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Was erwartet der Mittelstand von der Steuerpolitik nach der Wahl?

Von Rolf Schneider, Vizepräsident der IHK Saarland
Kolumne

01.06.2002

Die Bundestagswahl im September wirft ihre Schatten voraus. Die Parteien haben ihre Programme vorgelegt, in denen von Steuervereinfachung und Entbürokratisierung die Rede ist. Klassische Wahlkampfthemen also, mit denen man frustrierte und politikverdrossene Wähler gewinnen will. Wie die Vergangenheit jedoch zeigt, sind solche Wahlversprechen nur allzu oft nicht eingelöst worden.

Dabei ist ein einfaches Steuerrecht eine notwendige Voraussetzung, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und insbesondere potenziellen Existenzgründern den Schritt in die Selbständigkeit zu erleichtern. Und über noch eines sind sich die Steuerrechtsexperten mittlerweile einig. Das immer komplizierter werdende Steuerrecht verursacht bei einer zunehmend wachsenden Anzahl von Steuerbürgern eine immer größere Unlust, ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen. Eine umfassende Reform zur Steuervereinfachung ist deshalb dringend geboten. Dieses Ziel hat die jetzige Bundesregierung mit ihrer Steuerreform jedenfalls bisher nicht erreicht. Um wirtschaftliche Dynamik in einem größeren Umfang zu entfesseln, muss die Steuerbelastung schneller und weitgehender sinken, als dies bisher vorgesehen ist. Für Personenunternehmen tritt die volle Tarifsenkung erst 2005 in Kraft, obwohl sich die Gegenfinanzierung bereits jetzt auswirkt. Insbesondere für den Mittelstand bleibt noch viel zu tun. Dies gilt sowohl für kurzfristig zu realisierende steuerliche Maßnahmen als auch für eine mittelfristige Perspektive:

  • Die Gewerbesteuer ist nach einhelliger Meinung der meisten Politiker und Finanzwissenschaftler eine schlechte Steuer. Aus Sicht der Unternehmen verstößt sie gegen die Prinzipien von Leistungsfähigkeit, Äquivalenz und Interessenausgleich und wirkt insbesondere auf Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, wie eine Sondersteuer. Die meisten Länder haben deshalb die Gewerbesteuer bereits abgeschafft. Aber auch aus Sicht der Kommunen ist die Gewerbesteuer nicht unproblematisch, da ihr Aufkommen vom Auf und Ab der Konjunktur abhängig ist und die Einnahmen demzufolge starken Schwankungen unterliegen. Sie muss daher durch eine moderne Kommunalsteuer ersetzt werden, die folgende Anforderungen erfüllt: Beseitigung der Sonderbelastung für Gewerbebetriebe, Verstetigung der Steuereinnahmen der Kommunen, Erhalt des zwischen Kommunen und Wirtschaft bestehenden Bandes sowie Steuervereinfachung. Kurzfristig sind die konzeptionellen Mängel der Gewerbesteueranrechnung zu beseitigen und im Saarland die nächste Stufe des Landesprogramms zur Absenkung der immer noch über dem Bundesdurchschnitt liegenden Gewerbesteuerhebesätze umzusetzen.
  • Die Ökosteuer muss schnellstmöglich abgeschafft werden. Sie hat weder ökologische Effekte, noch führt sie zu einer Senkung der Lohnzusatzkosten. Der administrative Aufwand ist unvertretbar, die steuerliche Benachteiligung insbesondere des Speditionsgewerbes und weiterer Dienstleister ist offenkundig. Die Ökosteuer ist letztlich gescheitert.
  • Die Politik muss sich an die Neuordnung der Kapitalertragsbesteuerung wagen. Kapitalerträge sollten zukünftig mit 25 Prozent und Abgeltungswirkung besteuert werden. Mit einer Repatriierungsabgabe in Höhe von 25 Prozent auf das zurückfließende Kapital muss eine Rückkehrbrücke gebaut werden. Die Kapitalertragsteuer für Gewinnausschüttungen zwischen Kapitalgesellschaften sollte zukünftig entfallen, da hier nach dem Systemwechsel bei der Körperschaftsteuer kein Steueranspruch gesichert werden muss.
  • Wir brauchen dringend eine durchgreifende Reform der Einkommensteuer. Die Realität spricht gerade hier den Bekenntnissen zur Steuervereinfachung Hohn. Die Politik muss sich endlich davon frei machen, permanent Gesetze zur Regelung von Sonderfällen zu erlassen. Steuergesetze sind Gesetze für den Normalfall und müssen für den Normalbürger nachvollziehbar sein. Wenn angesichts der gegenwärtigen öffentlichen Haushaltslage große Nettoentlastungen nicht realistisch sind, so kann es dennoch durch konsequente Vereinfachung des Einkommensteuerrechts einen Entlastungseffekt geben. Durch eine tabulose Beseitigung von Ausnahmetatbeständen sollte die Bemessungsgrundlage verbreitert und der Tarif gesenkt werden. Ziel ist ein flacher Tarifverlauf mit einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent und einem Spitzensteuersatz von 35 Prozent. § Belastungsunterschiede zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften sind abzubauen. Die Besteuerung soll unabhängig von der Rechtsform zu einer vergleichbaren Belastung führen. Die systematisch bedingte Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne bei Beteiligungen für Kapitalgesellschaften darf deshalb nicht zur Disposition gestellt werden. Stattdessen müssen auch Personenunternehmen dieses Instrument in gleicher Weise nutzen können. § Das Reformvorhaben Unternehmensbesteuerung muss fortgesetzt werden. Korrekturen sind insbesondere in den Bereichen Umstrukturierungen, Konzernbesteuerung und Außensteuerrecht erforderlich. Auch erwartet die Wirtschaft, dass zu Beginn der nächsten Legislaturperiode u.a. die Einschränkung des Verlustrücktrages zurückgenommen wird, Nachzahlungszinsen wieder abzugsfähig werden, die verfassungsrechtlich bedenkliche Mindestbesteuerung entfällt und die AfA-Tabellen sich wieder an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten orientieren. § Durch die verschärften Eigenkapitalvorschriften nach Basel II benötigen gerade mittelständische Personenunternehmen mehr Flexibilität bei der Finanzierung des Unternehmens. Mit der Einführung von Pensionsrückstellungen für Personenunternehmer würde sowohl eine Altersversorgung für den Unternehmer sichergestellt als auch der Spielraum der Innenfinanzierung des Unternehmens erweitert.
  • Mit Blick auf die Innenfinanzierung muss auch die Reinvestionsrücklage für Personenunternehmen durch Beseitigung der betragsmäßigen Begrenzung der steuerneutralen Reinvestition noch deutlich verbessert werden.
  • Aufgrund eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes wird die Vermögen- steuer seit 1997 nicht mehr erhoben. Der Ausgleich für den Ausfall der Steuereinnahmen erfolgte u.a. über die Anhebung der Grunderwerbsteuer von 2 Prozent auf 3,5 Prozent, die Erhöhung des Erbschaftsteuertarifs sowie höhere Bewertungsansätze. Es ist endlich an der Zeit, das Vermögensteuergesetz abzuschaffen. Nicht nur damit die unsachliche Neiddiskussion ein Ende hat, sondern auch weil die Vermögensteuer in der Mehrzahl der EU-Länder längst abgeschafft ist.