiche Wettbewerbsvorteile hätten. Ordnungspolitisch geboten wäre es deshalb, solche Unternehmen nur noch dann zuzulassen, wenn die Gemeinde nachweist, dass die von dem kommunalen Unternehmen angebotene Leistung nicht privat erbracht werden kann; bisher tragen die Unternehmen dafür die Beweislast. Ein entsprechender Vorschlag der saarländischen Wirtschaftsorganisationen zur Novellierung des kommunalen Selbstverwaltungsgesetzes (KSVG) sei nach langer Beratungszeit inzwischen so verwässert worden, dass der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen weiterhin Tür und Tor geöffnet seien. „Wir erwarten deshalb mehr Mut von der Landesregierung, auch einmal gegen die Lobbyinteressen der Gemeinden einen Schritt nach vorne zu gehen. Wenn die Bereitschaft dazu fehlt, sollte man das Vorhaben lieber ganz aufgeben – ein Beitrag zum Thema „Aufsteigerland“ wäre das freilich nicht,“ so Schneider.

  • Eine schwere Hypothek für den Wirtschaftsstandort Saar seien auch die enorm hohen Krankenhauskosten. Diese lägen je Versicherten um mehr als ein Drittel über dem Bundesdurchschnitt. Die IHK erwartet deshalb von der Landesregierung, dass sie beim Abbau der vorhandenen Überkapazitäten deutlich über die im Krankenhausplan 2001 – 2004 vorgesehenen Kürzungen hinausgeht.

  • Reformbedarf sieht die IHK auch beim Bildungsfreistellungsgesetz. Die hälftige Anrechnung von Urlaubstagen (3+3-Lösung), die jetzt in der politischen Diskussion ist, könne nur ein erster Schritt auf dem Weg zur vollständigen Aufhebung der gesetzlichen Bildungsfreistellung sein.

  • Die flaue Konjunktur und die restriktivere Kreditvergabe der Banken erschwerten gerade mittelständischen Unternehmen die Finanzierung wichtiger Investitionen. „Um so wichtiger ist es aus Sicht der IHK,“ so Schneider, „dass die bewährten Instrumente der Mittelstandsförderung – wie Außenwirtschaftsförderung, Innovationsförderung, Existenzgründungsförderung oder Beratungskostenzuschüsse – weiter in vollem Umfang zur Verfügung stehen“.

Statement von IHK-Präsident Dr. Richard Weber anlässlich der Frühjahrspressekonferenz der IHK Saarland am 6. Mai 2003
Statement von IHK-Vizepräsident Rolf Schneider anlässlich der Frühjahrspressekonferenz der IHK Saarland am 6. Mai 2003