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Wo saarländische Unternehmen der Schuh drückt

Eine Agenda für die Aufwertung des Standortes Saarland
Ergebnisse einer IHK-Unternehmensbefragung

06.10.1997

Mehr als zwei Drittel der insgesamt über 300 Unternehmen, die sich an einer repräsentativen Befragung der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes (IHK) beteiligt haben, beurteilen die Standortqualität des Saarlandes schlechter als die anderer westdeutscher Wirtschaftsräume. Nur für zwei Prozent sei das Saarland der bessere Standort, berichtet die Kammer. Geringfügig besser als im Durchschnitt der Unternehmen schneidet der Standort Saarland bei den Industriebetrieben ab, von denen wenigstens knapp drei Prozent davon überzeugt seien, an der Saar den besseren Standort gefunden zu haben. Den höchsten Anteil positiver Stimmen gibt es nach der IHK-Untersuchung unter den EDV- und Multimediaunternehmen.

Gewerbesteuerhebesätze senken
Als wichtigste Maßnahme zur Aufwertung des Wirtschaftsstandorts Saarland betrachteten die Unternehmen übereinstimmend die Senkung der überdurchschnittlichen Gewerbesteuerhebesätze. Dabei gebe es wenig Unterschiede zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen und Größenklassen. Nicht bestätigt werde durch die Untersuchung die häufig geäußerte Behauptung, die Gewerbesteuer sei eine reine 'Großbetriebssteuer'. Gerade die mittelständischen Betriebe stuften deren Bedeutung höher ein als die Großbetriebe mit über 500 Beschäftigten.

Ver- und Endsorgung zu teuer
Mit Vorrang fordern die saarländischen Unternehmen auch die Dämpfung der Preisentwicklung in der Entsorgung und niedrigere Versorgungspreise. Die Bedeutung als Standortfaktor steigt erwartungsgemäß mit der Betriebsgröße. Bemerkenswert sei, so die Kammer, daß die Bedeutung der Ver- und Entsorgungspreise für den Handel mindestens ebenso hoch sei wie für die Industrieunternehmen.

Weniger Feiertage und Sonderurlaub
Rund drei Viertel der saarländischen Unternehmen haben sich in ihren Antworten dafür ausgesprochen, die im Saarland noch überdurchschnittliche Zahl von Feiertagen zu reduzieren. In der Industrie, wo jeder Feiertag einen entsprechenden Produktions- und Umsatzausfall bedeute, seien es sogar über 82 Prozent. Das 'saarländische Unikum' des Sonderurlaubs für mindergeschädigte Behinderte finde bei den Unternehmen ebenfalls wenig Anklang. Rund 65 Prozent hielten seine Abschaffung für 'sehr wichtig' oder 'wichtig'.

Kürzere Genehmigungsverfahren
Insgesamt fast zwei Drittel der befragten Unternehmen hielten auch die weitere Verkürzung der Genehmigungsverfahren im Saarland für einen bedeutenden Standortfaktor. Dies gelte vor allem für kleine mittelständische Betriebe. Großunternehmen hätten auch hier mit Behörden offenbar weniger Probleme. Zu den Forderungen der Unternehmen gehören auch der weitere Ausbau der wirtschaftsnahen Forschung und die bessere Einbindung des Saarlandes in die europäischen Verkehrsnetze. Besonderen Handlungsbedarf gebe es beim Schienenverkehr.

Dringend verbesserungsbedürftig: öffentliche Sicherheit
Die öffentliche Sicherheit rangiert bei den saarländischen Unternehmen nach der IHK-Untersuchung weit oben in der Rangordnung. Über 70 Prozent halten sie für einen wichtigen Standortfaktor. Nicht einmal fünf Prozent halten sie für unwichtig. Offenbar kommen Land und Kommunen diesem hohen Sicherheitsbedürfnis nur unzureichend nach: Über 40 Prozent der Betriebe beurteilten die Sicherheit in ihrer Standortgemeinde mit 'weniger gut', weitere sechs Prozent mit 'schlecht'.

Kritik an kommunaler Wirtschaftsförderung
Auch die kommunale Wirtschaftsförderung, die Unterstützung bei Investitionsvorhaben, die Ausstattung mit wirtschaftsnaher Infrastruktur und die kommunale Gewerbeflächenpolitik stoßen auf Kritik. Die häufigsten Klagen:

- zu wenige oder zu niedrig eingestufte Gewerbeflächen
- kommunale Planungsmängel zu Lasten der Wirtschaft
- mangelnde Unterstützung der Gemeinden bei Anliegerbeschwerden
- unzureichende Rücksichtnahme bei kommunalen Verkehrsplanungen
- zu lange Bearbeitungszeiten von Genehmigungsanträgen
- Ärger mit Umweltbeauftragten

Stadtentwicklung - noch viel zu tun
Für wichtig halten die befragten Unternehmen auch die örtliche Verkehrs- und Parkplatzsituation, die Sauberkeit der Städte und die Attraktivität der Ortskernlagen. Mit der Verkehrs- und Parkplatzsituation ist fast die Hälfte aller Betriebe unzufrieden. Über zwanzig Prozent finden sie sogar schlecht. An der Sauberkeit haben über 40 Prozent etwas auszusetzen, an der Attraktivität ihrer Innenstadt oder ihres Ortszentrums weit über 60 Prozent. Kaum ein Standortfaktor, außer dem Angebot an wirtschaftsnaher Infrastruktur, sei so eindeutig schlecht beurteilt worden wie das kommunale Ambiente, berichtet die IHK. Ganz offensichtlich fehle es also in vielen saarländischen Kommunen nicht in erster Linie am 'Stadtmarketing' oder an einer besseren Imagewerbung, sondern an ganz konkreten und handfesten Maßnahmen der Attraktivitätssteigerung. Der direkte Draht zur Verwaltungsspitze wurde von über 60 Prozent der Befragten, von Großbetrieben sogar zu über 90 Prozent als gut bewertet. Mit dem Verhalten der städtischen Bediensteten sei nur gut die Hälfte wirklich zufrieden.

Bewertung der einzelnen Gemeinden
In der Summe aller Faktoren gibt es nach der IHK-Untersuchung erhebliche Unterschiede zwischen den saarländischen Gemeinden. In der besonderen Gunst der ansässigen Betriebe stehen Homburg und Neunkirchen. Am Ende der Beliebtheitsskala findet sich Völklingen. Die Landeshauptstadt Saarbrücken rangiert im unteren Mittelfeld. Die Stadt Saarlouis belegt einen guten oberen Mittelplatz.

Ärger mit der Bürokratie
Absoluter 'Spitzenreiter' unter den von den Unternehmen kritisierten Behörden, Verbänden und anderen öffentlichen Einrichtungen ist die Entsorgungsbürokratie. Nahezu jeder dritte Befragte hatte schon gravierende Probleme mit dem kommunalen Abfallentsorgungsverband (KABV), der Monopolgesellschaft SES oder der Abfallbürokratie im Ministerium. Deutlich besser kommen Kommunalverwaltung, Arbeitsamt und Wasserbehörde weg. Weitgehend unproblematisch scheint das Verhältnis zu den verschiedenen Einrichtungen der Wirtschaftsförderung zu sein. Schwerwiegender als Behördenärger aber wiegen Behinderungen, die von einigen gesetzlichen Bestimmungen, Verordnungen und deren Auslegung durch Behörden und Gerichte ausgehen. Nahezu jedes zweite Unternehmen sieht sich ernsthaft durch das deutsche Arbeitsrecht und seine richterrechtliche 'Weiterentwicklung' behindert. Durch die abfallrechtlichen Regelungen fühlt sich inzwischen jedes dritte saarländische Unternehmen negativ tangiert. Als hinderlich und lähmend werden auch das Baurecht, die Arbeitsstättenverordnung, der Emissionsschutz, der Lärmschutz, die Verpackungsverordnung und das Verkehrsrecht genannt.

Initiativen der IHK werden honoriert
Die bisherigen Initiativen der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes für eine Standortaufwertung in Land und Bund werden von den Unternehmen ganz überwiegend positiv beurteilt. Fast die Hälfte der Befragten vergaben die Noten 'gut' und 'sehr gut'. Die Bewertung fällt um so besser aus, je besser die Unternehmen über die Initiativen der Kammer informiert sind. Für die Zukunft erwarten sie von ihrer IHK einen weiter engagierten Einsatz für bessere Standortbedingungen. Über 70 Prozent vertraten die Auffassung, die Kammer solle sich mit Nachdruck und Durchsetzungskraft hierfür engagieren.