'Start frei!'
IHK Saarland regt Initiative für Existenzgründer an
19.12.2002
„Existenzgründer sollen in den ersten vier Jahren von den Beiträgen zur IHK freigestellt werden. Das sieht der Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung vor.
Keine Frage: Deutschland braucht mehr Unternehmer und eine neue Kultur der Selbständigkeit, wenn es seine Wachstums- und Arbeitsmarktschwäche nachhaltig überwinden will. Dazu gehört dann ohne Zweifel auch der schrittweise Abbau finanzieller und bürokratischer Barrieren, die Gründungwillige auf ihrem Weg in die Selbständigkeit behindern und Jungunternehmern die Bildung von Eigenkapital erschweren. Die IHKs plädieren schon lange für eine solche Initiative.
Die Befreiung der Gründer von IHK-Beiträgen hat indes kaum mehr als eine symbolische Bedeutung. Denn die allermeisten Gründer und Jungunternehmen zählen bereits zu jenem Drittel der IHK-Mitglieder, das von den Beiträgen befreit ist. Selbst für diejenigen Gründer, die gleich mit einer GmbH starten und/oder vom Start weg ordentliche Gewinne ausweisen, fällt der IHK-Beitrag faktisch kaum ins Gewicht.
Der Vorschlag der Koalition bedarf deshalb dringend der Anreicherung und Ergänzung um weitere Module. Wir sollten ihn zum Nukleus einer umfassenden Gründerinitiative in Deutschland machen. Ziel muss es sein, eine neue Gründerzeit einzuleiten. Eine solche Initiative – nennen wir sie „Start frei“ oder als Variante für Bayern und Sachsen „Freistart“ – könnte etwa folgende Elemente enthalten:
Freistellung von Steuern
Wir alle wissen, dass es für Gründer und junge Unternehmen heute schwieriger ist denn je, eine tragfähige Finanzierung für die Startphase zu sichern. Die Globalisierung der Finanzmärkte und die daraus resultierende restriktivere Kreditvergabe der Banken haben die Probleme gerade in jüngster Zeit weiter verschärft. Umso wichtiger ist es, Gründern und Jungunternehmen bessere Möglichkeiten zu geben, zügig Eigenkapital aufzubauen. Deshalb sollten wir Jungunternehmen in den ersten vier Lebensjahren vollständig von der Einkommen- und Körperschaftsteuer befreien.
Wie zu hören ist, denkt die Bundesregierung bereits in eine ähnliche Richtung. In der Diskussion ist ein Freistellungsgesetz für Existenzgründer, wonach alle Kleinstfirmen weitgehend von Steuern und von der damit verbundenen Bürokratie befreit werden sollen. Unternehmer mit Einkünften bis 25.000 Euro sollen künftig bis zu 50 Prozent pauschal als Betriebsausgabe von dieser Summe abziehen können. Nur der Rest wäre dann zu versteuern.
Der Grundgedanke ist richtig. Doch warum nicht weitergehen? Warum Jungunternehmen nur schonen, so lange sie Kleinstunternehmen sind? Warum nicht auch die Erfolgreichen mit einbeziehen, die in den ersten vier Jahren rasch wachsen und neue Arbeitsplätze schaffen? Gerade sie helfen uns doch, die Arbeitsmarkt- und Wachstumsschwäche zu überwinden.
Befreiung von bürokratischen Hemmnissen
Gesetzliche und bürokratische Auflagen kosten den Gründer in Deutschland viel Zeit und Geld. Wir sollten ihn in der Startphase so weit wie möglich davon befreien. Setzen wir also für die ersten vier Lebensjahre der Unternehmen Regelwerke wie die Arbeitsstättenverordnung, das Arbeitssicherheitsgesetz, die Arbeitszeitordnung oder auch den Kündigungsschutz außer Kraft. Ab dem 5. gelten sie dann wieder uneingeschränkt.
Natürlich könnte das dazu führen, dass Menschen vorübergehend in „Garagen“ arbeiten – in Räumen also, die gemessen an unseren Vorschriften, weder über genug Fensterfläche, noch über die nötige Deckenhöhe, noch über eine hinreichende Befliesung der Sanitäranlagen verfügen. Doch warum soll in Deutschland nicht möglich sein, was in den USA erlaubt ist und dort Erfolgsstorys wie Microsoft hervorgebracht hat?
Erfreulich ist, dass langsam Bewegung in die Diskussion kommt. Die IHK-Organisation erarbeitet zurzeit auf Bitte des Bundeswirtschaftsministers Vorschläge für einen „Small Business Act“, der den Abbau bürokratischer Hemmnisse zum Ziel hat.
Tariffreie Zeitzone
Gefesselt fühlen sich Unternehmen auch durch tarifvertragliche Bindungen und Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Befreien wir junge Unternehmen also auch von diesen Fesseln. Gründer könnten dann praktisch in einer Vier-Jahreszone ohne Tarifbindung starten. Sie könnten mit ihren Mitarbeitern Abschlüsse vereinbaren, die unterhalb des tarifvertraglichen Lohnniveaus liegen. Im Gegenzug könnten sie ihnen eine Beteiligung am Unternehmenserfolg bieten. In der new economy war und ist dies gängige Praxis. Warum sollten wir es nicht allen Gründern ermöglichen. Geringere Arbeitskosten in der Startphase könnten die Wachstumsfinanzierung wesentlich erleichtern und sich dank Erfolgsbeteiligung letztlich auch für die Mitarbeiter auszahlen.
Handelsregister an IHKs
Gründungen verzögern sich bisweilen durch eine eher schleppende Eintragung ins Handelsregister - im Saarland weniger, in einigen anderen Bundesländern mehr. Das Problem lässt sich einfach lösen. Die Politik muss nur eines tun: die Führung des Handelsregisters auf die IHKs und HWKs übertragen. Eine höhere Effizienz und Kundenorientierung wäre die erwünschte Folge – nicht nur für vier Jahre, sondern auf Dauer.
Die IHKs sind im Rahmen eines solchen Gesamtkonzepts sicherlich bereit, nicht nur finanziellen Verzicht zu üben sondern zugleich auch ihr Serviceangebot für Gründer nochmals zu erweitern. Unsere IHK hat dazu mit ihrem Gründerzentrum und der Betreuung der Business Angels bereits erhebliche Vorleistungen erbracht. Dennoch gibt es Spielraum für weitere Verbesserungen. Wir werden ihn nutzen.
Mit einer so oder ähnlich gestrickten Initiative hätten wir in Deutschland ausgezeichnete Chancen, eine neue Gründerzeit einzuleiten. Packen wir’s an!“
Ansprechpartner:
Volker
Giersch
(06 81)
95 20-1 00