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Wirtschaftsförderung muss prioritäres Handlungsfeld bleiben - Strukturen gemeinsam weiterentwickeln!

Standpunkt
von Volker Giersch

01.10.2010

In der Wirtschaftsförderung des Landes kündigen sich Veränderungen an. Neben eher allgemein gehaltenen Formulierungen im Koalitionsvertrag sind es vor allem die Landesfinanzen, die Anlass zur Sorge geben. So sehen die bereits beschlossenen Eckpunkte für den Haushalt 2011 überproportionale Einsparungen bei den Investitionen und den sog. freiwilligen Leistungen vor. Von den strukturellen Einsparungen in Höhe von 80 Millionen Euro muss das Wirtschaftsministerium allein 30 Prozent bringen (s. Interview mit Minister Dr. Hartmann auf Seite 6ff.).

Der Druck, bei der Wirtschaftsförderung zu sparen, ist auch deshalb groß, weil bei den Zuwendungen an die Hochschulen – gleichfalls freiwillige Leistungen – keinerlei Kürzungen ins Auge gefasst sind. Im Gegenteil: Für den Zeitraum bis 2013 sind hier Mehrausgaben in Höhe von insgesamt 30 Millionen Euro geplant. Man darf gespannt sein, was für die Förderung der Wirtschaft an Mitteln verbleibt.

„Es ist nicht das Geld da“, sagt der Minister, „um es mit der Gießkanne zu verteilen.“ Deshalb gelte es, die Strukturen effektiver und die Förderung zielgenauer zu gestalten. Alle Programme und Förderungen sollen auf den Prüfstand kommen. Grundsätzlich ist das zu begrüßen. Doch bereits die Vorgänger-Regierungen haben die Strukturen stetig optimiert – und dabei die Erfahrungen von Kammern, Verbänden und anderen Organisationen der Wirtschaftsförderung genutzt. Da ist der Spielraum für weitere Effizienzsteigerungen nicht mehr allzu groß. Zu klären ist dann auch die Frage: Was bedeutet zielgenauere Förderung? Auf welche Branchen, Technologien und Tatbestände soll die Förderung fokussiert werden?

Starke Impulse für Wachstum und Strukturwandel

Unstrittig sollte sein, dass die Wirtschaftsförderung ein zentrales Handlungsfeld der Landesregierung ist – und weiterhin bleiben muss. In den vergangenen Jahrzehnten hat sie maßgeblich dazu beigetragen, die Saarwirtschaft im Strukturwandel voranzubringen. Die Investitionszuschüsse, die im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ geflossen sind, waren bereits in den 60er und 70er Jahren ein wichtiges Instrument der Ansiedlungspolitik. Die Standortentscheidungen von Ford, Bosch, ZF Getriebe – um nur einige zu nennen – fielen nicht zuletzt dank dieser Zuschüsse zugunsten des Saarlandes aus. Gleiches gilt für die Ansiedlung zahlreicher kleiner und mittlerer Unternehmen. Und nicht zu vergessen: Die Investitionsförderung hat vielfach auch geholfen, dass Erweiterungen von Produktionen hier am Standort – und nicht anderswo – vorgenommen wurden.

Gewichtige Impulse kamen und kommen auch unter dem neuen Wirtschaftsminister von den Landesprogrammen der Mittelstandsförderung – sei es durch zinsverbilligte Kredite, sei es durch Bürgschaften oder stille Beteiligungen. All diese Instrumente helfen, den Mittelstand in unserem Land zu stärken und auf diese Weise zahlreiche neue Arbeitsplätze zu schaffen und viele bestehende zu erhalten.

Durch die offensivere Aufstellung der Saarländischen Investitionskreditbank (SIKB), die Stärkung der Bürgschaftsbank und die Gründung der Wagnisfinanzierungsgesellschaft hat die Förderung im vergangenen Jahrzehnt weiter an Effizienz und Wirksamkeit gewonnen.

Mit „Lernziel Produktivität“ schließlich werden saarländische Betriebe wirksam dabei unterstützt, ihre Mitarbeiter zu qualifizieren und sie für neue Anforderungen fit zu machen – gerade vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels ein ausgesprochen sinnvoller Ansatz.

Effizienz durch Bündelung der Kräfte

Charakteristisch für die Wirtschaftsförderung im Saarland ist, dass Landesregierung und Wirtschaftsorganisationen hier traditionell besonders eng zusammenarbeiten. Es sind leistungsfähige und auch effiziente Netzwerke entstanden. Jeder bringt sich mit seinen besonderen Stärken und Kompetenzen ein. Während es in anderen Ländern auf vielen Feldern der Wirtschaftsförderung konkurrierende Einrichtungen gibt, sind die Angebote im Saarland eng verzahnt und komplementär. Sie sind aufeinander abgestimmt und ergänzen sich.

Letzteres gilt insbesondere auch für jene Bereiche, in denen es nicht um unmittelbare Finanzhilfen, sondern um gezielte Information und fundierten Rat geht. Beispiel eins ist die Förderung von Existenzgründern: Hier bietet die „Saarland Offensive für Gründer“ (SOG), die vom saarländischen Wirtschaftsministerium koordiniert wird, umfassende Unterstützung in der gesamten Startphase an. Unser IHK-Gründerzentrum, die Business Angels, die Zentrale für Produktivität und Technologie (ZPT), die Handwerkskammer, die SIKB oder auch die regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften bringen eigene Leistungen ein und arbeiten im Verbund zusammen. Da spielt es kaum eine Rolle, wo ein Gründungswilliger zuerst anfragt – ihm werden immer alle passenden Leistungen der Netzwerkpartner angeboten.

Ähnlich verhält es sich, wenn es um Information, Rat und Unterstützung für bereits bestehende Unternehmen geht. Hier bietet die ZPT als gemeinsame Tochter von Landesregierung, Wirtschaftsorganisationen und weiteren Institutionen kompetente Hilfe. Gleich, ob es um die Erschließung neuer Märkte geht, um die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren, um den Schutz geistigen Eigentums, um die Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und Wirtschaft oder um die Anbahnung von neuen Geschäftskontakten – die Unternehmen erhalten Hilfe aus einer Hand. Eine solche Bündelung von Angeboten sucht man in anderen Bundesländern vergeblich. Dort konkurrieren nicht selten staatliche Institutionen mit den Angeboten der Wirtschaftsorganisationen.

Offensive Wirtschaftsförderung weiterhin nötig

Was die angekündigte Weiterentwicklung der Wirtschaftsförderung betrifft, bleibt bislang noch vieles im Ungefähren. Aus Sicht der Wirtschaft sollte sich die Neuorientierung an vier Eckpfeilern orientieren:

Erstens ist sicherzustellen, dass unser Land, das ja nach wie vor erhebliche strukturelle Herausforderungen zu meistern hat, in der Wirtschaftsförderung nicht hinter das Niveau konkurrierender Regionen zurückfällt. Allein durch die hohen Gewerbesteuerhebesätze haben die Unternehmen hierzulande derzeit bereits eine Sonderlast von 30 Millionen Euro jährlich zu tragen. Es wäre fatal, wenn dann noch Nachteile bei Wachstumsfinanzierung, Innovationsförderung und Absatzförderung hinzukämen. Als Land im Strukturwandel mit einer nach wie vor beträchtlichen Unternehmerlücke und einem deutlich unterdurchschnittlichen Anteil mittelständischer Unternehmen brauchen wir weiterhin eine offensive Wirtschaftsförderung. Ansonsten drohen negative Rückwirkungen auf Wachstum, Beschäftigung und Steuerkraft. Die Zusage des Ministers, dass keine förderfähige Ansiedlung und keine Investition an mangelnder Finanzausstattung scheitern werden, ist insofern ein wichtiges Signal.

Zweitens sollte das Land in der Wirtschaftsförderung an der langjährigen und engen Kooperation mit den Organisationen der Wirtschaft festhalten. Gerade für ein finanzschwaches Land macht es Sinn, die Kräfte zu bündeln und die Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Konkret bedeutet das: Netzwerke wie SOG und gemeinsame Einrichtungen wie die ZPT sollten behutsam und gemeinsam weiterentwickelt werden.

Drittens sollte möglichst bald klargestellt werden, wie das künftige Konzept der Wirtschaftsförderung inhaltlich aussehen soll. Das Postulat „zielgenauere Förderung“ verlangt nach rascher Konkretisierung. Welche Tatbestände der Förderung – etwa Investitionen in neue Kapazitäten, die Erschließung neuer Märkte, die Einbeziehung neuer Produkte oder die gezielte Unterstützung in Krisenzeiten – sollen erhalten bleiben, welche entfallen, welche restriktiver gefasst werden? Soll der Kreis der begünstigten Unternehmen enger begrenzt werden? Und wenn ja, nach welchen Kriterien? Soll es bei den bewährten Instrumenten – Zuschüsse, verbilligte Kredite, Bürgschaften und stille Beteiligungen – bleiben oder soll das Instrumentarium eingeschränkt werden? Eine rasche Klärung der Fragen wäre wünschenswert – und anschließend ein hohes Maß an Kontinuität bis zum Ende der Legislaturperiode.

Es ist hierzulande eine bewährte Praxis, die Programme und Instrumente der Wirtschaftsförderung möglichst gemeinsam mit den Spitzenorganisationen der Wirtschaft weiterzuentwickeln. Deshalb werden wir in einem engen Dialog mit dem Wirtschaftsminister bleiben.

Bodenpflege statt Orchideenzucht

Mit Blick auf die Innovationsstrategie sollte die Devise weiter lauten: „Bodenpflege statt Orchideenzucht“. Konkret heißt das, mit Priorität einen wirtschaftlich fruchtbaren Nährboden zu schaffen, auf dem Unternehmen aller Größen und Branchen wachsen und gedeihen können. Und es bedeutet auch, alle Pflanzen gleich liebevoll zu gießen, statt ausgewählte Exemplare wie etwa Hightech-Gründungen aus definierten Technologiefeldern besonders zu päppeln.

Die erste Innovationsstrategie der CDU-Vorgängerregierung hat seinerzeit noch relativ einseitig auf die Technologiefelder IT und Nano-Bio gesetzt. Dafür wurde sie zu Recht kritisiert – auch von unserer IHK. Die zweite, die unter Einbindung von rund 100 Experten aus Wirtschaft und Forschung entwickelt wurde, war dagegen breit angelegt. Sie hat den gesamten Mittelstand im Fokus und fand deshalb auch die volle Unterstützung aller Kammern und Verbände. Auf dieser Strategie lässt sich weiter aufbauen. Man mag sie in Nuancen ändern, sie an veränderte Gegebenheiten anpassen und sie für möglichst alle Technologiefelder öffnen. Eine radikale Kehrtwendung aber würde unser Land zurückwerfen.

Viertens schließlich gilt auch in Zukunft: Die wirksamste Wirtschaftsförderung sind attraktive wirtschaftsfreundliche Standortbedingungen, die allen zugute kommen: maßvolle Gewerbesteuerhebesätze, konkurrenzfähige Ver- und Entsorgungskosten, kurze Genehmigungsdauern und geringer Genehmigungsaufwand, eine hohe Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte und vieles mehr. Deshalb ist es gut, dass sich Wirtschaftsminister Hartmann auch als „Standortminister“ versteht und über die Zuständigkeit seines Ressorts hinaus für eine Aufwertung des Standortes eintritt. Er hat dabei ganz gewiss die volle Rückendeckung der Wirtschaft.