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Vermögensteuer ruhen lassen

01.10.2002

Die Grenzen der Steuerbelastung und der Kreditaufnahme sind längst erreicht. Für die Neiddiskussion um eine Wiedererhebung der Vermögensteuer ist kein Raum. Beim Verzicht auf die allgemeine Vermögensteuer in der Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1995, standen standortpolitische und erhebungstechnische sowie verfassungsrechtliche Überlegungen im Vordergrund. So werden in einer Vielzahl der mit Deutschland im Wettbewerb stehenden Länder wie Belgien, Griechenland, UK, Irland, Finnland, Schweden, Italien, Österreich auf Betriebsvermögen keine Vermögensteuern erhoben und auch auf Privatvermögen wird eine Vermögensteuer vielfach nicht erhoben.

Zu erinnern ist auch daran, dass die Vermögensteuer vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der Ungleichbehandlung von Grundvermögen mit anderen Vermögen gescheitert ist. Eine neue Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes würde einige Jahre in Anspruch nehmen und wäre mit einem Milliardenaufwand verbunden, den sich der Staat im Augenblick nicht leisten kann. Würde man sich für eine einfache Fortschreibung durch ein Zuschlagsverfahren entscheiden, wäre dies nicht nur mit großen Unsicherheiten verbunden, sondern es müsste auch mit einer Flut von Einsprüchen und Verfassungsbeschwerden gerechnet werden im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Dies gilt auch für den Fall einer Privatvermögensteuer im Hinblick auf die Abgrenzung von Privat- und Betriebsvermögen.

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Gesamtbelastung nur so bemessen werden darf, dass die Substanz des Vermögens, den Vermögensstamm, unberührt lässt und aus den Erträgen entrichtet werden kann. Die Gesamtbelastung muss zudem bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleiben (Halbteilungsgrundsatz). Dieser Halbteilungsgrundsatz wäre bei den gegenwärtigen Steuersätzen gröblichst verletzt. Nicht jedes Vermögen wirft ein hohes Einkommen ab und manche Vermögen sind sogar ertraglos. Zudem darf nicht vergessen werden, dass das Vermögen aus versteuertem Einkommen gebildet wird und dass die Erträge, so denn welche anfallen, wiederum besteuert werden.

Im übrigen muss darauf hingewiesen werden, dass die Entlastung der sogenannten „Reichen“ aufgrund der Nichterhebung der Vermögensteuer ab 01.01.1997 weitgehend durch Steuerverschärfungen an anderer Stelle ausgeglichen wurde. So durch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf 3,5 Prozent, durch Erhöhung des Erbschaftsteuertarifs um 2 Prozentpunkte, durch höhere Bewertungsansätze bei Grundstücken und durch einen geringeren Bewertungsabschlag beim Betriebsvermögen.

Betrachten wir abschließend noch die Entwicklung der Zinsen für Anlagekapital. Würde der Steuerzahler zusätzlich zur Einkommensteuer und dem Solidaritätszuschlag auch noch Vermögensteuer für die inzwischen „verdorrten“ Zinserträge zahlen müssen, wird er sich die Frage stellen, warum er dann noch sein Geld in Deutschland lassen und nicht in ein Nachbarland überweisen sollte, das hierauf weder Einkommensteuer noch Vermögensteuer erhebt. Kein Bauer würde noch sein Feld pflügen, wenn die Ernte geringer ist als das Saatgut. Ein Staat, der seine Einnahmemöglichkeiten erschöpft hat, sollte weniger wichtige Ausgaben und Aufgaben abbauen, um sich so die notwendigen finanziellen Freiräume zu verschaffen.

Rolf Schneider
Vizepräsident der IHK Saarland und Vorsitzender des Steuerausschusses beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag