Positionen

Kennzahl: 17.920

Teures Nass

Von Volker Giersch
Kommentar

01.03.2005

Teures Nass Den saarländischen Kommunen steht das Wasser bis zum Hals - finanziell gesehen. Und dies, obwohl die Einnahmen aus der Gewerbesteuer wieder kräftiger sprudeln und die Hebesätze dieser Kommunalsteuer höher sind als anderswo. Vielfach, so klagen die Kommunen, reiche das Geld nicht einmal, um notwendige Erhaltungsinvestitionen durchzuführen.

Wer mit offenen Augen durchs Land tourt, findet dafür allenthalben Beispiele – sichtbare und spürbare. Manche Straße gleicht einer Rüttelpiste, mancher Kreisel präsentiert sich als ödes Rund, viele Sportstätten sind sanierungsbedürftig. Keine Frage also: Es gibt mit Blick auf die kommunalen Infrastrukturen beträchtlichen Handlungsbedarf. Entsprechend laut erschallt der Ruf der Gemeinden nach mehr Geld. Doch woher nehmen? Das Land selbst ist hoch verschuldet und im Bund sieht es nicht viel besser aus. Da sollten die Kommunen, statt über mangelnde Einnahmen zu lamentieren, erst einmal ihre Ausgaben und Leistungsstandards kritisch durchforsten. Denn hier schlummert noch beträchtliches Einsparpotenzial.

Zu viele und zu kleine Schwimmbäder ...

Bei den Schwimmbädern etwa. Mit ihren 62 Hallenbädern, 44 Freibädern und drei Naturbädern sind unsere 52 Kommunen einsame Spitze in Deutschland. Die Wasserfläche je Einwohner liegt hierzulande um sage und schreibe 60 Prozent über dem westdeutschen Durchschnitt. „Bei einem Vergleich innerhalb der alten Länder“, so die Erläuterungen in der Sportstättenstatistik, „fällt die besonders gute Versorgung im Saarland auf.“ Selbst wohl situierte Länder wie Bayern und Baden-Württemberg bieten ihren Bürgern weit weniger Badenass.

...mit hohen Defiziten

Auffallend gut ist die Versorgung insbesondere im Bereich der Hallenbäder – gut und vor allem teuer. Denn unsere Hallenbäder sind relativ klein. Die durchschnittliche Wasserfläche liegt um gut ein Viertel unter dem Bundesdurchschnitt. Das geht zu Lasten der Wirtschaftlichkeit. In acht exemplarisch ausgewählten Hallenbädern, die das Gemeindeprüfungsamt im Jahr 2002 unter die Lupe genommen hat, reicht die Spannweite der jährlichen Betriebsverluste von gut 200.000 Euro in Friedrichsthal bis fast 600.000 Euro in Blieskastel. Bei einem durchschnittlichen Defizit von 350.000 Euro errechnet sich für die Gesamtheit der Hallenbäder ein Fehlbetrag von rund 22 Millionen Euro. Nimmt man die Verluste der Freibäder hinzu, ist die 30-Millionen-Grenze rasch überschritten.

... und beträchtlichem Sanierungsbedarf

Schlimmer noch: Die Bäder in unserem Land sind in einem schlechten Zustand. Drei Viertel sind modernisierungs- oder gar sanierungsbedürftig – bundesweit sind es weniger als die Hälfte. Der Befund ist damit ebenso klar wie bedenklich: Wir leisten uns im Saarland viel zu viele Bäder, die meist zu klein sind, viel zu hohe Verluste schreiben und einen immensen Sanierungsbedarf aufweisen.

Die Hauptursache für die Malaise liegt mehr als 30 Jahre zurück. Damals stand die Gebiets- und Verwaltungsreform an. Bevor die ehemals 345 Saar-Gemeinden zu 52 größeren Kommunen zusammengeführt wurden, spendierten viele ihren Bürgern rasch noch ein Bad. Für dessen Finanzierung hatte ja später die neue Kommune aufzukommen. Unter den Folgekosten leiden wir noch heute.

Bleibt die Frage, was zu tun ist, um die Defizite in Zukunft einzudämmen. Eine umfassende Sanierung der Bäder scheidet als Problemlösung aus. Sie wäre gar kontraproduktiv. So rechnen die Gemeindeprüfer vor, dass der Zuschussbedarf dann deutlich steigen und die Defizitsituation weiter verschärfen würde.

Nachhaltigen Erfolg verspricht aus ihrer Sicht allein der Abbau der Überversorgung. Die Kommunen müssen einen beträchtlichen Teil der sanierungsbedürftigen Schwimmbäder schließen. Die Grundstücke und Gebäude sind zu veräußern oder einer anderen Nutzung zuzuführen. Das würde Spielraum schaffen für eine höhere Auslastung der verbleibenden Bäder. Wenn diese dann saniert und kundenorientiert betrieben würden, ließen sich die Defizite drastisch reduzieren. Gefragt sind dazu freilich gemeindeübergreifende Lösungen. Nicht jede Gemeinde braucht ein eigenes Hallen- und Freibad, ein Sport- und Eventzentrum und eine Kulturhalle.

Kommunen müssen mehr regionalwirtschaftliche Verantwortung übernehmen

Leider zeichnen sich solche Lösungen bislang nicht ab. Wo ein Bad geschlossen wird, tritt an seine Stelle meist ein neues, größeres und prunkvolleres. St. Ingbert etwa wird in Kürze „das blau“ eröffnen – mit Sportbecken, Familienbecken, Kinderbecken, Riesenrutsche sowie Whirl- und Saunalandschaft. Investitionsvolumen: gut 16 Millionen Euro. „Tauchfahrt ins Blaue?“ titelte die SZ. Eine Tauchfahrt ins tiefe Rot befürchten manche Experten. Beispiele wie das Calypso-Bad in Saarbrücken und das Schaumbergbad in Tholey zeigen, dass sich selbst Spaßbäder und Wellness-Tempel – richtig gerechnet – kaum ohne massive staatliche Zufinanzierung betreiben lassen.

Aus Sicht der Wirtschaft ist all dies ärgerlich. Denn letztlich sind es die Unternehmen, die die Zeche für die defizitäre kommunale Bäderlandschaft zahlen. Dies in Form überhöhter Gewerbesteuerhebesätze, die eine Mehrbelastung für unsere Wirtschaft von rund 20 Millionen Euro jährlich bedeuten. Höhere Unternehmenssteuern also für kostspielige Badefreuden? Erfolgsstrategien für ein Aufsteigerland sehen anders aus!

Es ist höchste Zeit, dass sich die Gemeinden verstärkt ihrer regionalpolitischen Verantwortung stellen. Und die gebietet es, in allen Bereichen der Daseinsvorsorge sparsam und effizient zu wirtschaften. Allein im Schwimmbadbereich sollte es auf mittlere Sicht möglich sein, die Defizite von 30 auf zehn Millionen Euro zu reduzieren. Im Gegenzug könnten die Gewerbesteuersätze – ganz ohne Landeshilfe – auf das Bundesniveau abgesenkt werden. Das würde dem Standort zugute kommen, private Investitionen anstoßen und die Steuerkraft in unserem Land stärken. All das zum Wohle der Kommunen.