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Veranstaltungshallen - Masterplan nötig!

Von Volker Giersch
Standpunkt

01.09.2008

Zu viel Masse, zu wenig Klasse. Dieser Befund trifft im Saarland auf viele Bereiche der Infrastruktur zu – auch auf den Bereich der Veranstaltungs- und Eventhallen. Insgesamt gibt es hierzulande 22 mittlere und größere Veranstaltungsstätten, die zusammen mehr als 25.000 Sitzplätze bieten. Das ist eine stolze Zahl. Wer genauer hinsieht, bemerkt allerdings rasch: Die Struktur des Angebots ist alles andere als optimal. Es gibt Überkapazitäten im mittleren Segment und Defizite in der Spitze.

Am größten ist die Dichte an Veranstaltungsstätten mit drei Kongress- und Veranstaltungszentren sowie fünf Eventhallen im Großraum Saarbrücken. Für Großveranstaltungen stehen hier die Saarlandhalle, die Congresshalle, das Messegelände, das E-Werk in Burbach sowie die Gebläsehalle in Völklingen zur Verfügung. Raum für Veranstaltungen mittlerer Größe bieten das Schloss und die „Garage“ in Saarbrücken, das Eventhaus „Alte Schmelz“ und die Stadthalle in St. Ingbert, die Fischbachhalle in Quierschied oder auch die „Werkstatt Industriekultur“ in Göttelborn.

Zu viele Hallen im mittleren Segment

Problematisch ist, dass das Angebot die Nachfrage um Einiges überschreitet. Die Auslastung der meisten Hallen lässt deshalb zu wünschen übrig – und damit auch die Wirtschaftlichkeit. Die Einnahmen aus der Nutzung decken vielfach nicht einmal die laufenden Kosten, geschweige denn die Kapitalkosten. Kaufmännisch gerechnet dürften sich die jährlichen Verluste saarlandweit zu einem zweistelligen Millionenbetrag aufaddieren.

Keine Frage: Wettbewerb auf der Angebotsseite ist gut. Doch ein Angebot, das durch Überkapazitäten geprägt ist, mündet leicht in einen Wettbewerb, in dem alle verlieren. So ist es im Saarland. Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil die Hallen – jedenfalls ganz überwiegend – in staatlicher Trägerschaft stehen und die Verluste aus Steuern finanziert werden.

Dieser Befund lässt sich freilich auch positiv wenden: Es gibt gute Chancen, die Verluste im Hallenbereich deutlich und nachhaltig zu reduzieren. Dazu müsste die Struktur des Angebots allerdings schrittweise an die Nachfragestruktur angepasst werden. Die Kosteneinsparungen, die sich dadurch im mittleren Bereich erzielen lassen, könnten dann im gehobenen Segment in Qualität investiert werden.

Defizite in der Spitze

Was derzeit fehlt, ist vor allem eine Eventhalle, die mehr als 5.000 Besucher fasst, die damit die Mindestgröße für Großveranstaltungen im Fernseh- und Popbereich aufweist und die zudem auf dem neuesten technischen Stand ist. Die in die Jahre gekommene Saarlandhalle genügt den Anforderungen der Zeit längst nicht mehr.

Nach einer zweieinhalbjährigen Diskussionsphase mit viel Hin und Her scheint jetzt eine Entscheidung in Sicht: Eine neue Eventhalle mit einem Fassungsvermögen von bis zu 8.000 Besuchern und 1.700 Parkplätzen soll schon bald auf der Bergehalde zwischen Rodenhof und Jägersfreude errichtet werden. Geschätztes Investitionsvolumen: 50 Millionen Euro.

Betriebswirtschaftlich rechnen wird sich diese Investition wohl nicht. Regionalwirtschaftlich gesehen schon eher. Denn eine Top-Eventhalle könnte der Region in vielerlei Hinsicht positive Impulse geben. Ein größeres Angebot an attraktiven Sport-, Show- und Konzertveranstaltungen wäre nicht nur ein Gewinn für den Kultur- und Freizeitwert der Region. Es würde auch zusätzliche Besucher von außerhalb anlocken. Zudem könnten aus dem Saarland dann wieder große Shows wie „Wetten dass…?“ ausgestrahlt werden, die die Blicke der Fernseh-Zuschauer auf unser Land lenken würden. Ob solche Veranstaltungen die damit verbundenen hohen Kosten rechtfertigen würden, ist eine freilich andere Frage, über die man dann zumindest trefflich streiten könnte.

Schade ist, dass ein anderer Standort für die Halle zu schnell verworfen wurde: der Standort Messegelände. Mit dem Bau einer Top-Eventhalle auf oder nahe dem Messegelände hätte man gleich zwei Ziele auf einen Schlag erreichen können: eine nachhaltige Aufwertung des Messestandortes Saarland und die Auslastung der neuen Halle auch mit messenahen Veranstaltungen. Messen mit größerem Kongressteil liegen derzeit ja im Trend. Die Verbundvorteile von Messe und Kongressnutzung wären wohl beträchtlich gewesen. Mit Blick auf die angespannten Finanzen im Land sollte es eigentlich eine Pflichtübung sein, bei größeren Investitionen jeweils intensiv zu prüfen, ob und welche Synergien sich erschließen lassen.

Dieses Postulat muss dann auch für ein weiteres Projekt gelten, das in jüngster Zeit öffentlich diskutiert wird: den Bau einer anspruchsvollen Konzerthalle – einer saarländischen Philharmonie. Promoter dieses Projekts ist ein neu gegründeter Förderverein, dem wichtige Kulturträger angehören. Und es kursieren bereits erste Planungen für die neue Philharmonie: Sie soll – als „Haus in der Halle“ – ins Saarbrücker E-Werk eingebettet werden, rund 1.300 Zuhörer fassen und bis zu 40 Millionen Euro kosten.

Der vorliegende Entwurf des Architekten Stephan Braunfels hat durchaus viel Charme. Er vereint Größe und Intimität, saarländische Industriegeschichte und gehobene Konzertarchitektur. Von Vorteil ist überdies, dass der Umbau einer bestehenden Halle keinen weiteren Zuwachs an Hallenkapazität  mit sich bringt.

Insgesamt bleiben aber noch viele Fragen offen: Wie soll die Finanzierung aussehen? Mit welcher Auslastung ist zu rechnen? Werden die zu erwartenden Einnahmen die laufenden Kosten decken können? Und: Inwieweit würde eine neue Saar-Philharmonie die Wirtschaftlichkeit der Congresshalle beeinträchtigen, die ja gerade erst zu einem durchaus geeigneten Konzertsaal umgebaut wurde?

Bessere Chancen durch Gesamtstrategie …

Diese Fragen offenbaren dann auch trefflich, woran es bislang vor allem mangelt: an einer fundierten Gesamtstrategie, die darauf zielt, mit einer bestmöglich abgestuften Halleninfrastruktur und einem konzertierten Marketing einen möglichst großen Anteil am Wachstumsmarkt Veranstaltungen/Kongresse/Konzerte zu erreichen.

Die Devise muss also heißen: Weg von der Einzelbetrachtung hin zur Gesamtsicht. Eine solche Gesamtstrategie gilt es rasch zu entwickeln. Sie muss auf einer sorgfältigen Marktanalyse aufbauen, die Chancen unseres Landes im deutschen und europäischen Markt sorgsam ausloten und in einen Masterplan für die künftige Entwicklung unserer Hallen münden.

Die Mühe wird sich lohnen. Denn der Markt ist riesig. Und er wächst weiter. Allein im Bereich Kongresse, Fachtagungen und Seminare nahmen 2008 in Deutschland 314 Millionen Menschen an 2,8 Millionen Veranstaltungen teil, die im Durchschnitt 1,4 Tage dauerten. Der Teilnehmerzuwachs gegenüber dem Vorjahr betrug immerhin acht Prozent.

… und gemeinsames Marketing

Wie nicht anders zu erwarten, spielt die Musik vor allem in den Großstädten und wirtschaftlichen Verdichtungsräumen. Das Saarland partizipiert an der Marktentwicklung bislang weit unterdurchschnittlich – auch deshalb wohl, weil seine Attraktivität als Kongress- und Veranstaltungsort bislang als eher niedrig eingeschätzt wird. In einer Experten- und Veranstalterbefragung landete es im Reigen der Bundesländer kürzlich erst auf dem vorletzten Platz. Man kann dies bedauern. Oder es als Chance und Herausforderung sehen, die eigene Position in den kommenden Jahren deutlich zu verbessern und Marktanteile hinzu zu gewinnen.

Dazu wird es freilich auch nötig sein, beim Marketing und bei der Akquisition von Kongressen, Fachtagungen, Messen und Konzerten künftig enger als bisher zusammen zu arbeiten. Es gilt, die wichtigsten Akteure an einen Tisch zu holen und dort die Chancen für ein gemeinsames Marketing auszuloten. Wenn es gelingt, die Kräfte zu bündeln, lässt sich mit gleichem Aufwand mehr erreichen. Davon würden nicht nur die Betreiber der Hallen, sondern auch Hotelgewerbe, Gastronomie und Handel profitieren.