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Wachstum ist die beste Sozialpolitik

Im Blickpunkt
Von Dr. Heino Klingen

07.06.2018

Siebzig Jahre Soziale Marktwirtschaft

„Die Lösung liegt nicht in der Division, sondern in der Multiplikation des Sozialprodukts.“ (Ludwig Erhard)

Am 24. Juni jährt sich zum siebzigsten Mal der Tag, an dem Ludwig Erhard die Freigabe der Preise in Deutschland verkündete. Mit der kurz zuvor eingeleiteten Währungsreform war das quasi der Startschuss für den Beginn der Sozialen Marktwirtschaft. Und damit auch der Auftakt für eine Erfolgsgeschichte, in deren Verlauf es Deutschland binnen eines Jahrzehnts gelang, sich aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs zu einer führenden Wirtschaftsmacht in Europa zu entwickeln. In den Geschichtsbüchern wird diese Zeit mit Bildern von plötzlich über Nacht gefüllten Geschäften und Schaufenstern umrankt. Mythos und Realität vermischen sich hier. Doch was soll‘s? Fest steht heute: Nicht der Tag der Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949, sondern die Tage im Juni 1948 markieren „den entscheidenden Neubeginn in Staat und Wirtschaft“, so der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser.

Auch wenn der Begriff der Sozialen Marktwirtschaft zum Markenzeichen der deutschen Wirtschaftspolitik geworden ist: Erhard mochte ihn nicht. Für ihn war die Marktwirtschaft per se sozial. Sie müsse deshalb nicht erst sozial gemacht werden. Denn sie sorge aus sich heraus – eine faire Wettbewerbsordnung vorausgesetzt – für eine Vergrößerung des Sozialprodukts und verbessere so die Lage der sozial Schwächeren bereits im Marktgeschehen. Staatliche Umverteilung jenseits der progressiven Besteuerung sei deshalb überflüssig und schade sogar, da sie die für den Wettbewerb unverzichtbaren Leistungsanreize schwäche und Anspruchsmentalitäten schaffe. Vom Sozial- und Wohlfahrtsstaat, wie er sich später entwickelte, hielt Erhard deshalb nicht viel. Das zeigte sich bereits 1957, als er die von Konrad Adenauer durchgesetzte Rentenreform unter anderem mit dem Argument ablehnte, dass eine durch Lohnersatzleistungen definierte Rente die Eigeninitiative und private Vorsorge einschränke. Kurzum: Soziale Marktwirtschaft im Erhardschen Sinne heißt mehr Markt und Eigenverantwortung, statt staatlicher Gängelung und Umverteilung.

Vor diesem Hintergrund bedarf es nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie Erhard die Arbeitsmarkt-, Sozial- und Rentenpolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte beurteilen würde. Geschenkt. Viel interessanter wäre es zu wissen, was er tun würde, um den Menschen die Angst vor den großen Herausforderungen der Zukunft zu nehmen – vor Digitalisierung, künstlicher Intelligenz sowie sozialem Abstieg und massenhaftem Arbeitsplatzverlust. Vermutlich würde er zunächst süffisant konstatieren: Da gebt ihr fast ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung (immerhin über 900 Milliarden Euro) für Renten, Sozialhilfe, Grundsicherung, Kindergeld und dergleichen aus. Und trotzdem lamentiert ihr über die Zukunft der sozialen Sicherung. Habe ich es euch nicht gesagt: Die „Aufblähung der öffentlichen Haushalte“ führt nicht „zur Minderung der Lebensangst.“

Den Menschen Mut machen und sie befähigen

Doch dann würde er den Menschen Mut machen. Denn Erhard war Optimist, er glaubte an die Wirkung der positiven Botschaft. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde er deshalb die Chancen der neuen Technologien preisen. Dass sie uns alle reicher machen, das Leben erleichtern und uns mehr eigenbestimmte Zeit schenken. Er wusste, dass das Wirtschaftsgeschehen von der inneren Verfassung der Menschen und ihrem Verhalten abhängt. Optimismus oder Pessimismus – beides würde harte wirtschaftliche Fakten schaffen. Und eben deshalb würde er Aufbruchsstimmung verbreiten – durch einen „psychologischen Feldzug, der in Deutschland gemeinhin als Seelenmassage bezeichnet wird.“

Natürlich war er nicht so naiv zu glauben, damit wäre es getan. Vermutlich würde er deshalb seine Seelenmassage mit konkreten wirtschaftspolitischen Vorschlägen versehen. Etwa einer stärkeren Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen, damit sie ein zweites Standbein neben dem Arbeitseinkommen erhielten. Die marktbeherrschenden Digitalkonzerne würde er aufs Korn nehmen und zur Kasse bitten, damit diese sich wie alle anderen Unternehmen auch an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen. Für mehr Bildung würde er sich einsetzen, ganz im Sinne seines Ideals, dass der Staat den Einzelnen zu befähigen habe, „das Risiko des Lebens selbst zu tragen.“ Und vermutlich würde er sich für eine neue Gründerkultur einsetzen. Ganz sicher nicht enthalten in seiner Agenda wäre ein solidarisches Grundeinkommen. Denn das widerspräche seinem Menschenbild und dem Geist der Sozialen Marktwirtschaft – dem Versprechen von Aufstieg und sozialer Sicherheit durch Wachstum.

Als Wirtschaftsminister war Ludwig Erhard eine Ausnahmeerscheinung. Gerade in den heutigen Zeiten des Umbruchs bräuchten wir jemanden wie ihn. Einen Wirtschaftsminister, der die Menschen mitnimmt und ihnen Mut macht. Peter Altmaier hat das Zeug dazu. Hic Rhodus, hic salta – zeige, was du kannst!