Wo saarländische Unternehmen der Schuh drückt
Eine Agenda für die Aufwertung des Standortes Saarland
Ergebnisse einer IHK-Unternehmensbefragung
06.10.1997
Gewerbesteuerhebesätze senken
Als wichtigste Maßnahme zur Aufwertung des
Wirtschaftsstandorts Saarland betrachteten die Unternehmen
übereinstimmend die Senkung der überdurchschnittlichen
Gewerbesteuerhebesätze. Dabei gebe es wenig Unterschiede zwischen
den verschiedenen Wirtschaftszweigen und Größenklassen. Nicht
bestätigt werde durch die Untersuchung die häufig geäußerte
Behauptung, die Gewerbesteuer sei eine reine
'Großbetriebssteuer'. Gerade die mittelständischen Betriebe
stuften deren Bedeutung höher ein als die Großbetriebe mit über
500 Beschäftigten.
Ver- und Endsorgung zu teuer
Mit Vorrang fordern die saarländischen Unternehmen auch die
Dämpfung der Preisentwicklung in der Entsorgung und niedrigere
Versorgungspreise. Die Bedeutung als Standortfaktor steigt
erwartungsgemäß mit der Betriebsgröße. Bemerkenswert sei, so die
Kammer, daß die Bedeutung der Ver- und Entsorgungspreise für den
Handel mindestens ebenso hoch sei wie für die
Industrieunternehmen.
Weniger Feiertage und Sonderurlaub
Rund drei Viertel der saarländischen Unternehmen haben sich
in ihren Antworten dafür ausgesprochen, die im Saarland noch
überdurchschnittliche Zahl von Feiertagen zu reduzieren. In der
Industrie, wo jeder Feiertag einen entsprechenden Produktions-
und Umsatzausfall bedeute, seien es sogar über 82 Prozent. Das
'saarländische Unikum' des Sonderurlaubs für mindergeschädigte
Behinderte finde bei den Unternehmen ebenfalls wenig Anklang.
Rund 65 Prozent hielten seine Abschaffung für 'sehr wichtig' oder
'wichtig'.
Kürzere Genehmigungsverfahren
Insgesamt fast zwei Drittel der befragten Unternehmen
hielten auch die weitere Verkürzung der Genehmigungsverfahren im
Saarland für einen bedeutenden Standortfaktor. Dies gelte vor
allem für kleine mittelständische Betriebe. Großunternehmen
hätten auch hier mit Behörden offenbar weniger Probleme. Zu den
Forderungen der Unternehmen gehören auch der weitere Ausbau der
wirtschaftsnahen Forschung und die bessere Einbindung des
Saarlandes in die europäischen Verkehrsnetze. Besonderen
Handlungsbedarf gebe es beim Schienenverkehr.
Dringend verbesserungsbedürftig: öffentliche Sicherheit
Die öffentliche Sicherheit rangiert bei den saarländischen
Unternehmen nach der IHK-Untersuchung weit oben in der
Rangordnung. Über 70 Prozent halten sie für einen wichtigen
Standortfaktor. Nicht einmal fünf Prozent halten sie für
unwichtig. Offenbar kommen Land und Kommunen diesem hohen
Sicherheitsbedürfnis nur unzureichend nach: Über 40 Prozent der
Betriebe beurteilten die Sicherheit in ihrer Standortgemeinde mit
'weniger gut', weitere sechs Prozent mit 'schlecht'.
Kritik an kommunaler Wirtschaftsförderung
Auch die kommunale Wirtschaftsförderung, die Unterstützung
bei Investitionsvorhaben, die Ausstattung mit wirtschaftsnaher
Infrastruktur und die kommunale Gewerbeflächenpolitik stoßen auf
Kritik. Die häufigsten Klagen:
- zu wenige oder zu niedrig eingestufte Gewerbeflächen
- kommunale Planungsmängel zu Lasten der Wirtschaft
- mangelnde Unterstützung der Gemeinden bei
Anliegerbeschwerden
- unzureichende Rücksichtnahme bei kommunalen
Verkehrsplanungen
- zu lange Bearbeitungszeiten von Genehmigungsanträgen
- Ärger mit Umweltbeauftragten
Stadtentwicklung - noch viel zu tun
Für wichtig halten die befragten Unternehmen auch die
örtliche Verkehrs- und Parkplatzsituation, die Sauberkeit der
Städte und die Attraktivität der Ortskernlagen. Mit der Verkehrs-
und Parkplatzsituation ist fast die Hälfte aller Betriebe
unzufrieden. Über zwanzig Prozent finden sie sogar schlecht. An
der Sauberkeit haben über 40 Prozent etwas auszusetzen, an der
Attraktivität ihrer Innenstadt oder ihres Ortszentrums weit über
60 Prozent. Kaum ein Standortfaktor, außer dem Angebot an
wirtschaftsnaher Infrastruktur, sei so eindeutig schlecht
beurteilt worden wie das kommunale Ambiente, berichtet die IHK.
Ganz offensichtlich fehle es also in vielen saarländischen
Kommunen nicht in erster Linie am 'Stadtmarketing' oder an einer
besseren Imagewerbung, sondern an ganz konkreten und handfesten
Maßnahmen der Attraktivitätssteigerung. Der direkte Draht zur
Verwaltungsspitze wurde von über 60 Prozent der Befragten, von
Großbetrieben sogar zu über 90 Prozent als gut bewertet. Mit dem
Verhalten der städtischen Bediensteten sei nur gut die Hälfte
wirklich zufrieden.
Bewertung der einzelnen Gemeinden
In der Summe aller Faktoren gibt es nach der
IHK-Untersuchung erhebliche Unterschiede zwischen den
saarländischen Gemeinden. In der besonderen Gunst der ansässigen
Betriebe stehen Homburg und Neunkirchen. Am Ende der
Beliebtheitsskala findet sich Völklingen. Die Landeshauptstadt
Saarbrücken rangiert im unteren Mittelfeld. Die Stadt Saarlouis
belegt einen guten oberen Mittelplatz.
Ärger mit der Bürokratie
Absoluter 'Spitzenreiter' unter den von den Unternehmen
kritisierten Behörden, Verbänden und anderen öffentlichen
Einrichtungen ist die Entsorgungsbürokratie. Nahezu jeder dritte
Befragte hatte schon gravierende Probleme mit dem kommunalen
Abfallentsorgungsverband (KABV), der Monopolgesellschaft SES oder
der Abfallbürokratie im Ministerium. Deutlich besser kommen
Kommunalverwaltung, Arbeitsamt und Wasserbehörde weg. Weitgehend
unproblematisch scheint das Verhältnis zu den verschiedenen
Einrichtungen der Wirtschaftsförderung zu sein. Schwerwiegender
als Behördenärger aber wiegen Behinderungen, die von einigen
gesetzlichen Bestimmungen, Verordnungen und deren Auslegung durch
Behörden und Gerichte ausgehen. Nahezu jedes zweite Unternehmen
sieht sich ernsthaft durch das deutsche Arbeitsrecht und seine
richterrechtliche 'Weiterentwicklung' behindert. Durch die
abfallrechtlichen Regelungen fühlt sich inzwischen jedes dritte
saarländische Unternehmen negativ tangiert. Als hinderlich und
lähmend werden auch das Baurecht, die Arbeitsstättenverordnung,
der Emissionsschutz, der Lärmschutz, die Verpackungsverordnung
und das Verkehrsrecht genannt.
Initiativen der IHK werden honoriert
Die bisherigen Initiativen der Industrie- und Handelskammer
des Saarlandes für eine Standortaufwertung in Land und Bund
werden von den Unternehmen ganz überwiegend positiv beurteilt.
Fast die Hälfte der Befragten vergaben die Noten 'gut' und 'sehr
gut'. Die Bewertung fällt um so besser aus, je besser die
Unternehmen über die Initiativen der Kammer informiert sind. Für
die Zukunft erwarten sie von ihrer IHK einen weiter engagierten
Einsatz für bessere Standortbedingungen. Über 70 Prozent
vertraten die Auffassung, die Kammer solle sich mit Nachdruck und
Durchsetzungskraft hierfür engagieren.