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Trotz Entspannung am Ausbildungsmarkt droht die Ausbildungsplatzabgabe

Von Klaus J. Heller, Vizepräsident IHK Saarland
Kolumne

01.11.2003

Die Lage am Ausbildungsmarkt hat sich in den letzten Wochen deutlich entspannt. Zwar ging – überwiegend konjunkturbedingt – erstmals seit 1999 die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen zurück. Bei der IHK Saarland aber werden fast genauso viele Ausbildungsverträge wie im Vorjahr neu eingetragen.

Dieses bemerkenswerte Ergebnis ist vor allem den Betrieben zu verdanken, die, offensichtlich ihre ursprüngliche Personalplanung außer acht lassend, den einen oder anderen Auszubildenden zusätzlich eingestellt haben. Dafür gebührt ihnen unser besonderer Dank! Wir sind auch überzeugt, dass die Vielzahl der Aktivitäten der IHK, zum Teil gemeinsam mit der „Allianz für mehr Ausbildung“ und dem Medienpartner Saarbrücker Zeitung, zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Auch dafür allen Beteiligten herzlichen Dank für das Engagement.

Im Ranking weiter auf Platz 1

Dass diese Maßnahmen erfolgreich waren, hat auch der Präsident des Landesarbeitsamtes Rheinland-Pfalz/Saarland bestätigt. Erst das letzte Jahresdrittel, in dem Landesregierung, Kammern und Arbeitsämter noch einmal kräftig für die betriebliche Ausbildung warben – so LAA-Chef Schade – habe nochmals einen Lehrstellenschub gebracht. Fast jede fünfte Stelle sei, abweichend von Entwicklungen in den Vorjahren, in dieser Zeit gemeldet worden.

Dass diese Erfolge, auch im Vergleich mit anderen Bundesländern, sehr beachtlich sind, zeigt die Relation der angebotenen Stellen zu den suchenden Bewerbern. Hier konnte das Saarland in den letzten zwei Monaten nochmals deutlich zulegen und belegt mit 98 Stellen auf 100 Bewerbern klar den ersten Platz vor Bayern (94 Stellen), Hamburg (92 Stellen) und Baden-Württemberg (91 Stellen).

Ende September 2003 waren noch 498 Jugendliche ohne einen Ausbildungsplatz, das sind 120 mehr als im Vorjahr. Umgekehrt waren mit 340 aber auch fast genauso viele Lehrstellen unbesetzt. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass durch weitere Aktionen in diesen Wochen noch einiges bewegt werden kann und die Zahl der unvermittelten Bewerber sich noch deutlich reduzieren wird.

Ausbildungsplatzabgabe ist ungeeignet

Dennoch droht die Bundesregierung, unterstützt von den Gewerkschaften, noch für dieses Jahr mit der Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe. Dies würde jedoch mehr schaden als nutzen. Die Förderung der Berufsausbildung und der Ausbildungsbereitschaft der Betriebe muss vielmehr bei der Verbesserung der Standortbedingungen für Unternehmen ansetzen. Dafür sind vor allem Kostenentlastungen entscheidend. Ausbildungsfähige Unternehmen müssen gefördert, motiviert und überzeugt werden – wie es die IHK in ihrer aktuellen Lehrstellenoffensive tut. Die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe, für deren Ausgestaltung es noch keine konkreten Vorstellungen gibt, hätte demgegenüber fatale Konsequenzen:

Das Insolvenzrisiko steigt: Bereits jetzt stehen viele Unternehmen mit dem Rücken zur Wand und können sich Ausbildung schlicht nicht mehr leisten. Eine zusätzliche finanzielle Belastung und zusätzlicher Verwaltungsaufwand würden die Situation verschärfen und weitere Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze gefährden.
Die Ausbildungsbereitschaft sinkt: Viele Betriebe würden sich nach Einführung einer Abgabe von der Ausbildung „frei kaufen“ , weil dies kurzfristig rationaler erscheint. Sie würden ihre gesellschaftliche Verantwortung über Bedarf auszubilden nicht mehr wahrnehmen.
Ausbildung geht am Bedarf vorbei: Die derzeitige Ausbildung im dualen System ist am Fachkräftebedarf der Betriebe orientiert. Ein Modell, das sich stärker an der Nachfrage der Schulabgänger orientiert, läuft am Bedarf vorbei und führt zu planwirtschaftlichem Denken.
Praxisferne und perspektivlose Ausbildung: Es würden mehr außerbetriebliche Ausbildungsplätze entstehen, die kaum Beschäftigungschancen bieten. Die enge Verbindung von Bildungs- und Beschäftigungssystemen – der besondere Vorteil des deutschen Ausbildungssystems – würde aufgehoben.
Steigende Ungerechtigkeit: Eine Ausbildungsabgabe würde nicht mehr, sondern weniger Gerechtigkeit bringen. Viele Betriebe bieten Ausbildungsplätze an, finden aber keine geeigneten Bewerber. Sie werden doppelt bestraft. Zuerst können Sie den Bedarf an Nachwuchskräften nicht decken, dann müssen Sie hierfür auch noch zahlen.

Mit der Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe würde sich der Staat sehenden Auges in die Förderfalle begeben. Ohne nennenswerte Effekte auf zusätzliche Ausbildungsplätze würden Mittel mit großem Aufwand umverteilt. Auch im Saarland hat die anhaltende Diskussion über die Ausbildungsplatzabgabe bereits zu Attentismus geführt. Unsere Lotsen berichten von einer deutlichen Verunsicherung und einer eher abwartenden Haltung vieler Betriebe.

Staatliche Zwangsmaßnahmen mit neuen Belastungen für Unternehmen sind der Irrweg, der nie zum Ziel führt. Wir setzen auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sowie das fortdauernde Engagement der Wirtschaft, wie es im Saarland in den letzten Jahren fast mustergültig geschah. Stellvertretend für viele dieser verantwortungsbewussten Unternehmer, möchte ich an dieser Stelle die Mitglieder der IHK-Vollversammlung nennen, die in diesem Jahr die Zahl der Ausbildungsplätze um 3,4 Prozent gesteigert haben.

Deshalb appelliere ich an alle Partner auf dem regionalen Ausbildungsmarkt in ihren Bemühungen nicht nachzulassen und damit antiquierten Instrumenten wie einer Ausbildungsabgabe endgültig den Boden zu entziehen.