Wagenburg im Autoland?
IHK-Vizepräsident Paul-Martin Milius
Kolumne
01.04.2009
Jeder hat die Szene schon einmal im Film gesehen: Hinter einer Wagenburg verschanzte Siedler verteidigen Hab und Gut sowie Leib und Leben gegen heranstürmende Scharen wilder Angreifer. Was als Schutzmechanismus in weniger zivilisierten Zeiten hilfreich war, wird offenbar auch noch heute als brauchbar angesehen.
Noch anlässlich jeder Krise wurde und wird die „Wagenburg-Strategie“ beschworen: Verschanzen hinter den Landesgrenzen und mit „Bordmitteln“ überwintern. Das ist zwar gut für das „Wir-Gefühl“ und die Rückbesinnung auf eigene Stärken und Tugenden. Es ist aber schlecht, wenn dabei eigentlich überwundene Denkmuster ebenfalls wieder hochkommen: „Buy-American“ und „British Workers First“, Rufe nach Importbeschränkungen und neuen Zollschranken ertönen ebenso wieder wie Forderungen nach Subventionen, die möglichst nur einheimischen Arbeitsplätzen zugute kommen sollen.
Taugt die internationale Arbeitsteilung nicht mehr als zukünftiges Wirtschaftsmodell? War es falsch, als Nation, Bundesland oder Unternehmen auf den Export zu setzen? Zweimal ein entschiedenes „Nein“: Der in Deutschland erreichte Wohlstand beruht zum Großteil auf den Erfolgen als „Exportweltmeister“. Und der Exportanteil an der Industrieproduktion ist im Saarland noch höher als im Bundesdurchschnitt. Auch wenn jetzt der Einbruch der Ausfuhrmengen bei uns mindestens auf Bundesniveau liegen wird – eine über Protektionismus eingeleitete Rückkehr zur Selbstversorgungswirtschaft taugt aber weder kurz- noch langfristig als Gegenstrategie.
Schauen wir zurück: Schon in der Weltwirtschaftskrise ab 1929 hat der Protektionismus zur Abschottung und damit zu einem drastischen Rückgang des Welthandels geführt – erst so wurde aus einer Rezession mit Börsencrash die Weltwirtschaftskrise. Damals zogen breite Importbeschränkungen in den USA gleichartige Maßnahmen in den Ländern aller Handelspartner nach sich – dass dies auch heute noch so ablaufen würde, deuten die Zeitungsmeldungen der letzten Wochen bereits an.
Die Erfahrung vergangener Krisen verhindert offenbar nicht, dass in Notlagen der nationale Eigennutz von Politikern wiederentdeckt wird - diesmal unter anderem unter der Überschrift „Zielgenauigkeit der Konjunkturpakete“. Es ist ja auch zu verführerisch: Nirgends fühlen sich Politiker wohler als beim Verteilen vermeintlicher Wohltaten und beim Erfüllen menschlicher Urbedürfnisse wie dem nach Schutz. Nur, dass unsere Lebens- und Aktionsräume nicht mehr im Urzustand sind – die Kirchturmperspektive reicht schon lange nicht mehr aus.
Immerhin, die Lage ist nicht hoffnungslos: Es ist nicht mehr üblich, Ausschreibungen einer Kommune nur den ortsansässigen Firmen zugänglich zu machen. Genauso wenig bekommen wir als Verbraucher vorgeschrieben, in Krisenzeiten nur noch einheimische Pasta zu kaufen. Auch bei den Konjunkturpaketen der Bundesländer ist (noch) nicht laut zu hören, dass „Überschwappeffekte“ und „Trittbrettfahrer“ aus anderen Bundesländern zu vermeiden seien.
Nicht ganz so allerdings auf EU-Ebene und der internationalen Bühne: Zwar sind alle Volkswirtschaften gleichermaßen betroffen, weil sie eng miteinander verzahnt sind. Aber die logische Konsequenz, daher auch eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, hat sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Dabei spricht vieles dafür - gerade aus saarländischer Sicht:
Beschränkungen des Welthandels sind besonders schlecht für eine Volkswirtschaft, in der jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängt. Im Saarland ist es übrigens jeder dritte.
Schutz vor Konkurrenz geht immer zu Lasten der Käufer und Verbraucher: Höhere Preise sind fast ebenso zwangsläufig die Folge wie eine Innovationsschwäche bei den Produzenten mangels Konkurrenz.
Autarkie mit dem Prinzip Selbstversorgung würde das Rad der über Jahrhunderte erreichten Wohlstandsgewinne durch Welthandel zurückdrehen – dies macht wirtschaftlich, politisch, besonders aber entwicklungspolitisch keinen Sinn.
Zumindest innerhalb der EU beginnen sich diese Erkenntnisse durchzusetzen. Hier in SaarLorLux, einem ehemaligen Grenzraum mit fast 200.000 Berufspendlern, tritt die Kurzsichtigkeit rein nationaler Krisenbetrachtung besonders deutlich hervor. Wenn in gemischten deutsch-französischen Belegschaften die Arbeitskollegen den Kauf neuer Autos diskutieren, offenbart sich ein buntes Bild: Der Franzose bekommt keine Abwrackprämie auch dann nicht, wenn er ein deutsches Auto fährt. Falls er ein französisches Auto kauft, kann er die durch Subvention verbilligten Kaufangebote wahrnehmen. Wenn sein deutscher Kollege ein französisches Auto kauft, kann auch er vom subventionierten Preis profitieren. Zusätzlich bekommt er die Abwrackprämie für sein Altauto – selbst für ein französisches Fabrikat. Die Angleichung der Lebensverhältnisse im Binnenmarkt hat dabei sicher nicht als Orientierungspunkt gedient.
Erfreulicherweise ist die deutsche Abwrackprämie nicht an den Kauf eines deutschen Neuwagens gebunden – die Globalisierung sorgt dafür, dass Teile deutscher Zulieferer z.B. auch in französische Autos eingebaut werden. Schöne Pointe: Auch von der staatlichen Hilfe für die französische Automobilindustrie gegen die Zusicherung, nicht im Ausland zu produzieren, profitieren ausländische Zulieferer.
Die „Wagenburg“ funktioniert immer noch nach innen: Kooperationspartnersuche und der Blick auf die unmittelbaren Nachbarmärkte haben Konjunktur. Der Zwang zur Suche nach neuen Verfahren, Produkten und Abnehmern wird stärker. Nach außen aber ist sie schon lange nicht mehr wirksam. Also: Besser keine Wagenburg bauen, sondern weiter die richtigen Autos zu fairem Preis - auch für den Rest der Welt!
Noch anlässlich jeder Krise wurde und wird die „Wagenburg-Strategie“ beschworen: Verschanzen hinter den Landesgrenzen und mit „Bordmitteln“ überwintern. Das ist zwar gut für das „Wir-Gefühl“ und die Rückbesinnung auf eigene Stärken und Tugenden. Es ist aber schlecht, wenn dabei eigentlich überwundene Denkmuster ebenfalls wieder hochkommen: „Buy-American“ und „British Workers First“, Rufe nach Importbeschränkungen und neuen Zollschranken ertönen ebenso wieder wie Forderungen nach Subventionen, die möglichst nur einheimischen Arbeitsplätzen zugute kommen sollen.
Taugt die internationale Arbeitsteilung nicht mehr als zukünftiges Wirtschaftsmodell? War es falsch, als Nation, Bundesland oder Unternehmen auf den Export zu setzen? Zweimal ein entschiedenes „Nein“: Der in Deutschland erreichte Wohlstand beruht zum Großteil auf den Erfolgen als „Exportweltmeister“. Und der Exportanteil an der Industrieproduktion ist im Saarland noch höher als im Bundesdurchschnitt. Auch wenn jetzt der Einbruch der Ausfuhrmengen bei uns mindestens auf Bundesniveau liegen wird – eine über Protektionismus eingeleitete Rückkehr zur Selbstversorgungswirtschaft taugt aber weder kurz- noch langfristig als Gegenstrategie.
Schauen wir zurück: Schon in der Weltwirtschaftskrise ab 1929 hat der Protektionismus zur Abschottung und damit zu einem drastischen Rückgang des Welthandels geführt – erst so wurde aus einer Rezession mit Börsencrash die Weltwirtschaftskrise. Damals zogen breite Importbeschränkungen in den USA gleichartige Maßnahmen in den Ländern aller Handelspartner nach sich – dass dies auch heute noch so ablaufen würde, deuten die Zeitungsmeldungen der letzten Wochen bereits an.
Die Erfahrung vergangener Krisen verhindert offenbar nicht, dass in Notlagen der nationale Eigennutz von Politikern wiederentdeckt wird - diesmal unter anderem unter der Überschrift „Zielgenauigkeit der Konjunkturpakete“. Es ist ja auch zu verführerisch: Nirgends fühlen sich Politiker wohler als beim Verteilen vermeintlicher Wohltaten und beim Erfüllen menschlicher Urbedürfnisse wie dem nach Schutz. Nur, dass unsere Lebens- und Aktionsräume nicht mehr im Urzustand sind – die Kirchturmperspektive reicht schon lange nicht mehr aus.
Immerhin, die Lage ist nicht hoffnungslos: Es ist nicht mehr üblich, Ausschreibungen einer Kommune nur den ortsansässigen Firmen zugänglich zu machen. Genauso wenig bekommen wir als Verbraucher vorgeschrieben, in Krisenzeiten nur noch einheimische Pasta zu kaufen. Auch bei den Konjunkturpaketen der Bundesländer ist (noch) nicht laut zu hören, dass „Überschwappeffekte“ und „Trittbrettfahrer“ aus anderen Bundesländern zu vermeiden seien.
Nicht ganz so allerdings auf EU-Ebene und der internationalen Bühne: Zwar sind alle Volkswirtschaften gleichermaßen betroffen, weil sie eng miteinander verzahnt sind. Aber die logische Konsequenz, daher auch eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, hat sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Dabei spricht vieles dafür - gerade aus saarländischer Sicht:
Beschränkungen des Welthandels sind besonders schlecht für eine Volkswirtschaft, in der jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängt. Im Saarland ist es übrigens jeder dritte.
Schutz vor Konkurrenz geht immer zu Lasten der Käufer und Verbraucher: Höhere Preise sind fast ebenso zwangsläufig die Folge wie eine Innovationsschwäche bei den Produzenten mangels Konkurrenz.
Autarkie mit dem Prinzip Selbstversorgung würde das Rad der über Jahrhunderte erreichten Wohlstandsgewinne durch Welthandel zurückdrehen – dies macht wirtschaftlich, politisch, besonders aber entwicklungspolitisch keinen Sinn.
Zumindest innerhalb der EU beginnen sich diese Erkenntnisse durchzusetzen. Hier in SaarLorLux, einem ehemaligen Grenzraum mit fast 200.000 Berufspendlern, tritt die Kurzsichtigkeit rein nationaler Krisenbetrachtung besonders deutlich hervor. Wenn in gemischten deutsch-französischen Belegschaften die Arbeitskollegen den Kauf neuer Autos diskutieren, offenbart sich ein buntes Bild: Der Franzose bekommt keine Abwrackprämie auch dann nicht, wenn er ein deutsches Auto fährt. Falls er ein französisches Auto kauft, kann er die durch Subvention verbilligten Kaufangebote wahrnehmen. Wenn sein deutscher Kollege ein französisches Auto kauft, kann auch er vom subventionierten Preis profitieren. Zusätzlich bekommt er die Abwrackprämie für sein Altauto – selbst für ein französisches Fabrikat. Die Angleichung der Lebensverhältnisse im Binnenmarkt hat dabei sicher nicht als Orientierungspunkt gedient.
Erfreulicherweise ist die deutsche Abwrackprämie nicht an den Kauf eines deutschen Neuwagens gebunden – die Globalisierung sorgt dafür, dass Teile deutscher Zulieferer z.B. auch in französische Autos eingebaut werden. Schöne Pointe: Auch von der staatlichen Hilfe für die französische Automobilindustrie gegen die Zusicherung, nicht im Ausland zu produzieren, profitieren ausländische Zulieferer.
Die „Wagenburg“ funktioniert immer noch nach innen: Kooperationspartnersuche und der Blick auf die unmittelbaren Nachbarmärkte haben Konjunktur. Der Zwang zur Suche nach neuen Verfahren, Produkten und Abnehmern wird stärker. Nach außen aber ist sie schon lange nicht mehr wirksam. Also: Besser keine Wagenburg bauen, sondern weiter die richtigen Autos zu fairem Preis - auch für den Rest der Welt!